Paderborn. Mattes Hansen war U19-Kapitän auf Schalke – inzwischen ist er ein wichtiger Spieler beim SC Paderborn. Warum er S04 verlassen hat. Ein Interview.
Mattes Hansen überlegt lange. Als er im Interview gefragt wird, ob er zufrieden mit seiner bisherigen Saison ist, fällt es dem 19-Jahre alten Mittelfeldspieler des SC Paderborn 07 nicht leicht, die richtige Antwort zu finden. Mit Blick auf seine bislang 16 Zweitliga-Einsätze im ersten Profi-Jahr ist Hansen zwar glücklich, doch er sagt: „Ich bin niemand, der gern zufrieden ist. Zufriedenheit bedeutet Stagnation.“
Schon diese Aussage zeigt: Der deutsche U20-Nationalspieler hat in seiner Karriere noch Großes vor. Im Interview vor seinem Gastspiel mit Paderborn auf Schalke am Samstag (13 Uhr/Sky) spricht er über seinen ungewöhnlichen Weg zum Profi, seine WG-Zeit mit Keke Topp und er erklärt, warum er Schalke 04 im Sommer verlassen hat – obwohl er in der U19 noch Kapitän bei den Gelsenkirchenern war und von allen Seiten gelobt wurde.
Was ist für Sie Heimat?
Mattes Hansen: Familie, Freunde – einfach Wohlfühlen.
Mit Ihren 19 Jahren sind Sie schon viel herumgekommen. Als 14-Jähriger haben Sie ihre Heimat in Mecklenburg-Vorpommern verlassen, um ins Internat des VfL Wolfsburg zu ziehen, mit 17 Jahren ging es dann zu Schalke, im Sommer 2023 zum SC Paderborn 07.
Hansen: Mir war immer klar, dass ich für den Profitraum Opfer bringen muss. Ich bin kein Typ, der sich beschwert oder Dingen hinterhertrauert, die ich in der Jugend wegen des Fußballs verpasst habe. Auf viele Partys habe ich wohlwollend verzichtet.
Wie schwer waren diese ständigen Ortswechsel für Sie?
Hansen: Mit Blick auf meine Wechselhistorie könnte man meinen, das würde mir alles leichtfallen – doch das Gegenteil ist der Fall. Ich bin eigentlich jemand, der gern in seiner Komfortzone bleibt. Schon vor meinem Wechsel von Schwerin zum VfL Wolfsburg hatte ich auch Bedenken. Das Verlassen meiner Komfortzone hat mich jedoch charakterlich jedes Mal reifen lassen. Heute profitiere ich davon.
In Paderborn leben Sie erstmals allein, in Gelsenkirchen haben Sie im Vorjahr noch mit Keke Topp in einer WG gewohnt. Vermissen Sie Ihren Ex-Kollegen manchmal?
Hansen: (grinst) Ich bin weiterhin gut mit Keke befreundet und regelmäßig mit ihm in Kontakt. Daher muss ich ihn aktuell gar nicht vermissen. Keke ist ein wilder, verrückter Typ – ein Draufgänger. Ich bin da deutlich sachlicher, zurückhaltender. Vielleicht hat es gerade deshalb zwischen uns so gut gepasst.
Schalke-Anfrage kam bei Mattes Hansen zu spät
Wer hat den Haushalt geschmissen und gekocht?
Hansen: Tolle Köche sind wir beide nicht. Keke hat manchmal gekocht, aber eher die simplen Dinge wie Pasta mit Gemüse und ein bisschen Fleisch. Das bekomme ich auch noch hin. Alles, was darüber hinausgeht, würde ich gern können, liegt aber außerhalb meines Kompetenzbereichs. (lacht)
Egal ob Keke Topp, Norbert Elgert oder Mike Büskens – sie alle haben schon gesagt, dass sie Ihren Schalke-Abschied im Sommer sehr bedauern. Warum haben Sie den Schritt nach Paderborn gemacht?
Hansen: Der SC Paderborn hat sich sehr früh bei mir gemeldet und Interesse bekundet. Geschäftsführer Sport Benjamin Weber und Chef-Trainer Lukas Kwasniok haben mir eine gute Perspektive aufgezeigt und mich überzeugt.
Also waren die Schalker einfach zu spät dran?
Hansen: Erst nach dem U19-Pokalfinale am 30. April haben sich die Schalker Verantwortlichen erstmals bei mir gemeldet, um mit mir über die kommende Saison zu sprechen. Aber zu diesem Zeitpunkt war ich mit dem SC Paderborn 07 schon extrem weit – deshalb wurde es mit Schalke nicht konkret.
Wann gab es erstmals Kontakt zum SC Paderborn 07?
Hansen: Schon im Januar haben sich die Verantwortlichen bei meinem Berater gemeldet, im Februar oder März war ich dann persönlich erstmals zu Gesprächen in Paderborn.
Welche Perspektive wurde Ihnen in Paderborn konkret aufgezeigt?
Hansen: In meinem Alter ist Spielzeit das Allerwichtigste und mir wurde genau das in Aussicht gestellt. Ich habe schnell gespürt, dass der SC Paderborn 07 etwas in mir sieht, dass hier auf mich gesetzt wird. Heute kann man sagen, dass die damaligen Versprechen sogar übertroffen wurden.
