Nürnberg. Der Freundschaft zwischen S04 und FCN drohte schon einmal das Aus. Stefan Berger - Fan beider Vereine - erzählt, warum er am Samstag zuhause bleibt.

Wenn der FC Schalke 04 am kommenden Samstag zum „Freundschafts-Duell“ beim 1. FC Nürnberg antritt, wird Stefan Berger ausnahmsweise nicht live dabei sein. „Zu oft verloren in den letzten Jahren, das nervt“, sagt der langjährige Fan des 1. FC Nürnberg. Der 50-Jährige war über 30 Jahre glühender Schalke-Anhänger, bevor er ins Lager des Clubs wechselte. Außerdem ist er „Ticket-Minister“ im 20 Mitglieder starken Nürnberger NRW-Fanclub „Nordrhein Frankonia“. Im Gespräch mit der WAZ spricht der Marler über das Spiel am Samstag, Felix Magath und tiefe Risse in der Fanfreundschaft. 

Rasenkontakt: Stefan Berger, „Ticket-Minister“ des FCN-Fan-Clubs Nordrhein Frankonia, mit Tochter Lea.
Rasenkontakt: Stefan Berger, „Ticket-Minister“ des FCN-Fan-Clubs Nordrhein Frankonia, mit Tochter Lea.

Stefan Berger, ist die Kartenanfrage für das Spiel am Samstag so groß, dass Sie zu Hause bleiben müssen? 

Stefan Berger: Nein, unser Fanclub ist prima versorgt. Aber ich habe zu Hause in Marl eigentlich jeden Tag Schalke-Tag. Eltern, Freunde, Arbeitskollegen, viele lieben Schalke über alles. Ich drücke es mal so aus: Niederlagen gegen Schalke nerven in den letzten Jahren besonders, weil sie oft zum falschen Zeitpunkt kamen. Deswegen Couch und Fernsehen statt 1100 Kilometer.  

Sie sprechen schon jetzt von einer Niederlage?

Nürnberg ist mit einem 2:3 in Karlsruhe ziemlich wild in die Saison gestartet, Schalke mit dem 5:1 gegen Braunschweig noch wilder. Nach doppelt turbulentem Start könnte auch ein trockenes 0:0 folgen (lacht). 

Ein Unentschieden wäre zumindest ein Ergebnis im Sinne der Fan-Freundschaft… 

Klar freut man sich in Nürnberg auch diesmal, dass die Schalker am Samstag wiederkommen, auf viele Treffen und viel Bier bei hoffentlich gutem Wetter in den vielen, tollen Biergärten. Aber so wie früher empfinde die Fanfreundschaft leider nicht mehr.

Nach dem Wechsel von Nürnbergs Fanliebling Alessandro Schöpf (l.), der 2016 zu Schalke 04 in die Bundesliga wechselte, rümpften viele FCN-Fans die Nase.
Nach dem Wechsel von Nürnbergs Fanliebling Alessandro Schöpf (l.), der 2016 zu Schalke 04 in die Bundesliga wechselte, rümpften viele FCN-Fans die Nase. © dpa | Michael Kappeler

Kriselt die Fanfreundschaft? 

Die Gelsen-Szene und auch die Generation der Kuttenfans haben mit allen anderen Schalkern die Freundschaft mit Beginn in den 80ern bis Ende der 90er aus tiefer Überzeugung gelebt. Das wurde dann auch von den Ultras übernommen. Aber gerade bei den nicht organisierten Fans spielt die Fanfreundschaft heute oft keine Rolle mehr. Ich kenne Fälle auf beiden Seiten, als Fans, die den Freund bei einem Spiel besuchen und unterstützen wollten, doof angemacht wurden. Es gibt auch nicht wenige FCN-Fans, die es den Schalkern immer noch übelnehmen, vor ein paar Jahren mit Alessandro Schöpf und Guido Burgstaller zwei Fanlieblinge geholt zu haben. Ich persönlich weise immer darauf hin, dass es eine Fanfreundschaft ist, die unter sportlichen Dingen nicht leiden sollte, aber ich gebe zu: Es hat sehr genervt!  

Und was ist es dann jetzt, nur noch eine nette Bekanntschaft?

