Gelsenkirchen. Zwei Schiri-Entscheidungen sorgen für hitzige Diskussionen. Einmal hat Schalke Pech, einmal herrscht Regel-Verwirrung. Das steckt dahinter.

Kurz nach dem Schlusspfiff in der Arena wurde es noch einmal ohrenbetäubend laut. Als Schiedsrichter Harm Osmers zusammen mit seinen Assistenten das Spielfeld verließ, pfiff ein Großteil der 61.458 Zuschauer voller Inbrunst. Aus Sorge vor möglichen Wurfgeschossen von der Tribüne wurden von Ordnern sogar Regenschirme gespannt, um den Referee zu schützen. Riesig war die Wut der Schalke-Fans.

Gleich mehrfach stand der Schiedsrichter beim 1:1 im Zweitligaspiel zwischen Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf im Mittelpunkt – einmal entschied er zugunsten der Schalker, einmal zugunsten der Rheinländer. Trotzdem saß der Stachel bei den Gelsenkirchenern tief, die in der Nachspielzeit gern einen Elfmeter bekommen hätten.

Doch was war passiert? Und warum ärgerten sich auch die Düsseldorfer?

Schalke: Erster Schiri-Aufreger – kein Platzverweis für Kenan Karaman

Es lief bereits die 83. Minute, da stürmten die Düsseldorfer beim Stand von 1:1 in einer Umschaltsituation in Richtung des Schalker Tores. Im Mittelfeld wusste sich Kenan Karaman nicht anders zu helfen, als ein taktisches Foul zu begehen. In der Hoffnung, den Angriff (und ein mögliches Gegentor) zu unterbinden, zog der 30-Jährige seinem Gegenspieler am Trikot. Dieser wankte, aber fiel nicht – und der Ball blieb bei der Fortuna. Schiedsrichter Osmers erkannte das Foul, aber entschied auf Vorteil, das Spiel lief weiter.

Brisant: Karaman wurde schon in der ersten Halbzeit mit Gelb verwarnt. Schon bei seinem Versuch den Konter zu unterbinden, wusste er, dass er für dieses Einsteigen womöglich Gelb-Rot sehen wird. Bei der nächsten Spielunterbrechung blieb der Platzverweis allerdings aus – zur Überraschung vieler Schalker.. „Da hatte ich richtig Glück“, sagte Schalkes Top-Scorer nach Schlusspfiff ehrlich. Sein Erklärungsansatz: „Der Ball blieb im Anschluss lange im Spiel, ich weiß nicht, ob die Situation vielleicht danach vergessen wurde.“

Schalke-Profi Kenan Karaman im Zweikampf mit Yannik Engelhardt von Fortuna Düsseldorf.
Schalke-Profi Kenan Karaman im Zweikampf mit Yannik Engelhardt von Fortuna Düsseldorf. © dpa | Bernd Thissen

Die Düsseldorfer wüteten. Auf der Bank gab es hitzige Diskussionen. Fortuna-Sportdirektor Christian Weber sah Gelb wegen Meckerns (genau wie S04-Trainer Karel Geraerts). „Für mich war das eine glasklare Karte“, sagte Düsseldorfs Emmanuel Iyoha. „Mehr taktisches Foul geht nicht. So hätte Schalke die letzten zehn Minuten mit einem Mann weniger gespielt.“ Aus dem vermeintlichen Vorteil für die Fortuna wurde dementsprechend ein Nachteil.

Schalke: Ron Schallenberg klärt Regel-Irrtum auf

Doch warum flog Karaman nicht vom Platz? „Die Regel ist so: Wenn der Schiedsrichter trotz eines taktischen Fouls auf Vorteil entscheidet, gibt es im Nachgang keine Karten mehr“, erklärte Schalkes Mittelfeldspieler Ron Schallenberg – und lag damit genau richtig. Karaman nicht mit Gelb-Rot zu bestrafen, war dementsprechend korrekt. Nur wenn Osmers das taktische Foul des Schalkers sofort geahndet hätte, wäre Karaman vom Platz geflogen.

Wäre der Düsseldorfer nach Karamans Einsteigen sofort gefallen anstatt weiterzuspielen, hätte es den Platzverweis gegeben - und den Schalkern hätte ihr Top-Scorer im wichtigen Auswärtsspiel beim VfL Osnabrück am kommenden Samstag (13 Uhr/Sky) gefehlt. Schon deshalb haben die Königsblauen großes Glück gehabt.

Nach Schlusspfiff: Die Schalker diskutieren mit Schiedsrichter Harm Osmers.
Nach Schlusspfiff: Die Schalker diskutieren mit Schiedsrichter Harm Osmers. © Jürgen Fromme /firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Schalke: Zweiter Schiri-Aufreger – VAR nimmt S04-Elfmeter zurück

Übergekocht sind die Emotionen dann in der Nachspielzeit. Nur noch Sekunden waren noch auf der Uhr, da fiel der eingewechselte Assan Ouédraogo nach Flanke von Ron Schallenberg im Strafraum. In einem Zweikampf mit Joshua Quarshie wurde Schalkes Mittelfeldspieler leicht am Trikot gezogen – Osmers pfiff sofort, entschied auf Elfmeter. In der Arena wurde diese Entscheidung fast so frenetisch bejubelt wie ein geschossenes Tor. Kenan Karaman stand schon am Punkt bereit, aber dann schaltete sich Video-Assistent Patrick Hanslbauer ein.

Es wurde überprüft, ob wirklich ein Foulspiel an Ouédraogo vorgelegen hatte. Über eine Minute lang schaute sich Osmers die Szene auf dem Video-Monitor an. Dann entschied er: Der Elfmeter wird zurückgenommen, der minimale Kontakt reichte dem Schiedsrichter offenbar nicht für einen Strafstoß. Die Schalker konnten es nicht fassen. Wild gestikulierend stürmten die S04-Profis im Anschluss auf den Schiedsrichter zu, die Fans in der Arena fluchten und pfiffen.

Schalke: Düsseldorf-Profis rechneten mit S04-Elfer

Schiedsrichter Harm Osmers steht am Video-Bildschirm und prüft seine Elfmeter-Entscheidung - wenige Augenblicke später nimmt er den Strafstoß zurück.
Schiedsrichter Harm Osmers steht am Video-Bildschirm und prüft seine Elfmeter-Entscheidung - wenige Augenblicke später nimmt er den Strafstoß zurück. © dpa | Bernd Thissen

„Es war ein klarer Elfmeter“, sagte der verärgerte S04-Trainer Karel Geraerts nach Spielende. „Der Schiedsrichter hat gepfiffen und es gab einen Kontakt an Assan. Es ist keine klare Fehlentscheidung – deshalb kann der VAR hier nicht eingreifen.“ Exakt diese Haltung vertraten fast alle Königsblauen. Zweifelsfrei war es kein grobes Foulspiel an Ouédraogo, doch komplett sauber war das Verhalten von Quarshie nicht. „Manchmal reicht ein kleiner Kontakt, um den Spieler zu behindern“, erklärte Kenan Karaman aus Spielersicht. „Vielleicht kommt Assan sonst einen Schritt näher zum Ball und trifft.“

Sogar die Düsseldorfer waren sich weitgehend einig, dass sie in der Nachspielzeit Glück hatten. Torwart Florian Kastenmeier sprach von einer 80/20-Entscheidung pro Elfmeter. Iyhoa sagte: „Andersherum wären wir die Ersten gewesen, die einen Elfer gefordert hätten. Da brauch mal ein bisschen Glück.“

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