Gelsenkirchen. Lino Tempelmann ist Schalke-Fan und spielt inzwischen bei den Profis. Im WAZ-Interview erzählt er von einem S04-Auswärtsspiel im Gästeblock.
Schon als Kind trug Lino Tempelmann am liebsten seine Schalke-Trikots – egal, ob in der Freizeit oder beim Sport. Auf seinen Trikots hatte der gebürtige Münchner die Nummer Zehn und seinen Namen auf dem Rücken. Über allem schwebte der große Traum, es einmal zu den Profis von Schalke 04 zu schaffen – und er wurde wahr. Mit seiner Unterschrift im Sommer 2023 hat sich der heute 24-Jährige diesen Wunsch erfüllt.
Vor dem Zweitliga-Heimspiel gegen die SV Elversberg an diesem Freitag (18.30 Uhr/Sky) erklärt der Mittelfeldspieler im WAZ-Interview, wie er in München Schalke-Fan wurde, was es ihm bedeutet, bei Königsblau zu spielen und auf welche S04-Legende sein Zweitname zurückzuführen ist.
Schalke-Zugang Lino Tempelmann: "Bordon mochte ich schon immer"
Herr Tempelmann, nach Ihrer Unterschrift auf Schalke haben Sie ein Bild von sich im Kindesalter im grauen S04-Trikot aus der Saison 2004/05 gepostet. Welcher Spieler kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie dieses Trikot sehen?
Lino Tempelmann: (überlegt) Marcelo Bordon und Rafinha. Bordon mochte ich schon immer. Seine langen Haare fand ich cool – und habe ja heute eine ähnliche Frisur wie er damals. (lacht) Er hatte die Nummer Fünf und auch ich habe in der Jugend teilweise mit der Fünf gespielt, daher passte es. Sportlich war er überragend, er war ein Aushängeschild des Clubs und hat die damals guten Zeiten von Schalke mitgeprägt.
Hatten Sie einen Rücken-Flock auf Ihrem grauen Schalke-Trikot?
Tempelmann: Gute Frage, da müsste ich mal bei meinen Eltern in München nachschauen.
Sie haben das Trikot aufbewahrt?
Tempelmann: Natürlich! Ich habe all meine Schalke-Trikots noch. Da ich im Kindesalter fast jedes Jahr das neue Schalke-Trikot geschenkt bekommen habe, sind es recht viele – da kommt man mit den Rücken-Flocks mal durcheinander. Einige der Trikots haben wir damals mit meinem Namen beflockt. Ich kann mich an Trikots mit der Sechs und der Zehn und „Lino“ erinnern.
Sie stammen aus München. Wie wird man dort Schalke-Fan?
Tempelmann: Ich habe Verwandtschaft in Recklinghausen und war als Kind häufiger zu Besuch im Ruhrgebiet. Mit sieben oder acht Jahren haben wurde ich während eines Familienbesuchs das erste Mal mit in die Arena genommen. Schalke hat damals gegen Energie Cottbus gespielt. Ich habe die Eindrücke aufgesaugt, habe es geliebt. Seit diesem Erlebnis habe ich mich mit Schalke verbunden gefühlt. Ich war mit dem Schalke-Virus infiziert. (grinst)
Erstes Schalke-Trikot schon zur Geburt bekommen
Gibt es weitere besondere Stadion-Erlebnisse als Fan?
Tempelmann: 2017, kurz vor meinem Abitur, war ich beim Auswärtsspiel von Schalke in Amsterdam. Es war das Viertelfinale der Europa-League. In der Vorbereitung aufs Abitur hat es mir ganz gutgetan, auch mal rauszukommen. Es war das erste Mal für mich im Gästeblock, die Atmosphäre und die Ultras hautnah zu erleben, war unglaublich. Trotz der 0:2-Niederlage werde ich es nie vergessen.
Können Sie sich an Ihr erstes Schalke-Trikot erinnern?
Tempelmann: Ich habe schon zur Geburt ein Trikot bekommen. (lacht) Ich heiße mit zweitem Namen Stanley, was tatsächlich auf Schalke-Legende Stan Libuda zurückzuführen ist. Daher gab es von der Verwandtschaft ein Schalke-Trikot mit der Nummer Sieben und Libuda-Flock. Das Trikot habe ich immer noch, es hängt eingerahmt in meiner Wohnung.
Inzwischen sind Sie selbst Profi auf Schalke und laufen mit der Nummer Zehn auf – ihr Kindheitstraum hat sich erfüllt.
Tempelmann: Ich habe meine Schalke-Trikots beim Sportunterricht in der Schule und auch in der Freizeit getragen. Jetzt selbst auf Schalke zu spielen, ist unglaublich. Ich war Fan, hatte meine Idole und jetzt bin ich selbst ein Teil des Vereins. Vor ein paar Jahren hätte ich das nicht für möglich gehalten.
Nach Ihrer guten Leistung beim 3:2-Sieg gegen Hannover 96 wurden Sie von einigen Fans mit Ex-Schalke-Abräumer Christian Poulsen verglichen.
Tempelmann: Das lag doch nur an meiner Frisur. (lacht)
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Und an Ihrer guten Leistung. Sie haben zur 2:1-Führung getroffen, im Mittelfeld viel gearbeitet, Sie sind vorangegangen.
Tempelmann: Als Poulsen auf Schalke gespielt hat, war ich noch sehr jung, ich kann mich kaum an ihn auf dem Platz erinnern. Aber es ist natürlich schön, mit großen Spielern vergleichen zu werden.
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Der Sieg gegen Hannover hat wieder viel Euphorie im Umfeld ausgelöst. Auch das ist typisch für diesen enorm emotionalen Verein.
