Gelsenkirchen. Stefan Schorlemmer ist Vorsitzender des Wahlausschusses des FC Schalke 04. Ein Interview über Gremien, Vorwürfe und die Anzahl der Bewerber.

Stefan Schorlemmer (57) ist der Vorsitzende des Wahlausschusses des FC Schalke 04 - oft äußert er sich in der Öffentlichkeit nicht. Im Interview mit dieser Zeitung nimmt er Stellung zu den Äußerungen und Vorschlägen von Uli Paetzel und Frank Haberzettel und der Tatsache, dass es 2023 nicht viele Bewerber gab.

Was sagen Sie zu dem über Twitter geäußerten Vorwurf von Frank Haberzettel, der Wahlausschuss sei „ein Instrument der Vereinsführung“?

Stefan Schorlemmer: Ich bin seit einigen Jahren Mitglied des Wahlausschusses – und in der Zeit wurde uns schon so einiges vorgeworfen. Dass wir ein Instrument der Vereinsführung wären, war allerdings noch nie darunter. Wenn ich einen früheren Aufsichtsrats-Vorsitzenden zitieren darf: ,Dass da nicht unbedingt meine Freunde sitzen, ist bekannt.‘ (schmunzelt) Der Wahlausschuss ist weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat verpflichtet, sondern ausschließlich der Mitgliederversammlung. Wir sind in unserer Zusammensetzung ein exaktes Abbild der Mehrheitsverhältnisse auf der jeweiligen Mitgliederversammlung. Wir haben unsere Arbeit stets mit großer Verantwortung für den Verein erledigt und dabei auch unpopuläre Entscheidungen nicht gescheut.

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Was sagen Sie zur Forderung, der Wahlausschuss müsste abgeschafft werden?

Schorlemmer: Die Forderung nach einer Abschaffung des Wahlausschusses ist legitim. Wenn das ein Mitglied so sieht, bedarf es dazu eines Antrages, der ordentlich formuliert ist und eines entsprechenden Votums der Mitgliederversammlung. Wenn man die Struktur des Vereins in letzter Zeit beobachtet hat, kann man feststellen, dass es so einfach wie selten möglich ist, einen Antrag zur Abstimmung auf der Mitgliederversammlung einzureichen und dass Anträge auch nicht mehr grundlos abgelehnt werden. Der Wahlausschuss ist seinerzeit nicht ohne Grund eingeführt worden. Die Idee dahinter ist es, den Mitgliedern Kandidaten zur Wahl zu stellen, die hinreichende Qualifikationen für den Aufsichtsrat mitbringen – und nicht bloß die beste Rede halten. Es gab in der Vergangenheit mehrfach Vorschläge, den Wahlausschuss zu verändern, die Mitgliederversammlung hat sich in all diesen Fällen mit großem Votum dagegen entschieden. Ich kann gut verstehen, dass man den Wahlausschuss von außen betrachtet nicht für die ideale Lösung hält. Aus meinen Erfahrungen heraus und mit dem Wissen, was ich aus den vergangenen Jahren habe, halte ich ihn jedoch für die beste aller mir bekannten Lösungen.

Können Sie das genauer erklären?

