Dortmund. Marco Reus erlebt sein letztes Heimspiel als Profi von Borussia Dortmund. Die Emotionen sind groß, der BVB-Vereinsheld ist gerührt.
Es war schon knapp zwei Stunden nach Abpfiff, und Marco Reus wirkte nach einem höchstemotionalen Nachmittag wieder gefasst. Im Kapuzenpulli stand Borussia Dortmunds Mittelfeldspieler unter der Osttribüne und sendete einen letzten Gruß an die BVB-Fans, die ihn zuvor stundenlang gewürdigt hatten. Denn auf der Südtribüne, da floss noch immer das Bier aus den Zapfhähnen – alles auf Reus‘ Rechnung. „Die Aktion war schon vorher geplant“, sagte Reus. „Ich hoffe, die Jungs haben es genossen.“
So wie er selbst diese 90 Minuten beim sportlich bedeutungslosen 4:0 (2:0)-Erfolg über den SV Darmstadt, bei dem Ian Maatsen (30.), Reus (38.), Julian Brandt (72.) und Donyell Malen (88.) die Tore erzielten. „Ich wusste nicht, wie es wird“, sagte er. „Ich habe versucht, alles zu genießen, die letzte Busfahrt, das Aufwärmen. Ich habe das auch den Jungs gesagt. In die Kabine zu kommen, das sind die Momente, für die man Fußballer wird. Man ist oft von der Familie weg, das ist deine zweite Familie. Unfassbar! Schön!“ Es war ja sein letzter Auftritt im Dortmunder Stadion, sein letztes Heimspiel. Nach dem Abpfiff kletterte Reus auf die Südtribüne und sang mit denen, die ihm viele Jahre zugejubelt haben.
BVB: Choreo für Marco Reus
Zuvor, um 15.15 Uhr wurde es am Samstagnachmittag im Dortmunder Stadion bereits gefühlvoll. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke flüsterte Marco Reus ein paar Worte ins Ohr, dann bekam Borussia Dortmunds Klubidol einen Blumenstrauß. Auch seine Tochter durfte dabei sein. Anschließend stand die Mannschaft Spalier, gaben ihrem einstigen Kapitän ein paar liebevolle Klatscher mit. „Marco Reus“, schallte es dann von den heiligen Betonstufen. Viele Plakate würdigten den Profi. Ein Beispiel: „Identifikation und Loyalität sind das, wofür dein Name steht. Danke, Marco!“. Als Reus zum Warmmachen aus dem Spielertunnel lief, ließen ihm bereits seine Mitspieler den symbolischen Vortritt. Den Rasen hatte der 34-Jährige noch mal für sich allein. Der Höhepunkt der Reus-Party: Eine riesige Choreo auf der Südtribüne. Die Fans hielten Tafeln hoch und formten so ein Trikot mit der Nummer 11. Darunter der Spruch des Tages: „Danke, Marco“.
Bei Reus‘ Auswechselung in der 82. Minute erhob sich das Publikum. Eine Trennung, die allen wehtat, für die es aber sportliche Gründe gibt. „Es ist manchmal so, dass es irgendwann solche Situationen gibt. Es war wunderschön, man sollte einfach an die schönen Zeiten denken“, meinte Reus. „Ich bin unfassbar dankbar, in diesem Stadion mit den Fans gespielt zu haben. Das gibt es nirgendwo anders.“ Und: „Ich denke, dass ich noch gut bin. Deswegen spiele ich weiter.“
BVB: Jetzt kann Marco Reus noch den Henkelpott gewinnen
Rund um das Westfalenstadion prickelte es den gesamten Samstag über. Auf den Anfahrtswegen zur Strobelallee und erst recht im Stadion sah man unzählige Menschen in gelben Trikots. Gefühlt noch häufiger als sonst standen auf ihren Rücken die Nummer 11 und der Name Reus. Die Fans erwiesen ihrem Idol noch einmal die Ehre, beim letzten Auftritt für seinen Herzensklub als Spieler. „Danke, Marco“ stand auch auf den Anzeigetafeln. Auch an der Außenfassade hatten sie ein großes Bild von Reus auf die LED-Tafeln geworfen. Noch einmal durfte Reus die Kapitänsbinde tragen, der eigentliche Spielführer Emre Can überließ sie ihm. Und der Klub lieferte den ultimativen Beweis, dass es Reus zur Legende geschafft hat. Seit diesem Wochenende ist auch Reus auf einem der dicken Betonpfeiler mit einem Konterfei verewigt, sehr prominent am Aufgang zu Block 12 der Südtribüne, wo der harte Fan-Kern die Spiele der Borussia verfolgt.
Der gebürtige Dortmunder Marco Reus hat sich beim BVB Legendenstatus erspielt, auch wenn – maßgeblich aufgrund von Verletzungen – große Titel ausblieben. Zweimal hat er den DFB-Pokal in den Berliner Nachthimmel gestemmt. Eine große Leistung freilich, aber weniger im Vergleich zu Meisterschale, die ihm immer fehlen wird.
Die Fans aber verehren den fußballerischen Feingeist, da er auf dem Höhepunkt seines Schaffens Abwerbeversuchen großer Klubs getrotzt hatte. Nie wird man Reus vergessen, dass er Anfang 2015, als der Klub auf einem Abstiegsplatz stand, vorzeitig seinen Vertrag verlängert hat. Wie Reus in Dortmunds Geschichte eingeht, ob er doch noch die Vollendung schafft, wird in zwei Wochen entschieden. Das Endspiel der Champions League gegen Real Madrid in Wembley ist Reus‘ letzter Auftritt für den BVB. Er könnte sich mit dem Henkelpott verabschieden. „Die Gier ist grenzenlos, der Glaube muss grenzenlos sein“, sagte Reus. „Es wird unfassbar schwierig, aber im Fußball ist alles möglich“