Mattes Hansen: Norbert Elgert war der Grund für meinen Schalke-Wechsel
Obwohl Sie auf Schalke häufig gelobt wurden und Kapitän der U19 waren, durften Sie kaum mit den Profis trainieren.
Hansen: Trotzdem habe ich auch im zweiten U19-Jahr keine große Unsicherheit verspürt. Ich wusste, dass es Norbert Elgerts Art ist, die Spieler lange bei sich zu halten – auch, wenn er sie hochbringen will. Der Austausch zwischen dem Coach und mir war da immer sehr offen. Generell finde ich den Ansatz von Herrn Elgert gut. Er will junge Spieler erst zu den Profis schicken, wenn er der Meinung ist, dass sie dort nicht nur mitschwimmen, sondern ebenbürtig sind. Er hält wenig vom Pendeln zwischen den Mannschaften.
Welchen Anteil hatte Norbert Elgert an Ihrem Wechsel vom VfL Wolfsburg nach Gelsenkirchen?
Hansen: Er war der Grund für den Wechsel. Unter ihm habe ich mir die bestmögliche Vorbereitung auf den Profifußball versprochen – sowohl fußballerisch als auch menschlich. Heute kann ich sagen: Der Plan ist aufgegangen.
Wie schafft es Norbert Elgert, Talente ans Limit zu bringen und weiterzuentwickeln?
Hansen: Er lässt einfach nicht locker. Jeden Tag aufs Neue fordert er 100 Prozent. Aber genau diese totale Leidenschaft lebt er vor. Herr Elgert legt immer den Finger in die Wunde und verlangt seinen Spielern alles ab – genau so macht er sie zu besseren Spielern und Menschen.
Bei Ihnen hatte die Elgert-Schule Erfolg. Beim SC Paderborn 07 kamen Sie im Saisonverlauf schon auf 16 Zweitliga-Einsätze. Sind Sie damit zufrieden?
Hansen: Insgesamt bin ich zufrieden. Aber ich bin niemand, der gern zufrieden ist. Zufriedenheit bedeutet Stagnation, und das darf mir mit 19 Jahren nicht passieren. Es wäre fatal, wenn ich mich auf meiner guten Hinrunde ausruhen würde. Zuletzt hatte ich weniger Spielzeit. Das wurmt mich und ich gebe alles, damit ich schnell wieder in die erste Elf komme.
Ex-Schalker Mattes Hansen hat von Schallenberg-Abgang in Paderborn profitiert
Inwiefern profitieren Sie von Ron Schallenbergs Wechsel zu Schalke?
Hansen: Ron war Kapitän, der wichtigste Spieler der Mannschaft. Wenn so jemand geht, entsteht eine Lücke, die von anderen Spielern ausgefüllt werden muss. Ich habe von seinem Abgang profitiert, auch wenn ich weit weg davon bin, ein Eins-zu-eins-Ersatz von Ron zu sein.
Wie würden Sie Ihre Spielweise beschreiben?
Hansen: Ich falle wenig durch besondere Einzelaktionen auf. Wenn ich als defensiver Mittelfeldspieler über 90 Minuten nicht auffalle, mache ich vieles richtig. Statt selbst zu glänzen, versuche ich, meine Mitspieler in Szene zu setzen.
Was zeichnet den SC Paderborn 07 als Mannschaft aus?
Hansen: Wir sind eine junge Mannschaft, die einfach Bock hat, Fußball zu spielen. Leistungstechnisch sind wir noch ein bisschen inkonstant, aber ein Team, das gut harmoniert. Der Kader ist sehr ausgeglichen – deshalb schaffen wir es in der Rückrunde auch,, die Lücke von Florent Muslija zu schließen, obwohl er in der Hinrunde unser bester Spieler war.
Der Rückstand auf den Aufstiegs-Relegationsrang beträgt nur drei Punkte. Sprechen Sie in der Kabine schon über den Aufstieg?
Hansen: (lacht) Was in der Kabine besprochen wird, bleibt in der Kabine. Wir tun gut daran, nicht schon zu schauen, was in zehn Spieltagen passiert.
Mattes Hansen könnte seine Arena-Premiere feiern
Sind Sie mit dem SC Paderborn 07 auf Schalke Favorit?
Hansen: Kein Team der 2. Liga ist beim Auswärtsspiel auf Schalke der Favorit. Schalke hat individuell viel Qualität und immer 60.000 Fans im Rücken. Da zu bestehen, ist sehr schwer. Trotzdem freue ich mich extrem auf Samstag.
Es könnte Ihr erster Einsatz in der Arena sein.
Hansen: In der U19 habe ich genau darauf hingearbeitet. Ich würde jetzt zwar nicht für, sondern gegen Schalke spielen, aber die Kulisse in der Arena ist überwältigend. Die Fans, das Stadion – es wäre ein Karriere-Highlight für mich.
Gab es mit Blick auf Ihre Rückkehr schon Frotzeleien von ihren Ex-Kollegen Keke Topp oder Assan Ouédraogo?
Hansen: (lacht) Das kommt noch. Keke ist dafür prädestiniert. Von ihm wird mit Sicherheit der eine oder andere Spruch kommen.
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