Schorlemmer: Wir tauschen uns innerhalb des Gremiums zu sensiblen Themen aus, die nicht zwingend in die Öffentlichkeit und auf die Mitgliederversammlung gehören. Wir führen eine ausführliche Hintergrundrecherche durch. Zum Beispiel: Gibt es Leitbild-Verstöße? Gibt es Abhängigkeiten? Droht eine Firmeninsolvenz bei einem Unternehmer, der sich beworben hat? Laufen Ehrenratsverfahren? Das sind Themen, die wir sonst auf der Mitgliederversammlung diskutieren müssten - das halte ich nicht für zielführend. Wir haben als Wahlausschuss auch die wichtige Aufgabe, nicht zugelassene oder nicht gewählte Bewerber vor der Öffentlichkeit zu schützen, wird ein Mitglied durch seine Kandidatur im schlimmsten Falle öffentlich „beschädigt“, wäre das ein fatales Signal für die Bewerbungen zukünftiger Jahre. Ein weiteres Argument ist: Stellen Sie sich vor, es gibt drei exzellente Redner, die alle authentisch sind, aber leider auch alle Mediziner. Was wir aber brauchen, wäre ein Jurist im Aufsichtsrat. Hier eine Auswahl zu treffen, auch das ist eine Aufgabe des Wahlausschusses. Wir hatten schon Bewerber, die uns voll überzeugt haben, die wir deswegen nicht aufstellen konnten. In einem Fall haben wir eine Person dann motiviert, später erneut anzutreten. Dann wurde sie gewählt.

Braucht die Mitgliederversammlung „mehr Demokratie“, wie es im Statement heißt?

Schorlemmer: Die Forderung erscheint mir doch arg vereinfacht formuliert. Nach meiner Erfahrung ist bei Schalke 04 so viel Demokratie und so vielfältige Mitgestaltung möglich, wie in keinem anderen vergleichbaren Verein. Man braucht dazu aber Durchhaltevermögen und kann nicht mit Schwung gleich am obersten Türchen klingeln und an allen Hebeln sitzen – und das ist gut so. Schalke ist immer Marathon und niemals Sprint. Der Wahlausschuss ist vollständig durch die Mitgliederversammlung gewählt und bildet bei jeder Wahl das Meinungsbild der Mitgliederversammlung ab. Wir haben dadurch natürlich einen Vertrauensvorschuss. Wenn wir diesen aber missbrauchen und die Mitglieder mit uns nicht zufrieden sind, ist kein Gremium schneller ausgetauscht als der Wahlausschuss. Eine klarere, direktere Form der Einflussnahme durch die Mitglieder gibt es kaum. Ich sehe das als ein starkes Zeichen für Demokratie. Seitdem ich dabei bin, kann ich auch sagen, dass wir unter allen Vorständen und Aufsichtsräten als Mitglieder des Wahlausschusses zu keiner Zeit beeinflusst und somit auch nicht instrumentalisiert wurden.

Wie bewerten Sie allgemein, dass es in diesem Jahr nur drei Bewerber gab?

Schorlemmer: Das ist mir persönlich der wichtigste Punkt dieses Gesprächs – wir finden das selbstverständlich nicht gut, sondern hätten uns als Wahlausschuss mehr starke Bewerbungen gewünscht. Wir hatten auch erwartet, dass mehr kommen. Nun stellt sich die Frage, warum es nur drei Bewerbungen sind. Ich finde es zu einfach zu sagen: Alle sind zufrieden, finden es prima so, wie es ist und möchten daher gar nicht antreten. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass der eine oder andere auch gemerkt hat, dass das richtig Arbeit ist, Gremienarbeit auf Schalke. Das ist nicht viermal im Jahr Schnittchen. Wer sich ernsthaft mit einer Kandidatur beschäftigt – viele sprechen vorab mit uns –, der weiß, dass man mittlerweile jede Woche dabei ist. Wir dürfen nicht vergessen, das sind alles Ehrenämter. Für 2023 gilt die Situation im Übrigen auch nicht nur für den Aufsichtsrat. Für alle Vereinsämter ist nur eine überschaubare Anzahl an Bewerbungen eingegangen. Ich habe auch Kontakt zu Kolleg:innen in anderen Vereinen, dort sieht es ähnlich aus. Für die Zukunft wünschen wir uns wieder mehr Bewerbungen. Unsere Herausforderung als Verein insgesamt ist es, den Mitgliedern noch besser zu vermitteln, welche Möglichkeiten es gibt und wie spannend es sein kann, den Verein aktiv mitzugestalten. Der Einstieg dazu ist für jedes Mitglied die Mitgliederversammlung - nächste Chance 17. Juni.

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