Dortmund. Emre Can sitzt nur auf der Bank und das BVB-Spiel läuft ohne ihn besser. Als er trifft, jubelt er provokant. Der Kapitän hat harte Konkurrenz.
Anscheinend hatte dieses wilde, turbulente Spiel so viel Redebedarf ausgelöst, dass Nuri Sahin vergaß, welche Aufgaben für ihn als BVB-Trainer verpflichtend sind. Denn während Laura Wontorra auf den 36-Jährigen wartete und wartete, ließ sich Sahin einfach nicht blicken zum Interview, sodass die DAZN-Moderatorin nur sagen konnte: „Wir hätten ihn gerne heute noch gesprochen, aber es gibt wohl eine längere Kabinenansprache oder ein längeres Feierabendbier.“
So sprach Sahin über den 4:2-Erfolg seines BVB gegen den 1. FC Heidenheim erst, als er im Medienraum des Dortmunder Stadions platznahm und erklärte, dass es ein verdienter Sieg seiner Mannschaft gewesen sei. „Es war offensiv in der ersten Halbzeit die bislang beste Leistung.“ Also alles gut? Nun ja. Natürlich wurde der neue Trainer auch auf seine mutige Aufstellung angesprochen, bei der Felix Nmecha überraschend in die Startelf gerutscht war und sich Emre Can, immerhin Kapitän, stattdessen auf die Bank setzen musste.
„Es war keine Entscheidung gegen Emre“, stellte Sahin klar. „Er ist unser Kapitän. Wir haben eine extrem lange Saison. Und wir müssen die richtige Mischung finden.“
BVB: Das Duo Nmecha/Groß könnte eine Zukunft haben
Trotzdem offenbarte der Freitagabend, dass das Duo Pascal Groß und Felix Nmecha im Mittelfeldzentrum eine Zukunft haben könnte. Mit beiden gelang es, viele Angriffe durch die Mitte aufzubauen, so Julian Brandt auf der 10 freizuspielen. Dortmund machte an diesem Abend in vielen Phasen Spaß, das ging oft zu schnell für Heidenheim, auch wenn der BVB am Ende trotzdem zittern musste. Erst traf Donyell Malen (12.), dann zweimal Karim Adeyemi (17./41.). Marvin Pieringer (39.) und Maximilian Breunig verkürzten jeweils. Erst Emre Can erlöste den BVB, als er in der Nachspielzeit einen Handelfmeter überlegt über die Torlinie schob.
„Wir haben die Tür kurz aufgemacht, dann aber wieder schnell zugemacht. Heidenheim kam am Ende noch mal gut auf, wir haben aber standgehalten“, sagte Sahin.
Emre Can und sein provokanter BVB-Jubel
Was blieb, war aber auch der Jubel von Emre Can, der sich nach seinem Tor die Hand vor den Mund hielt, zudem mit den Händen einen sprechenden Mund nachahmte. Eine Provokation. Nur an wen war sie gerichtet? „Der Jubel war nicht an den Trainer gerichtet. Auch nicht an die echten Fans hier im Stadion. Sondern an die anderen“, erklärte Can. Mehr wollte er dazu nicht sagen.
Vermutlich wollte sich der 30-Jährige über die Kritik beklagen, die regelmäßig über ihn geschüttet wird. Einige sehen den Mittelfeldspieler im Zentrum als eine Art Bremsklotz an für das neue BVB-Spiel, bei dem der Fokus auf viele Positionswechsel und Ballbesitz gelegt werden soll. Seit 2020 verdient der Nationalspieler sein Geld in Dortmund, sein Vertrag gilt bis 2026, seit über einem Jahr trägt er die Kapitänsbinde, immer begleiten ihn Zweifel.
Schon in der vergangenen Saison saß Can als Kapitän unter Trainer Edin Terzic gelegentlich auf der Bank, in dieser Spielzeit könnte dies angesichts der Verpflichtung von Groß wesentlich häufiger vorkommen, vor allem wenn sich Felix Nmecha weiter steigern sollte. Gegen Heidenheim zeigte der bisherige Problemfall, dass er das Mittelfeld mit seinen Drehungen und schnellen Schritten beleben kann. Und Marcel Sabitzer, der am Freitag ebenfalls auf der Bank saß, drängt ja auch noch in die erste Elf.
BVB jetzt gegen Brügge, dann gegen Stuttgart
„Es ist nie schön für einen Fußballer, nicht zu spielen. Jeder Fußballer will jedes Spiel spielen. Ich respektierte natürlich die Entscheidung des Trainers. Die Mannschaft steht über allem. Es werden noch wichtige Spiele kommen, in denen ich von Beginn an dabei bin“, meinte Can.
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Für Borussia Dortmund geht es am kommenden Mittwoch (21 Uhr/DAZN) weiter, dann startet die Champions League mit einem Auswärtsspiel beim FC Brügge. Vier Tage später muss der BVB zum VfB Stuttgart reisen, dort erwartet den Klub eine aufgeheizte Partie, weil Waldemar Anton und Serhou Guirassy an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren werden. Übertragen wird auch diese Begegnung von DAZN, und es steht zwar nicht fest, ob Nuri Sahin dann Emre Can erneut auf die Bank setzt, aber er sollte diesmal auf jeden Fall zum Interview erscheinen.