Winterberg. Seine Passion ist das Skispringen: Lukas Nellenschulte (15) aus Winterberg hat schon viele Erfahrungen gesammelt – und böse Stürze überstanden.
Lukas Nellenschulte liebt das Fliegen. Der 15-Jährige Winterberger hebt aber nicht mit einem Flugzeug oder einem anderen flugtauglichen Gerät ab, sondern auf Skiern. Der Teenager des SK Winterberg gilt im Hochsauerlandkreis als großes Nachwuchs-Talent im Spezialspringen. Was ihn antreibt, wie ein Skispringer ticken muss, um seine sportlichen Herausforderungen physisch und psychisch zu meistern, und wie er auch mit Rückschlägen umzugehen weiß, verrät Lukas Nellenschulte dieser Zeitung im Gespräch an einem seiner Lieblingsorte: der Winterberger St.-Georg-Schanze.
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An dieser historischen Sportstätte, 1928 erbaut, hatte für den aktuellen Skispringer der Deutschen Junioren-Nationalmannschaft alles begonnen. „Man darf keine Bammelbuchse sein. Denn wenn man da oben auf der Schanze weiche Knie bekommt, dann sollte man es mit dem Skispringen mal schön bleiben lassen“, sagt Skispringer Lukas Nellenschulte – und lächelt dabei über das ganze Gesicht.
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Der Schüler kennt diese brisante Mixtur aus respekteinflößendem Nervenkitzel und angespanntem Kribbeln im Bauch nur zu gut. Und doch brennt Nellenschulte für diesen Sport. Wie es sich tatsächlich in luftiger Höhe auf der Schanze, mit steilem Blick hinunter auf das Winterberg-Tal, anfühlt, das möchte er uns gerne zeigen und es uns am eigenen Leib spüren lassen. „Man muss es selbst mal erlebt haben. Sonst kann man sich das nicht richtig vorstellen“, betont auch Lukas‘ Vater, Rainer Nellenschulte, der seinen Sohn zum Gespräch begleitet.
So läuft der Anstieg auf der Winterberger Schanze
Also: Es gibt kein Zurück mehr. Gemeinsam mit dem ambitionierten Junioren-Skispringer geht es die legendäre Sportstätte hinauf. Lukas Nellenschulte, der seine brandneuen und 2,50 Meter langen Skier in den Händen trägt, marschiert in Windeseile voran. Nach einer passierten Drehkreuztür beginnt mit den uns vorliegenden 101 Beton-Treppenstufen der beinahe kreisförmige Aufstieg zur St. Georg-Schanze. Schon nach der Hälfte setzt mitunter leichte Schnappatmung ein. Doch das Interesse, einen sicherlich spektakulären Ausblick als Belohnung für den aufwendigen Fußmarsch zu bekommen, motiviert.
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Dann ist es vollbracht – endlich oben angekommen. Ein kühler Wind pfeift uns um die Ohren. Doch die strahlende Herbstsonne sorgt für wohltuende Wärme und für richtig gute Laune. Ein 360-Grad-Panoramablick über Winterberg und das Hochsauerland verstärkt die Eindrücke nur. Rainer Nellenschulte schließt ein Gittertor auf, damit sich sein Sohn auf den schwindelerregenden Weg hinab zum Startbalken machen kann.
Dieses komische Gefühl im Bauch – es ist sofort da, wenn man den Blick den Schanzentisch hinunter in die Tiefen des Tals richtet. „Das ist schon brutal, hier oben zu sitzen. Aber irgendwie auch cool. Die St.-Georg-Schanze, ist, unter den europaweiten Schanzen, diejenige, mit dem steilsten Sprunganlauf. 45 Grad geht es hier herunter. Wenn man sich vom Balken wegdrückt, dann beschleunigt man sofort auf 80, 90 Kilometer pro Stunde. Das ist der Wahnsinn“, erzählt Lukas Nellenschulte.
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Für ihn sei es insbesondere „das Gefühl von Freiheit und gleichzeitigem Adrenalinschub, was mich antreibt und mich schon immer fasziniert hat“, sagt das Talent. Dass dieser Sport risikobehaftet ist, weiß Nellenschulte unter anderem seit einem Sturz in Berchtesgarden in diesem Sommer, bei dem er mit einer ausgekugelten Schulter recht glimpflich davon gekommen war.
Wie alles beginnt
Die erfolgreiche Zeit als Sportler beginnt für den Sauerländer vor sieben Jahren bei einem Pfingstspringen. Nur wenige Monate später folgt der erste große Wettkampf bei der Nord-Westdeutschen Mattenschanzen-Tournee in Winterberg – 2016 und 2018 gewinnt Lukas Nellenschulte dort. Mit weiteren herausragenden Resultaten macht er auf sich aufmerksam.
In der Deutschen Schülercup-Serie (DSC) ist der junge Winterberger immer auf den vorderen Rangplätzen vertreten. In der Saison 2018/2019 feiert er sodann den Sieg im DSC-Spezialsprung. Zudem fährt er als Mitglied der Deutschen Junioren-Nationalmannschaft der Skispringer (D- und C-Kader) national wie international die Schanzen hinunter. Nellenschultes großer Traum: eine Laufbahn als Profi-Skispringer. „In die Fußstapfen der namhaften deutschen Skispringer zu treten, wäre mein Wunsch. Ich werde alles dafür tun, um es bis nach ganz oben zu schaffen“, sagt der 15-Jährige.
Das gesamte Jahr über absolviert er pro Woche je fünf Mal diverse Kraft- und Sprungtrainingseinheiten. In dieser Saison fehlen aufgrund der Coronapandemie die Wettkämpfe, bei denen er stets ganz oben landen möchte.
Apropos oben: Auf der Schanze wird es jetzt richtig kalt. Die Sonne senkt sich hinter den Berggipfeln Winterbergs und die Temperaturen sinken rasch. Der wesentlich bequemere Abstieg der 101 Treppenstufen kommt da genau richtig, um den Körper zu erwärmen. Nur Lukas Nellenschulte jammert: „Jetzt gehen wir runter. So fühlt es sich für einen Skispringer an, der vorzeitig aus dem Wettkampf ausscheidet. Der muss die Schanze verlassen.“
Auf diese Erfahrung kann das Top-Talent in seiner weiteren Karriere auch nach wie vor gern verzichten. Konzentriert zu bleiben, Vertrauen in sich selbst zu haben und die Beinspannung zu halten, all das sei „die Lebensversicherung eines Skispringers“, sagt er.