Gelsenkirchen. . Markus Kauczinski spricht im Interview über seine Anfänge in Gelsenkirchen, seine Schalke-Zeit und das Zweitligaduell zwischen S04 und Wiesbaden.
„Die Geburtsstadt bleibt immer etwas Besonderes“, sagt der Gelsenkirchener Markus Kauczinski. Der 53 Jahre alte Trainer von Fußball-Zweitligist SV Wehen Wiesbaden lebt zwar längst nicht mehr im Ruhrgebiet, doch fühlt sich der Heimat und auch dem FC Schalke 04 noch immer verbunden. Dem Spiel an diesem Samstag (13 Uhr/Sky) fiebert Kauczinski deshalb schon jetzt entgegen: Erstmals in seiner Laufbahn trifft er als Profitrainer auf Schalke.
Im WAZ-Interview spricht Kauczinski über seine Anfänge in Gelsenkirchen-Ückendorf, Spiele als Fan im Parkstadion und abgelehnte Angebote von Schalke 04 in seiner Jugend.
Herr Kauczinski, können Sie sich noch an Ihr allererstes Spiel als Trainer erinnern?
Markus Kauczinski: (überlegt lange) Ich müsste ungefähr 20 Jahre alt gewesen sein. Es war bei Arminia Ückendorf, aber an das genaue Spiel kann ich mich nicht erinnern.
Wie kam es dazu, dass Sie schon in diesem jungen Alter erste Trainererfahrungen gesammelt haben?
Kauczinski: Weil ich mit Anfang 20 bei der Bundeswehr in Osnabrück stationiert war, hatte ich unter der Woche keine Zeit zu trainieren und habe nur am Wochenende zusammen mit meinem Bruder in Ückendorf gekickt. Irgendwann kam dann der Jugendleiter des Klubs auf mich zu und hat gefragt, ob ich nicht Lust hätte, selbst eine Mannschaft zu trainieren. Schon damals hatte ich das Ziel, Sport zu studieren und dachte, ein bisschen Trainererfahrung passt zu dem, was ich später mal machen will. Also habe ich zusammen mit einem Kumpel angefangen, die A-Jugend zu trainieren.
Was hatte der damals 20-jährige Jugendtrainer mit dem heutigen Profitrainer Markus Kauczinski gemeinsam?
Kauczinski: Meine Grundeinstellung ist gleichgeblieben: Ich stehe noch immer gern auf dem Platz und Fußball ist meine große Leidenschaft. Es bereitet mir auch nach all den Jahren große Freude, jungen Menschen etwas beizubringen. Klar ist aber auch: Ich habe mich in über 30 Jahren verändert und weiterentwickelt – genau wie der Fußball. Viele Methoden, von denen ich noch vor einigen Jahren komplett überzeugt war, sind jetzt nicht mehr zeitgemäß.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie ein guter Trainer sind?
Kauczinski: Schon früh habe ich gemerkt, dass ich etwas verändern kann und meine Spieler erreiche. Das hat mir meine Anfangszeit bei Arminia Ückendorf gezeigt. Als ich dort übernommen habe, waren in der Regel zehn Jungs beim Training, nach ein paar Wochen waren es dann schon 20. Sie haben gemerkt, dass da ein Trainer war, der sich Mühe gab und sie entwickeln wollte – das wurde geschätzt und hat sich rumgesprochen.
1997 sind Sie als Trainer im Jugendbereich von Schalke 04 gelandet.
Kauczinski: Aber auf Schalke fehlte mir nach vier Jahren die Perspektive. 2001 war ich mit dem Studium fertig und wollte meine Familie ernähren können, brauchte also eine hauptamtliche Stelle. Auf Schalke war für mich aber nicht mehr drin als ein Nebenjob. Für ambitionierte Trainerjobs hätte ich Ex-Profi sein müssen – das war damals die Vorgabe. Eine gute Perspektive wurde mir beim Karlsruher SC geboten, wo ich die A-Jugend und später die Amateure trainieren durfte. Schritt für Schritt kam ich näher an die Profis ran, war zwischenzeitlich auch mal Interimstrainer. Da habe ich gemerkt: Profifußball kann ich auch.
Als aktiver Fußballer haben Sie die komplette Jugend bei Fortuna Gelsenkirchen gespielt – obwohl Schalke 04 mehrfach bei Ihnen angefragt hat. Nicht viele Gelsenkirchener Jugendfußballer lehnen freiwillig Angebote von Schalke ab.
Kauczinski: (lacht) Ich frage mich bis heute, warum ich nicht zu Schalke gegangen bin. All meine Freunde haben damals gesagt: „Bist du bescheuert? Das musst du machen!“ Aber ich habe die Nestwärme gebraucht, wollte weiter mit meinen Freunden bei Fortuna kicken. Ich weiß rückblickend wirklich nicht, was mich da geritten hat.
Sie waren sogar Schalke-Fan.
Kauczinski: Natürlich bin ich Schalke-Fan, das geht gar nicht anders, wenn man in Gelsenkirchen geboren ist. Ich habe viele Spiele im Parkstadion gesehen – mit meinen Freunden, mit meinem Bruder, mit meinem Vater. Oft sind wir damals zum Stadion gelaufen, statt mit der Straßenbahn zu fahren, einfach weil wir Lust darauf hatten, zwischen all den Fans zu sein und die Atmosphäre aufzusaugen.
Was bedeutet Ihnen Gelsenkirchen heute noch?
