Winterberg. Das Sauerland ist kein weißer Fleck mehr in Sachen Leistungssport auf der Snowboard-Landkarte. Das liegt an Julia Hennecke und ihrem Projekt.
Der Anblick schmerzt. Dort, wo der Schnee in diesen Januar-Tagen weiß strahlen sollte, strahlt gar nichts. Dort, wo junge Snowboard-Talente trainieren sollten, trainiert niemand. Stattdessen fällt der Blick auf ein Irgendwas aus grün-grauem Gras und Matsch vom Regen der vergangenen Tage. Doch von Wetterkapriolen lässt sich Julia Hennecke nicht aufhalten. Denn ihr ebenso einzigartiges wie ehrgeiziges Snowboard-Projekt nimmt mehr und mehr an Fahrt auf. Und das – erstaunt selbst die 27-Jährige.
Ein Tischlermeister als Pionier
Denn als sie vor einem Jahr antritt, um der Snowboard-Szene im Hochsauerland mit Hilfe des SC Neuastenberg-Langewiese neues Leben einzuhauchen, beginnt sie bei Null.
Längst vergangen sind die glorreichen Jahre, in denen es ein eigenes Team gab. Zum Saisonabschluss tragen zwar die weltbesten Raceboarder mittlerweile regelmäßig ihr Weltcup-Finale im Parallel-Slalom am Poppenberghang in Winterberg aus, aber auf die Frage, wie es denn um eigenen Nachwuchs aus dem Sauerland bestellt sei, kann Rolf Dickel lange nur traurig und hilflos mit den Schultern zucken.
Wenig Schnee – schwierige Planungen
Zwar war der Snowboard-Nachwuchs auch im vergangenen Jahr beim Weltcupfinale der weltbesten Snowboarder am Poppenberghang – damals allerdings nur als Zuschauer. Unter anderem trafen die Talente Weltmeisterin Selina Jörg und fachsimpelten mit ihr.
In diesem Jahr könnten die Nachwuchsboarder eventuell ein bisschen mehr eingebunden sein, wenn das Weltcupfinale im Hochsauerland über die Bühne geht. Vom 13. bis zum 15. März steht das Einzel- und Team-Event am Poppenberghang an.
„Es gibt Überlegungen, einen kleinen Wettbewerb im Rahmenprogramm des Weltcups zu veranstalten“, verrät Julia Hennecke. Noch sei das aber nicht zu einhundert Prozent sicher.
Unsicher ist auch, ob der für Samstag, 18. Januar, geplante Rookie-Contest auf der Postwiese in Neuastenberg durchgeführt werden kann. „Vielleicht müssen wir ihn absagen, weil nicht genug Schnee vorhanden ist.“
Dickel, mittlerweile 73 Jahre alt, wird von allen nur liebevoll „Snowboard-Guru“ genannt. Weil der Neuastenberger Tischlermeister es war, der vor etwa 30 Jahren die noch unbekannte Wintersportart ins Sauerland brachte. Unter seiner Ägide gründete sich sogar ein Team, das nationale Erfolge einheimste – und in dem Julia Hennecke ihre Leidenschaft für das Snowboarden entdeckte.
Heute übernimmt sie Dickels Rolle von damals. Sie ist die treibende Kraft in einem Projekt, das allerdings auch beim Westdeutschen Skiverband auf fruchtbaren Boden fällt.
Auch interessant
Im Oktober des vergangenen Jahres genehmigt der WSV eine Anschubfinanzierung zur leistungssportlichen Ausrichtung des Bereichs Snowboard. Hennecke ist neben ihrer Trainertätigkeit auch Sportwartin Snowboard Leistungssport, Jasmin Leber ihre Stellvertreterin am Trainingsstützpunkt. Es gibt sogar einen stellvertretenden Sportwart in den Ballungsgebieten – natürlich möchte der WSV vom enormen Talente-Potenzial Nordrhein-Westfalens abseits des Sauerlandes profitieren.
Das ist das Talentteam des WSV
„Das Projekt hat sich super entwickelt“, sagt Julia Hennecke, „wenn man bedenkt, dass wir erst vor einem Jahr gestartet sind, muss man festhalten, dass so etwas hier gefehlt hat.“ Kooperationen zwischen dem SCNL und dem Skiklub Winterberg bei Trainingstouren in die Skihalle zum Beispiel bestätigen dies. „Und auch der Ski-Club Silbach bietet ein cooles Konzept an“, sagt Hennecke. Während Eltern Ski-Unterricht erhalten, können sich deren Kinder auf dem Snowboard versuchen.
Dem Talentteam des WSV, das zweimal pro Woche trainiert, gehören sieben Jungen und zwei Mädchen an. Hennecke: „Das sind Kinder aus dem Sauerland, aber auch eines aus Solingen.“ 14 Nachwuchs-Snowboarder im Alter zwischen sechs und 14 Jahren bilden zudem ein Team beim SC Neuastenberg-Langewiese, „das einmal in der Woche trainiert“. Dank der Zusammenarbeit mit dem Olympiastützpunkt in der Sporthalle, im Sommer zudem in diversen Skihallen, auf dem Mountainbike oder am Badesee.
Auch interessant
Im Winter – warten die Talente sehnsüchtig auf Schnee und ihre ersten Schwünge auf der Postwiese in Neuastenberg. „Am vergangenen Freitag wollten wir zum ersten Mal in diesem Winter auf der Piste trainieren“, sagt Julia Hennecke, „aber es hat so geschüttet, dass wir ins Hallentraining ausweichen mussten.“
Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und wenn ihre Kinder und Jugendlichen voller Elan mit dem Snowboard Schwünge auf der Postwiese ziehen oder kleine Kunststücke im Funpark ausprobieren, dann ist das ein Anblick, der Julia Hennecke und Co. nicht schmerzt, sondern ihnen das Herz aufgehen lässt.