Marsberg/Dresden. Als die DDR zusammenbricht, ist für Profifußballer „Atze“ Döschner alles neu. So erlebt der Wahl-Sauerländer den Tag der Deutschen Einheit.

Diese Tage und Wochen werde er nie vergessen, sagt Matthias „Atze“ Döschner. Mit der Nationalmannschaft der DDR platzte für den Ex-Fußballprofi am 15. November 1989 beim 0:3 in Österreich in seinem letzten von 40 Länderspielen der Traum von der Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Sechs Tage zuvor war die Berliner Mauer gefallen – dem gebürtigen Sachsen Döschner boten sich plötzlich alle Freiheiten und eine Riesenchance, als Profi durchzustarten.

Auch interessant

Wie „Atze“ Döschner – bereits seit 20 Jahren in Marsberg im Sauerland verwurzelt – die Wendezeit erlebte, wie er über Umwege in Marsberg landete, und welchen Fehler er damals beging, verrät der heute 62-Jährige zum Tag der Deutschen Einheit am Samstag, 3. Oktober, anlässlich von 30 Jahren Wiedervereinigung im Gespräch mit dieser Zeitung.

„Atze“ Döschner: neue Karriere als Schiedsrichter

Am anderen der Telefonleitung arbeitet es in „Atze“ Döschner. Was er ohne die Wiedervereinigung wohl gemacht hätte? Welche Richtung er eingeschlagen hätte, beruflich und privat? Schwer zu sagen, findet Döschner. „Ich hatte damals aber meine Schiedsrichterscheine gemacht, und einer meiner Pläne war es, nach dem Ende meiner Profikarriere als Spieler eine Laufbahn als Profischiedsrichter einzuschlagen und auch international zu pfeifen“, erzählt der Ostdeutsche.

Auch interessant

Es kam anders. Matthias Döschner, damals bei Dynamo Dresden und dem DDR-Nationalteam gemeinsam mit Top-Spielern wie Matthias Sammer, Thorsten Gütschow und Andreas Thom aktiv, erlebte den Mauerfall im November 1989 als „Riesenüberraschung. Damals hatte keiner damit gerechnet, dass die Mauer zu diesem Zeitpunkt fällt“, sagt der Ex-Fußballer.

Rasch sei er mit seiner Familie nach Berlin aufgebrochen – wollte dabei sein. „Nach West-Berlin natürlich“, sagt Döschner und lacht. Zwar kannte er die Stadt bereits von seinen Reisen als Fußballprofi, doch für seine Angehörigen sei diese Erfahrung „unglaublich“ gewesen: „Das war totales Neuland, eine glitzernde, bunte neue Welt voller Freiheiten. Es gab plötzlich alles. Man musste sich neu orientieren. “

Schwere Verletzung ist ein Schock

Ehe die Deutsche Demokratischen Republik am 3. Oktober 1990 offiziell der Bundesrepublik Deutschland beitrat und somit Deutschland wiedervereinigt war, erlebte „Atze“ Döschner eine elektrisierende Zeit. „Ich wollte für meine Familie und mich das Beste herausholen“, sagt er. Nach seiner letzten Saison für Dynamo Dresden strebte er wie viele andere Ost-Kicker in den Westen, wollte in der 1. Bundesliga spielen. Der Wechsel zum FC St. Pauli platzte, so ging Döschner gemeinsam mit Andreas Trautmann und Hans-Uwe Pilz im Sommer 1990 zu Zweitligist Fortuna Köln. „Das war zwar eine schöne Zeit, im Rückblick aber ein Fehler, dass ich nicht in die 1. Liga gewechselt bin“, erklärt er.

Auch interessant

Nach 22 Punktspielen für die Kölner passierte es: In einem Zweikampf mit Jochen Heisig verletzte sich „Atze“ Döschner im Spiel gegen Hannover 96 im Februar 1991 so schwer, „dass mein gesamter Adduktoren-Bereich kaputt war. Ich habe Jochens Stollenschuhabdrücke noch wochenlang auf meinem Bein gesehen“. Schluss, aus, vorbei – mit erst 33 Jahren. „Natürlich war ich enttäuscht, hab’ mich aber geschüttelt und weitergemacht. Ich hatte schließlich eine Verantwortung meiner Familie gegenüber.“

Die Liebe im Sauerland

Der gelernte Elektronikfacharbeiter ging zurück in die alte Heimat, nach Dresden. Döschner ließ sich zum Dachklempner umschulen, arbeitete in der renommierten Dachdeckerfirma seines Vaters mit, „aber dann wollte ich wieder in den Fußballbereich“, sagt er. Unternehmer Klemens Fiege lockte den Sachsen schließlich Ende der 1990er-Jahre als Trainer zum SV Obermarsberg, der zur Jahrtausendwende aufrüstete.

Auch interessant

Der anvisierte Aufstieg in die Landesliga gelang dem Verein nicht – doch „Atze“ Döschner lernte im Sauerland seine Frau kennen und lieben – und die Region schätzen. „Das Sauerland war für mich ein toller Ort, an dem andere Urlaub machen. Speziell die Region rund um Marsberg ist wunderschön“, sagt Döschner, der auch die SG Hoppecketal/Padberg trainierte. Er muss lachen. „Wenn mir einer mit 20 Jahren gesagt hätte, dass ich mit 40 im Hochsauerland lebe – das hätte ich nicht geglaubt. Aber genau das ist das Spannende im Leben“, so Döschner.

Auch interessant

Der ehemalige Profifußballer ist neben seinem zeitlich fordernden Beruf auch als Coach einer Fußballschule aktiv. Außerdem spielt der Wahl-Sauerländer für das Ostfußball-Traditionsteam, „eine Art Ex-DDR-Nationalmannschaft“, sagt Döschner, der sich stets auf Wiedersehen mit Freunden wie Thomas Doll oder Dirk Schuster freut.

Dem Tag der Deutschen Einheit – 30 Jahre nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 – blickt „Atze“ Döschner zuversichtlich entgegen. „Für mich ist das ein toller Tag. Ein ganz besonderer Tag.“