Dortmund. Zweimal stand der BVB im Champions-League-Finale. Ein Sieg, eine Niederlage. Martin Kree und Ilkay Gündogan erinnern sich.
Er sei am „Boden zerstört“ gewesen, berichtet Ilkay Gündogan, 33 Jahre alt, Kapitän der deutschen Nationalelf, dieser Redaktion. Vor elf Jahren griff er mit Borussia Dortmund nach Europas Krone, bis Arjen Robben den Ball in die rechte Ecke trudeln ließ. „Ich habe damals länger gebraucht, um die Niederlage und diesen Abend gegen die Bayern zu verdauen. Das hat einem schon die eine oder andere schlaflose Nacht bereitet.“
Zwei Endspiele, zwei Empfindungen: Trauer, Ekstase. Martin Kree, 59, ehemaliger Verteidiger, erzählt, wie er als Abwehrspieler ab der 85. Minute das Finale 1997 habe genießen können. „Ich wusste, wir schaffen das jetzt. Das kann ja gar nicht sein, habe ich gedacht.“
All diese Erinnerung werden nun wieder geweckt, weil der BVB am Samstag (21 Uhr/DAZN und ZDF) im Finale gegen Real Madrid erneut die Arme nach der Champions-League-Trophäe ausstreckt. Zweimal schon stand der Klub im Königsklassen-Endspiel. 1997 wurde Juventus Turin 3:1 im Münchener Olympiastadion besiegt, 2013 gegen den FC Bayern 1:2 im Londoner Wembleystadion verloren.
Lässt sich aus der Vergangenheit etwas lernen?
Ilkay Gündogan über das BVB-Finale: „Wir waren nah dran“
Zumindest, dass das Endergebnis darüber bestimmt, welchen Status ein Finale in der Vereinsgeschichte genießt. Unter der Südtribüne etwa erinnert ein Graffiti an die 1997er-Mannschaft, sie alle sind Legenden. Vom 2013er-Finale blieb hingegen vor allem Enttäuschung hängen.
Obwohl Dortmund in diesem Spiel an dem Sieg kratzte, stark startete, dann etwas Glück und einen herausragenden Torhüter Roman Weidenfeller benötigte. Erst traf Mario Mandzukic (60.), dann wurde Marco Reus von Dante umgetreten. Elfmeter. Ilkay Gündogan behielt die Nerven (68.). Auf Bildern ist zu sehen, wie Gündogan, noch pausbäckig, zu den Fans rennt. Der Traum vom Sieg, er wirkte in diesem Moment möglich. Bis Franck Ribéry einen Pass mit der Hacke in den Dortmunder Sechzehnmeterraum drückte, Mats Hummels grätschte, Neven Subotic fiel auf die Knie, Arjen Robben tätschelte den Ball vorbei an Weidenfeller.
„Nach dem Double aus der Vorsaison wäre der Gewinn der Champions League für uns das i-Tüpfelchen gewesen. Wir waren top in Form und nah dran, die Bayern zu schlagen - erst recht nach meinem Ausgleich zum 1:1. Leider hatte Arjen Robben mit seinem Last-Minute-Tor etwas dagegen“, sagt Gündogan.
BVB: Marcel Reif brüllt, Lars Ricken lupft, alles legendär
Anders 1997, „damals spielte uns der Verlauf des Spiels komplett in die Karten“, erinnert sich Kree. Karl-Heinz Riedle erzielte das 1:0, köpfte das 2:0. Da habe die Mannschaft von Juventus Turin, eigentlich eine Wunderelf mit Zinédine Zidane und Alessandro Del Piero, „Panik in den Augen“ gehabt. Del Piero schlawinerte sich mit der Hacke zum Anschlusstreffer. Und dann, ja dann wurde Lars Ricken eingewechselt; Moderator Marcel Reif brüllte. Ein Lupfer, ein Tor. Alles legendär.
„Lars, so haben wir in der Mannschaft damals geflachst, hätte in der Zeit auch in Richtung Eckfahne schießen können, er hätte irgendeinen gegnerischen Spieler getroffen, der den Ball Richtung Tor abgefälscht hätte“, sagt Kree. Er selbst verteidigte 1997 neben Jürgen Kohler, der Druck sei immens gewesen. „Ich war mit Kalle Riedle auf dem Zimmer, laut ihm hat er damals zu mir gesagt: ,Ich mache zwei Tore.‘ So geht er in so ein Spiel. Ein Abwehrspieler denkt: ,Wenn ich heute einen Fehler mache und wir verlieren dadurch, dann bekomme ich das ein Leben lang nicht mehr weg.“
Es sollte anders kommen. Kree blieb fehlerfrei, Dortmund siegte. Die Kabine im Münchener Olympiastadion habe die Mannschaft auseinandergenommen, so der ehemalige Abwehrspieler. Die anschließende Party sei jedoch eher mau verlaufen, niemand hatte im Vorfeld etwas geplant. Als aber das Flugzeug am nächsten Tag in der Heimat gelandet sei, „war gefühlt schon am Flughafen die erste halbe Million an Menschen.“
BVB-Legende Martin Kree: „Champions-League-Sieger bleibt man“
Ilkay Gündogan glaubt, dass er an der Niederlage gewachsen sei, „und ich konnte auch für meine eigene Karriere viel daraus lernen“. 2023 durfte der Mittelfeldspieler als Kapitän von Manchester City den begehrten Henkelpott entgegennehmen, mittlerweile steht er beim FC Barcelona unter Vertrag. Dortmund sei nun „tendenziell in der Außenseiterrolle, aber in einem Finale in nur 90 Minuten ist auch schnell mal eine Überraschung möglich“.
Der BVB müsse an seine Stärke glauben, meint Kree. „Natürlich braucht es auch einen guten Plan, unser Trainer Ottmar Hitzfeld war ein brillanter Stratege. Edin Terzic kann in diesem Spiel auch der Öffentlichkeit zeigen, was er kann.“ Und sollte die Sensation gelingen, dann „weiß man in diesem Moment, wofür man es macht. Champions-League-Sieger bleibt man.“