Tempelmann: Damit muss man umgehen können. Wir sind schlecht gestartet und wurden zu Recht kritisiert. Aber mit einem Sieg, einem Erfolgserlebnis kann das Momentum ja auch schnell wieder umspringen – das erleben wir jetzt gerade. Ich hoffe, wir können unsere Serie ausbauen.
Christian Poulsen war ein beinharter Mittelfeld-Abräumer. Wie würden Sie Ihr Spiel beschreiben?
Tempelmann: Im Mittelfeld nehme ich eine zentrale Rolle auf dem Spielfeld ein – ich bin gefordert, in der Offensive für Akzente zu sorgen und in der Defensive die Zweikämpfe zu gewinnen. Dieser gute Mix zeichnet mich aus. Einen wichtigen Zweikampf zu gewinnen ist auf meiner Position genauso wichtig wie Tore zu schießen.
In der bisherigen Saison sind die der Schalke-Profi mit den meisten intensiven Läufen. Wurde Ihnen das Malocher-Gen in die Wiege gelegt?
Tempelmann: Auf Schalke wird erwartet, dass man malocht und auf dem Platz alles gibt – das ist das, was die Fans von uns verlangen. Natürlich wollen wir auch spielerisch überzeugen, doch das Malochen steht an erster Stelle. Diese Kombination aus harter Arbeit und spielerischen Akzenten versuche ich auf den Platz zu bringen, um den Fans etwas zurückzugeben. Das ist meine Art, Fußball zu spielen.
Schalke ist als Aufstiegsfavorit in die Saison gegangen, doch der Start in die 2. Liga ist misslungen. Kamen Sie sich nach Ihrem Wechsel anfangs vor wie im falschen Film?
Tempelmann: Ich bin mit dem Ziel hierhergekommen, um aufzusteigen – das ist kein Geheimnis, das wurde vom Verein klar kommuniziert. So extrem hinter den Erwartungen zu bleiben, war schon hart. Ich habe Schalke als Top-Club kennengelernt, der in der Champions League gespielt hat, jetzt sind wir in der 2. Bundesliga – wo der Verein nicht hingehört. Als Spieler will ich alles dafür tun, dass es wieder in eine positive Richtung geht.
Schalke: „Der Trend ist wieder positiv“
Nach zuletzt zwei Liga-Siegen in Serie geht der Blick langsam wieder nach oben.
Tempelmann: Es ist viel Druck von uns abgefallen. Rund um den Trainerwechsel gab es viel Unruhe. Wenn so früh in der Saison der Trainer gewechselt wird, steht die Mannschaft auch in der Kritik. Zwar wird der Trainer für die Leistungen verantwortlich gemacht, aber auch jeder Spieler trägt Verantwortung. Wenn ein Trainer entlassen wird, hat man auch als Mannschaft das Gefühl, gescheitert zu sein. Ein Trainer ist nie allein schuld. Selbstreflexion ist in solchen Situationen sehr wichtig. Mit einer neuen Idee sind wir gemeinschaftlich da unten rausgenommen. Der Trend ist wieder positiv.
Waren die zwei Siege gegen Hannover und Nürnberg schon das Ende der Krise?
Tempelmann: Dafür ist es noch zu früh. Wenn wir das Spiel gegen Elversberg gewinnen, können wir aber mit einem guten Gefühl in die Länderspielpause gehen.
Lino Tempelmann: Lob für Schalke-Trainer Karel Geraerts
Welche Knöpfe hat der neue Trainer Karel Geraerts gedrückt, um die Mannschaft wieder in die Spur zu bringen?
Tempelmann: Der Trainer tritt klar auf und kommuniziert viel. Dass er nur Englisch spricht, ist für uns gar kein Problem. Er hat seine eigene Spielidee und hat schon in Belgien bewiesen, dass er damit erfolgreich sein kann. Man darf jedoch nicht vergessen, dass der Trainer auf Schalke einen Kaltstart hatte. Dass über Nacht nicht sofort alles besser wird, ist normal. Trotzdem entwickelt er uns Woche für Woche weiter.
Hat die Mannschaft unter Geraerts mehr Freiheiten?
Tempelmann: Er gibt uns seinen Plan mit, aber in diesem Plan hat jeder Spieler Freiheiten, um sich auf dem Platz auszuleben. Wir dürfen unseren Instinkten vertrauen. Er möchte Spieler, die Verantwortung übernehmen, die den Ball haben wollen und wir haben die Qualität, um guten Fußball zu spielen.
Mit welcher Zielsetzung gehen Sie die Spiele bis zur Winterpause an?
Tempelmann: Um nach oben zu schielen, ist es noch zu früh. Klar ist aber, dass wir uns bis zum Winter in eine bestmögliche Position bringen wollen. Dafür müssen wir Punkte holen.
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An diesem Freitag steht das Heimspiel gegen die SV Elversberg an. Was stimmt Sie optimistisch, dass Sie gegen den Aufsteiger nicht ausrutschen?
Tempelmann: Die Fans erwarten von uns einen Sieg – ganz egal, ob Elversberg in der Tabelle vor uns liegt. Auch wir als Mannschaft haben diese Erwartungshaltung nach dem Aufwärtstrend der vergangenen Wochen. Trotzdem wird niemand die SV Elversberg unterschätzen. Es ist zwar ein Liga-Neuling, doch die Mannschaft hat bereits bewiesen, dass sie Qualität hat.
Verspüren Sie vor dem Spiel jetzt eher positive Anspannung als negativen Druck?
Tempelmann: Der Druck ist jetzt ein anderer, stimmt. Ich habe das Gefühl, die Mannschaft will jetzt beweisen, dass sie es besser kann als zu Saisonbeginn. Unsere Situation ist noch lange nicht komfortabel, aber wir haben nicht mehr das Gefühl, mit dem Rücken zur Wand zu stehen.