Dortmund. Der BVB fährt nach einem emotionalen Wochenende gestärkt nach Paris. Die Spieler haben eine klaren Auftrag an ihren Trainer und sich selbst.
Marco Reus verließ am Samstagabend alleine den Kabinentrakt, in der einen Hand hielt er ein sündhaft teures Handtäschchen, in der anderen sein Smartphone. So ging er davon nach einem BVB-Nachmittag, bei dem vor allem er die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.
An drei der fünf schwarz-gelben Tore war der 34-Jährige einen Tag nach der Verkündung seines Abschieds im Sommer beteiligt. Einen Treffer erzielte er selbst (34.) und sorgte so gemeinsam mit Youssoufa Moukoko (4., 30.), Donyell Malen (20.) und Felix Nmecha (64.) für einen nie gefährdeten 5:1-Erfolg über den FC Augsburg.
Nun könne sich ein Kreis schließen, sagte Trainer Edin Terzic. Denn es gibt ein Bild aus dem Jahr 2013, wie Marco Reus zusammengekrümmt auf dem Rasen des Wembleystadions liegt. Gerade hat der BVB das Champions-League-Finale gegen den FC Bayern 1:2 verloren. Und es gibt das Bild vom Samstag, wie Reus alleine vor der Südtribüne steht, die rechte Hand hat er zu seinem Herzen geführt, die Augen sind zusammengekniffen, um Tränen zurückzuhalten.
BVB-Erfolg über Augsburg - viele Erkenntnisse, trotzdem ziemlich egal
Das eine Foto symbolisiert das Ende von Marco Reus‘ erster schwarz-gelber Saison, das andere den Ausklang seiner zwölfjährigen Ära, die, solche Pirouetten dreht der Fußball manchmal, ihren Abschluss nun wieder im mystischen Londoner Wembleystadion finden könnte. Dazu aber muss am Dienstag (21 Uhr/Prime) die Starmannschaft von Paris Saint-Germain nach dem 1:0-Erfolg im Hinspiel aus dem Wettbewerb geworfen werden. Der Einzug ins Endspiel, er wäre eine Sensation.
Und dieses Paris-Spiel ließ das Ligaduell gegen Augsburg natürlich in den Hintergrund rücken, obwohl die 90 Minuten vollgepackt waren mit Erkenntnissen. Nämlich, dass erstens Debütant Kjell Wätjen, gerade 18 Jahre alt, die Fähigkeiten mitbringt, in Zukunft häufiger das Mittelfeld zu ordnen.
Dass zweitens Youssoufa Moukoko nach komplizierten Monaten wieder positiv auf sich aufmerksam machen konnte.
Dass drittens Felix Nmecha endlich einmal zeigte, warum Dortmund für ihn stolze 30 Millionen Euro an den VfL Wolfsburg überwiesen hat.
Dass viertens die Dortmunderinnen und Dortmunder mit dem oft kritisierten Marco Reus ihren Frieden geschlossen haben, ihn durch laute Reus-Rufe feierten. „Ich bin unfassbar dankbar, ich habe keine Worte“, sagte Reus. „Unabhängig von Entscheidungen in meiner Karriere habe ich nie den Druck gespürt, sondern war immer glücklich, auf dem Platz stehen zu dürfen. Druck gibt es woanders, hier zu spielen, ist einfach nur pure Freude.“
Und dass fünftens die Mannschaft und die Fans zusammenrücken angesichts der historischen Chance, ins Champions-League-Finale einzuziehen. Schon während des Spiels stimmten die Schwarz-Gelben ihr Europapokallied an, in dem sie davon singen, sogar eine Kündigung in Kauf zu nehmen, um den eigenen Verein bei internationalen Auswärtsspielen zu begleiten. Der Klub hat die Chance, aus einer lange durchwachsenen Spielzeit eine ganz besondere zu machen.
BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck: „Wir dürfen nicht nervös auftreten“
In Paris „dürfen wir nicht so ängstlich auftreten wie in der Gruppenphase“, meinte Verteidiger Nico Schlotterbeck. Im September hatte Terzics Elf 0:2 bei PSG verloren und sich dabei in der eigenen Hälfte verkrümelt. Paris werde pressen, werde Ballbesitz haben, sagte Schlotterbeck. „Wir dürfen nicht zu nervös auftreten, das kann uns das Genick brechen.“ Er sei auf keinen Fall nervös, entgegnete Angreifer Niclas Füllkrug. „Wir werden die maximale Leidensfähigkeit an den Tag legen, um das Ergebnis über die Runden zu bringen.“
Das Ligaspiel des französischen Meisters wurde anders als das der Dortmunder verlegt, um Kräfte zu sparen für das große Duell. Ein Vorteil? „Paris hat das Wochenende genutzt, um zu trainieren. Wir haben das Wochenende genutzt, um eine Menge Emotionen, Euphorie und Energie zu sammeln“, meinte Sportdirektor Sebastian Kehl.
Die Mannschaft, die die wütenden Pariser im Prinzenpark stoppen soll, wird ohnehin eine andere sein als die Elf gegen Augsburg. Außer Torhüter Gregor Kobel hatte Trainer Terzic alle Stammspieler geschont. Der 18-jährige Wätjen kann nun erst gar nicht mit nach Frankreich reisen, er schreibt muss eine Abiklausur. Marco Reus wird wieder auf die Bank rutschen.
„Ich hoffe, dass wir uns noch in Wembley sehen“, sagte dieser. Diesmal soll dann allerdings nach dem Schlusspfiff ein BVB-Bild entstehen, auf dem er nicht zusammengekauert auf dem Rasen liegt, sondern die Arme voller Ekstase hochreißt.