Winterberg. Bob-Weltmeisterin Annika Drazek möchte den BSC Winterberg verlassen und für ihren Heimatklub TV Gladbeck starten. Ein Wunsch mit Streitpotenzial.

Ihr Fall ist selten. Denn im Wintersport – und besonders in der überschaubaren Bob-Szene – werden Vereinswechsel in der Regel erst kommentiert, wenn sie unter Dach und Fach sind. Erst recht, wenn es sich um eine Athletin wie Annika Drazek dreht, die als Anschieberin unter anderem zweimal Weltmeisterin geworden ist und als Deutschlands unangefochtene Nummer eins auf dieser Position gilt. Als solche gehört sie zu den Stars der Branche. Trotzdem gerät Drazeks angestrebter Wechsel vom BSC Winterberg zum TV Gladbeck plötzlich in die Schlagzeilen.

Denn die Lage ist eindeutig, verständlich – und doch verzwickt.

Das überraschte Brieden

Auf der einen Seite stehen die 24-jährige Anschieberin und ihr Trainer Heiner Preute, der auch Abteilungsleiter der zu Beginn dieses Jahres gegründeten Abteilung Kufe beim TV Gladbeck ist. Drazek stammt aus Gladbeck, wohnt in Gladbeck – und möchte in Zukunft wieder für ihren Heimatverein starten, bei dem sie einst als Leichtathletin ihre Karriere im Sport startete.

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Auf der anderen Seite steht der BSC Winterberg. Seitdem der heutige Bob-Chef-Bundestrainer René Spies Drazek vor etwa fünf Jahren entdeckte und sie zu einer Umschulung zur Wintersportlerin überredete, gehört die Anschieberin dem BSC an. Der Klub aus dem Hochsauerland unterstützte sie, förderte sie – und würde sie am liebsten auch in Zukunft im Verein sehen.

Christoph Brieden (re.; hier auf einem Archivbild mit (v.li.) Corinna Martini, Laura Nolte und Hannah Neise) muss als kommissarischer Vorsitzender des BSC Winterberg die Interessen des Klubs vertreten.
Christoph Brieden (re.; hier auf einem Archivbild mit (v.li.) Corinna Martini, Laura Nolte und Hannah Neise) muss als kommissarischer Vorsitzender des BSC Winterberg die Interessen des Klubs vertreten. © Verein

„Eine Weltmeisterin verliert man nicht gerne, das ist doch klar“, sagt Christoph Brieden, der 2. Vorsitzende, der kommissarisch als Vorsitzender fungiert. „Aber natürlich verstehen wir Annikas Wunsch, jetzt, wo es möglich ist, wieder im Trikot ihres Heimatvereins zu starten.“

Ein Problem: Drazek versäumte es, sich form- und fristgerecht beim BSC zum 30. April abzumelden.

Deshalb zeigte sich Brieden sehr überrascht, als er von dieser Zeitung auf einen Bericht in der „WAZ“ angesprochen wurde, der Ende Mai erschien und in dem Drazek als neues Aushängeschild des TV Gladbeck vorgestellt wurde. „Es war uns wichtig, sie zurückzuholen. Und Annika wollte das auch. Sie ist mit ihrer Heimat sehr verbunden und kann nun wieder für den Verein starten, bei dem sie groß geworden ist“, wurde Preute dort zitiert.

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„Rein formal ist es Stand jetzt so, dass Annika bis zum 31. März 2020 für uns starten muss“, erklärt Brieden nun auf Nachfrage.

Er wolle allerdings keinen Streit vom Zaun brechen und befinde sich im Austausch mit Preute, sagt Brieden. Als Trainer des Nordrhein-Westfälischen Bob- und Schlittensportverbandes (NWBSV) trainiert der Gladbecker schließlich auch Athleten des BSC. „Heiner ist ein super Trainer“, lobt Brieden die fachlichen Qualitäten Preutes.

Am Ende dürfte es also nur noch ums Geld gehen.

Keinen verbandsinternen Streit

Brieden bestätigt das indirekt. „Es gibt sowohl beim Bob- und Schlittenverband für Deutschland als auch beim NWBSV eine Ausbildungsverordnung“, sagt er. „Beide Klubs gehören dem gleichen Landesverband an, alleine deswegen möchten wir das ohne Probleme regeln, aber es muss halt auch für uns als BSC passen“, ergänzt Brieden. Wollte Drazek zu einem Klub nach Bayern oder Baden-Württemberg wechseln, würde sich der BSC wohl nicht auf so einen Kompromiss einlassen.