Meschede. Als die DDR zusammenbrach, plagten Leichtathletik-Trainer Reiner Geinitz aus Sachsen-Anhalt Zukunftsängste. In Meschede fand er eine neue Heimat.
Eigentlich ist Reiner Geinitz bereits seit einem Jahr im Ruhestand. Eigentlich. Denn nach wie vor steht der Leichtathletik-Trainer fast jeden Tag auf der Laufbahn des Dünnefeld-Stadions in Meschede und formt die Nachwuchsathleten des LAC Veltins Hochsauerland. 30 Jahre nach dem Mauerfall spricht der 68-Jährige über eine folgenschwere Begegnung, die ihn 1993 in den HSK führte und über seine Heimat, die er eigentlich nie verlassen wollte.
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In einer Würdigung Geinitz’ jahrzehntelanger Arbeit zunächst für die LG Hochsauerland und danach für das LAC Veltins Hochsauerland beschrieb Michael Küsgen, Pressesprecher des LAC Veltins, den Diplom-Sportlehrer als „Sportinfizierten“ und als „Trainer, der uneigennützig für seine von ihm betreuten Jugendlichen jeden Weg zu gehen versucht“.
Hier wächst Geinitz auf
Doch was genau bedeutet Reiner Geinitz der Sport ganz persönlich? Im Gespräch mit dieser Zeitung lässt er den Blick durch das Dünnefeld-Stadion schweifen. „Er bedeutet mir sehr viel. Es wäre schlimm, wenn das alles nicht mehr wäre“, sagt Geinitz und zeigt quer durch das Stadion.
Reiner Geinitz stammt aus dem winzigen Dorf Poserna, das mittlerweile als Ortsteil zur Stadt Lützen im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt gehört. Etwa 400 Menschen leben hier heute, kaum mehr als damals, als Geinitz hier aufwuchs. Der Sportbegeisterte absolvierte 1977 an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig in der ehemaligen DDR die Ausbildung zum Diplom-Sportlehrer. Fortan war er unter anderem Leichtathletikcoach beim SC DHfK Leipzig. „Der Klub gilt als der erfolgreichste Verein der Welt“, schwärmt Geinitz noch heute.
„Teil eines festen Systems“
Als am 9. November 1989 die Mauer fiel und damit die Deutsche Demokratische Republik endgültig den Weg in ihre Auflösung einschlug, stand auch Reiner Geinitz vor einer ungewissen Zukunft. Er wurde als Sporttrainer entlassen – ebenso wie viele seiner Kollegen. „In der DDR gab es offiziell keine Arbeitslosigkeit. Natürlich war es aber so, dass ich damals große Angst vor der Zukunft hatte. Man war bis dahin Teil eines festen Systems und hat von den Problemen beispielsweise in der Wirtschaft kaum etwas mitbekommen. Und dann hatte man viele Sorgen und wusste nicht, wie es weitergeht“, erzählt Reiner Geinitz.
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Der Sachsen-Anhaltiner schlug sich bis 1993 als Rehabilitationssportlehrer in einem Fitnessstudio durch und lernte dort zufällig Klaus Linke aus dem Hochsauerlandkreis kennen. „Er hat mich gefragt, ob ich nicht nach Meschede kommen wolle, um dort Leichtathleten zu trainieren. Nachdem meine Anstellung endete, hatte ich auch keine Alternativ und habe in den HSK rübergemacht, obwohl ich hier nichts und niemanden kannte“, sagt Geinitz.
Ein Geständnis
In der „neuen Welt“, dem zuvor unbekannten Westen, nutzte Reiner Geinitz seine große Passion, den Sport, um nicht nur beruflich wieder Fuß zu fassen, sondern ebenso Land und Leute kennenzulernen. Er wurde 1993 hauptamtlicher Trainer der LG Hochsauerland und nach deren Fusion mit der LG Sauerland übernahm er dieses Amt auch beim neu gegründeten LAC Veltins Hochsauerland. „Ich war am Anfang unterfordert“, gibt Geinitz zu. Bei seiner vorherigen Arbeit in der DDR sei er es gewohnt gewesen, bereits gesichtete Athleten zu Leistungssportlern aufzubauen. „Und dann kam ich in den HSK und hatte es mit Breitensport zu tun. Das war ein Umbruch“, sagt Geinitz.
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Beim LAC Veltins Hochsauerland betrieb der Ostdeutsche fortan Pionierarbeit. Geinitz betreute junge, hoffnungsvolle Talente – und machte aus ihnen gemeinsam mit seinen Mitstreitern Leistungssportler. Talente zu suchen und zu entwickeln, das war ihm schon immer wichtig. Er sei froh gewesen, „dass ich im HSK wieder eine tolle Aufgabe gefunden habe. Ich wollte aber immer mal wieder zurück in die Heimat“.
Dass daraus nichts geworden ist, er nach wie vor in Meschede lebt und noch intensiv mit den LAC-Talenten Melanie Struwe (Hochsprung) und Oliver Ollesch (Sprint) arbeitet, sei nicht nur der Arbeit in seiner neuen Heimat zu verdanken. Geinitz: „Ich fühle mich im Sauerland sehr wohl und finde vor allem die Landschaft fantastisch. Ich habe immer mit tollen Leuten beim LAC Veltins Hochsauerland zusammengearbeitet, das macht viel Spaß.“