Kauczinski: Meine Wahlheimat ist inzwischen Karlsruhe, weil mein Sohn dort groß geworden ist. Aber in Gelsenkirchen ist meine Heimat, ich bin in Ückendorf geboren und groß geworden. Bis heute wohnen mein Bruder und meine Schwiegermutter in Gelsenkirchen, die ich regelmäßig besuche. Ich komme immer gern nach Gelsenkirchen zurück. Die Geburtsstadt bleibt immer etwas Besonderes.
Am Samstag treffen Sie zum ersten Mal als Profitrainer auf Schalke 04.
Kauczinski: Nur mit der Jugend des KSC haben wir im DFB-Pokal mal gegen die Schalker U19 gespielt. Schon damals war Norbert Elgert Trainer. Wir haben 0:2 verloren – durch zwei Tore von Mesut Özil.
Wie besonders ist dieses Spiel für Sie als Gelsenkirchener?
Kauczinski: Wie sehr es wirklich kribbelt, merke ich erst am Samstag, wenn ich ins Stadion einlaufe. Noch bin ich auf die Spielvorbereitung fokussiert. Außergewöhnlich ist aber schon jetzt, wie viele Tickets ich im Vorfeld besorgen musste. 30 Freunde und Verwandte kommen aus Gelsenkirchen nach Wiesbaden. Es wird auf jeden Fall besonders, ich freue mich schon jetzt.
Viele Schalke-Fans haben sich bislang nur am Rande mit dem SV Wehen Wiesbaden beschäftigt. Wie würden Sie Ihren aktuellen Klub in drei Worten beschreiben?
Kauczinski: Professionell, familiär und ambitioniert.
Wie schaffen Sie es, mit einem solch kleinen Klub erfolgreich zu sein und in der 2. Liga zu bestehen?
Kauczinski: Wir machen einfach gute Arbeit, haben einen Plan und eine gute Struktur. Unsere sportliche Leitung arbeitet hochseriös und macht keine verrückten Dinge. Es wird nicht mehr Geld ausgegeben als wir haben. Der Verein ist jung, aufstrebend, hat aber nicht so eine lange Tradition und Fan-Kultur wie andere. So langsam merkt man aber, dass in Wiesbaden etwas entsteht. Auch Kinder tragen immer häufiger unser Trikot, in der Stadt werde ich vermehrt angesprochen. Die Erfolge der vergangenen Jahre haben etwas bewirkt.
Was ist die größte Stärke Ihrer Mannschaft?
Kauczinski: Unser Selbstbewusstsein. Wir wissen, was wir können – und auch, was wir nicht können. Schon im Vorjahr haben wir gemerkt, dass wir nicht immer die bessere Mannschaft sein müssen, um ein Spiel zu gewinnen. Es reicht auch manchmal ruhig zu bleiben und im Kollektiv gut zu verteidigen. Auch wenn es mal länger 0:0 steht, werden wir nicht nervös. Bei uns kämpft jeder für den Mitspieler. Allmählich versuchen wir auch, immer besser Fußball zu spielen.
Hertha BSC konnten Sie am 2. Spieltag schon besiegen. Wie wollen Sie Schalke 04 ärgern?
Kauczinski: Wir sind in jedem Spiel Außenseiter. Egal, ob wir gegen Hertha, Schalke, Nürnberg oder den KSC spielen. Schalke hat sogar noch einmal eine andere Strahlkraft. Aber wie groß und erfolgreich Schalke in der Vergangenheit war, interessiert in einem Zweitligaspiel nicht mehr, da zählt nur die Gegenwart – da sind wir mit Wehen Wiesbaden unbequem. Wir sind schwer zu bespielen, gehen immer an unsere Grenzen und haben in der Offensive ein paar Jungs, die Spiele entscheiden können.
Schalke ist schlecht in die Saison gestartet. Inwiefern spielt Ihnen die Unruhe in Gelsenkirchen in die Karten?
Kauczinski: Schalke wird hart darum kämpfen, das Spiel zu gewinnen. Sie haben gute Leute und sind der klare Favorit. Ein bisschen Unruhe kann auch Kräfte freisetzen.
Die Kritik an Thomas Reis wird auf Schalke lauter. Was bekommen Sie davon in Wiesbaden mit?
Kauczinski: So etwas bekomme ich automatisch mit. Ich habe anderes zu tun, als jeden Artikel über Schalke 04 zu lesen, aber ich informiere ich mich natürlich über alle Teams in der 2. Bundesliga. Über Markus Gellhaus, der beim FC St. Pauli mein Co-Trainer war, bin ich freundschaftlich zum Schalker Trainerteam verbunden. Deshalb drücke ich ihnen die Daumen und wünsche Schalke nur das Beste – außer am Samstag.
Sie haben mal gesagt, Sie könnten sich gut vorstellen, irgendwann ein kleines Café am Rand der Welt zu eröffnen und die Sonne untergehen zu sehen. Ist dieser Plan noch immer in Ihrem Kopf?
Kauczinski: Das Leben als Fußballtrainer ist stressig und mir ist bewusst, dass es andere wichtige Dinge gibt, die in diesem Beruf zu kurz kommen. Aktuell liebe ich meinen Job, genieße die Zeit bei Wehen Wiesbaden und könnte mir nichts Besseres vorstellen, als eine Fußballmannschaft zu trainieren. Aber gab auch schon schwierige Phasen in meinem Leben. Als bei meinen Teams der Erfolg ausblieb, ich in der Schusslinie und unter Dauerstress stand, hat das an mir gekratzt und die Sehnsucht nach anderen Orten war größer. Generell bin ich offen für ein Leben nach dem Fußball – irgendwann wird das auf mich zukommen.
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