Gelsenkirchen. Schalke 04 sorgt sich: Nur einen externen Bewerber gab es 2023 für die anstehende Aufsichtsratswahl. Woran liegt das? Gibt es Lösungen?

Im Moment geht es bei Schalke 04 eigentlich nur um den Bundesliga-Abstiegskampf, das irre 3:2 in Mainz, die Kaltschnäuzigkeit von Stürmer Marius Bülter, die Chancen im nächsten Spiel beim FC Bayern (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) oder – wie am Dienstag – für 200 Fans um Autogramme nach dem Training. Eine kleine Nachricht, die der Verein am Montagnachmittag verschickt hatte, ging etwas unter. Am 17. Juni, wenn die gerade auf Schalke so wichtige Mitgliederversammlung ansteht, gibt es für zwei zu vergebene Aufsichtsratsplätze nur zwei Kandidaten – Axel Hefer und Holger Brauner, die aktuell bereits Mitglieder des Gremiums sind. Wie passt das zu diesem großen, stolzen Klub?

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Es gibt viele, die sich darüber Gedanken machen. Optimal ist das nicht, sagen alle bei S04. Doch wie kann es mehr Bewerber geben? Auf dem Weg zu einer Antwort gibt es verschiedene Meinungen.

Schalke: Wahlausschuss gibt es seit 1994

In den Aufsichtsrat gewählt zu werden, ist auf Schalke nicht unkompliziert. Es gibt seit 1994 einen Wahlausschuss, der die Bewerber für den Aufsichtsrat anhört und zulässt – oder eben nicht. Begründen muss das Gremium die Entscheidungen nicht. Aktuell ist Stefan Schorlemmer der Vorsitzende. Der 57-Jährige sagt: „Ich kann gut verstehen, dass man den Wahlausschuss von außen betrachtet nicht für die ideale Lösung hält. Aus meinen Erfahrungen heraus und mit dem Wissen, was ich aus den vergangenen Jahren habe, halte ich ihn jedoch für die beste aller mir bekannten Lösungen.“ Der Wahlausschuss stelle über jeden Bewerber eine Hintergrundrecherche an. „Sensible Themen, die nicht zwingend in die Öffentlichkeit gehören“, sagt Schorlemmer.

Zu einem ausführlichen Interview mit Stefan Schorlemmer kommen Sie hier mit einem Klick.

Zwei, die das Gremium Wahlausschuss aber deutlich kritischer sehen, sind Uli Paetzel und Frank Haberzettel. Vor zwei Jahren waren sie die Sprecher der Gruppe „Tradition und Zukunft“, die Ralf Rangnick als Schalke-Trainer installieren wollte. Sie und weitere Mitglieder der Gruppe bewarben sich für die Wahl 2021 – und wurden abgewiesen.

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„Unser Herz“, schreiben beide in einem Statement dieser Zeitung, „schlägt weiterhin für S04. Mit unserer Kandidatur vor zwei Jahren wollten wir unsere Kompetenzen und unser Netzwerk dem Verein zur Verfügung stellen.“ Sie stellen in ihrem Statement die Existenz des Wahlausschusses infrage: „Ein Verein mit über 160.000 Mitgliedern, der auf demokratische Beteiligung Wert legt, sollte bei der Wahl zum wichtigsten Gremium des eingetragenen Vereins Transparenz und Demokratie in der Vordergrund stellen, heißt die Mitgliederversammlung (persönlich UND digital) sollte über die Zulassung zur Aufsichtsrats-Wahl einzeln abstimmen und danach aus dem Kreis der zugelassenen Kandidat:innen wählen. Daher plädieren wir für mehr Demokratie und Stärkung der Rechte der Mitgliederversammlung.“

Zu einem ausführlichen Bericht über das Statement von Uli Paetzel und Frank Haberzettel kommen Sie hier mit einem Klick.

Kein Wahlausschuss mehr? „Die Forderung zur Abschaffung des Wahlausschusses ist legitim. Wenn das ein Mitglied so sieht, bedarf es dazu eines Antrages, der sauber formuliert ist, und eines entsprechenden Votums der Mitgliederversammlung“, sagt Schorlemmer. Es sei aktuell so einfach möglich wie selten, einen Antrag zur Abstimmung zu bekommen. Für die Mitgliederversammlung 2023 geht das nicht mehr – die Frist ist abgelaufen. Aus der Gruppe „Tradition und Zukunft“ hatte sich in diesem Jahr niemand beworben, wie diese Zeitung weiß. Das habe aber nicht an Absagen in informellen Vorgesprächen mit dem aktuellen Wahlausschuss gelegen, sagt Schorlemmer: „Es gab keine Kontaktaufnahme.“

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Was er sich wünscht: Bewerber: „Die große Herausforderung ist, dass wir gucken müssen, wie wir den Mitgliedern besser vermitteln können, welche Möglichkeiten es gibt und wie spannend es ist, den Verein aktiv mitzugestalten.“

Schalkes aktive Fanszene dominiert im Aufsichtsrat und Wahlausschuss

Eine neutrale, aber stets interessierte Sicht auf Schalkes Vereinspolitik hat Raphael Brinkert, Inhaber einer bekannten Werbeagentur in Hamburg. "Als eingetragener Verein lebt der FC Schalke 04 von der aktiven Teilnahme und Einbindung der Mitglieder in den Vereinsgremien", sagte Brinkert dieser Zeitung. Seine Erklärung für die Anzahl der Bewerber lautet: "So schade ich es aus demokratischen Gründen finde, dass sich nur drei Kandidaten für die zwei Aufsichtsratsposten in diesem Jahr beworben haben, so nachvollziehbar ist es in diesem Fall: Mit Axel Hefer und Holger Brauner stellen sich zwei im Amt tätigte Aufsichtsräte der Wahl, die bei der aktiven Fanszene sehr beliebt sind. Das könnte das ein oder andere Mitglied davon abgehalten haben, ausgerechnet in diesem Jahr anzutreten." Interessant ist daran: Im Aufsichtsrat und Wahlausschuss dominiert aktuell die aktive Fanszene, die sich zum Beispiel stets vehement gegen eine Ausgliederung der Profiabteilung gewehrt hat.

Die Instituation Wahlausschuss respektiert Brinkert: "Der Wahlausschuss hat eine der schwersten Aufgabe auf Schalke. Ich bin mir sicher, dass er im besten Wissen und Gewissen für Schalke handelt. Gleichzeitig hat er eine Nadelöhr-Funktion, da er bestimmt, wer zur Wahl antreten darf. Das dies bei einem Negativbescheid auch auf Kritik stoßen kann, liegt in der Natur der Sache."

Ob Paetzel, Haberzettel, Brinkert, den aktuellen Wahlausschuss, Fans, Mitglieder: Alle vereint die Hoffnung auf den Klassenerhalt. Und damit auf das Spiel am Samstag beim FC Bayern München.

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