Ein Spiel, auf das man sich freut, weil keine Randale zu erwarten ist. Natürlich gibt’s auch wieder viel Rahmenprogramm. Aber aus der ganz dicken Fanfreundschaft ist in meinen Augen eine Freundschaft einzelner Gruppierungen und vor allem der älteren Fans geworden. Das sieht man auch an der gegenseitigen Unterstützung der Fanlager bei Auswärtsspielen in der jeweiligen Region. Die war früher auf beiden Seiten deutlich stärker. Es sind andere Zeiten geworden. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Freundschaft vor nicht allzu langer Zeit sogar vor dem Aus stand. Das wäre dann doch sehr bitter gewesen. 

Die Zaunfahne des Nürnberg-Fan-Clubs Nordrhein Frankonia hing auch schon in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen.
Die Zaunfahne des Nürnberg-Fan-Clubs Nordrhein Frankonia hing auch schon in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen.

Inwieweit vor dem Aus? 

Als im Sommer 2007 Schalke als Vizemeister und Nürnberg als Pokalsieger im Ligapokal aufeinandergetroffen sind, haben einzelne Nürnberger „Ihr werdet nie Deutscher Meister“ angestimmt. Das war nicht zu überhören und hat die Schalker natürlich geärgert. Der Club ist im darauffolgenden Sommer dann abgestiegen – die endgültige Entscheidung fiel am letzten Spieltag gegen Schalke. Die Freundschaft war zu diesem Zeitpunkt generell schon ziemlich unterkühlt, sie wurde aber nochmal extrem auf die Probe gestellt. Es musste also was getan werden.

Und was wurde getan? 

Die Schalker Traditionsveteranen, ein Fanclub der älteren und raueren Schalker Fangeneration, haben zusammen mit dem FCN-Freundeskreis Süddeutschland die Unzertrennlich-Aktion ins Leben gerufen. Es wurde ein riesiges Banner mit beiden Vereinswappen gestaltet, auf dem groß geschrieben stand: Unzertrennlich! Damit sind dann 60 bis 70 Leute durch Nürnberg gezogen und haben ‚Schalke und der FCN‘ gesungen. Viele sind der Meinung: Das hat, gerade außerhalb der Ultra-Fanszene, viel gekittet. Das kam gut an. Das war sehr emotional. 

Wie kommt es eigentlich dazu, dass Sie keine 15 Kilometer Luftlinie von der Arena entfernt aufgewachsen und Fan des 1. FC Nürnberg sind? 

Ich war immer Schalke-Fan, genauso wie meine Familie, die alle schon im Parkstadion Dauerkarten hatten. Später war ich auch fast ein Alles-Fahrer. Den Club fand ich aber auch schon immer gut, weil ich früher Torwart war und FCN-Keeper Andreas Köpke mein Vorbild. Und da ich nie genug von Fußball bekommen konnte, habe ich auch öfter mal Club-Spiele mitgenommen. Die Clubfans fand ich auch immer prima. An erster Stelle stand aber immer Schalke. Zumindest bis Felix Magath kam (lacht). 

„Das war dann nicht mehr mein Schalke“, sagt Stefan Berger über die Phase, in der Felix Magath das Zepter am Berger Feld schwang.
„Das war dann nicht mehr mein Schalke“, sagt Stefan Berger über die Phase, in der Felix Magath das Zepter am Berger Feld schwang.

Was hat Felix Magath Ihnen getan? 

Als er das Zepter auf Schalke geschwungen hat, wusste ich endgültig: Das ist nicht mehr mein Schalke! Er hat den ganzen Verein auf links drehen wollen und hat wohl auch noch das Reinigungspersonal auf der Geschäftsstelle ausgetauscht. Ich muss aber dazu sagen, dass ich mich - zunächst unbewusst - schon seit dem Umzug in die Arena emotional immer mehr von Schalke entfernt habe. Das ‚charmante Asitum‘, was Schalke für mich immer ausgemacht hat, ist immer mehr verlorengegangen. Das besondere Miteinander aller Fans – egal, ob Arzt, Rechtsanwalt und halt arbeitslos. Man war wegen Schalke da, nicht wegen des Events oder der Arena. Als Rudi Assauer dann entmachtet wurde, war für mich klar: Schalke wird nie wieder das Schalke sein.  

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