Dortmund. Mitten in der Transferperiode treten erste Risse in der BVB-Welt auf. Das Verhältnis zwischen Kehl und Mislintat wird zur Belastungsprobe.
- Der BVB befindet sich im Trainingslager in der Schweiz - und es gibt Spannungen
- Der Grund ist ein Kompetenzgerangel zwischen Sportdirektor Kehl und dem Technischen Direktor Mislintat
- Es gibt erste Risse in der sportlichen Leitung des BVB
Bad Ragaz ist ein Ort, in dem das Leben gemütlich erscheint. Durch die Straßen rollen Fahrräder, am Fluss Tamina entlang, dem im Sommer das Wasser fehlt, schieben Eltern und Großeltern Kinderwagen. Touristinnen und Touristen schlürfen Kaffee in der August-Sonne, die häufiger mal durch Wolken verdeckt ist, aber den Kurort schnell aufwärmt, sobald sie die Decke durchbricht. Ferien eben.
In dieser Atmosphäre hat Borussia Dortmund am vergangenen Donnerstag das Trainingslager in den Schweizer Bergen aufgeschlagen. Und man lässt sich ganz offensichtlich von ihr anstecken. Die Profis bleiben länger stehen, um Autogramme zu schreiben, lächeln häufiger in die Handykameras der Fans, sie scheinen sich wohl zu fühlen – wenig verwunderlich, wenn man in einer noblen Unterkunft wie dem Grand Hotel residiert. Doch: In Wahrheit gibt es im Klub erste Risse.
BVB-Chefetage: Ricken und Kehl stehen über Mislintat
Seit dem Frühjahr bastelt eine neue Führung an der Zukunft von Borussia Dortmund. Hans-Joachim Watzke, 65, hat die Verantwortung für den Bereich Sport an den neuen Geschäftsführer Lars Ricken übertragen. Die 48-jährige Vereinslegende, die den BVB 1997 zum Henkelpott lupfte, repräsentiert den Klub, arbeitet strategisch. Sebastian Kehl, 44, betreut die tagesaktuellen Themen, werkelt am Kader, entwickelt ihn weiter, führt die Verhandlungen auf dem Transfermarkt. Zudem kehrte Sven Mislintat, 51, zum BVB zurück. Seine Aufgabe: Talente scouten, passende Spieler finden und sie Ricken und Kehl vorschlagen. Mislintat ist in der Hierarchie Kehl und Ricken unterstellt, er soll den beiden zuliefern. Im Hintergrund, in die Öffentlichkeit soll er nicht treten – so wie es auch explizit in der Pressemitteilung des BVB niedergeschrieben war.
Aus dem Verein hört man nun allerdings immer häufiger von ersten Spannungen innerhalb dieser Strukturen, von einem Kompetenzgerangel, davon, dass Mislintat gerne mehr Einfluss beim BVB hätte. Laut „Bild“ hat Mislintat von Sahin ein Trainingsplatz-Verbot kassiert, weil er bei einer Trainingseinheit vor TV-Kameras gesprochen habe. Über einen TV-Auftritt bei Sky während der Europameisterschaft, bei dem er über Transfers plauderte, waren die Bosse in Kenntnis gesetzt worden, doch dieser verwunderte, da er im Widerspruch zu Mislintats Job-Profil steht. Hinter vorgehaltener Hand werden darüber hinaus Indiskretionen vermutet.
Nur durch Sven Mislintat ist der BVB-Transfer von Guirassy gelungen
In Dortmund waren sie sich im Klaren über eine komplizierte Gemengelage, die sich mit einer Rückkehr Mislintats ergeben würde. Nach seinem Abschied aus Dortmund 2017 kletterte er auf der Karriereleiter nach oben, war Scouting-Chef beim FC Arsenal, Sportdirektor beim VfB Stuttgart und bei Ajax Amsterdam. Bei allen drei Stationen ging er im Unfrieden, war in Machtkämpfe verwickelt. Ein Comeback in Dortmund war nur unter einer Bedingung möglich: dass sich Mislintat auf seine Kernkompetenz, die Kaderplanung, besinnt. Diese Fähigkeiten wollten die Bosse unbedingt wieder für den BVB nutzen. Mit ersten Erfolgen, die Bilanz dieses Sommers ist gut, man spürt eine gewisse Zuversicht rund um Dortmund: Ohne Mislintat etwa wäre die Verpflichtung von Top-Stürmer Serhou Guirassy (28), den Mislintat 2022 schon nach Stuttgart lotste, nicht gelungen. Der Transfer des Brasilianers Yan Couto (22) von Manchester City hingegen geht auf Kehl zurück, Mislintat wollte den Rechtsverteidiger nicht holen.
BVB: Sport-Geschäftsführer Lars Ricken stärkt Sven Mislintat
Insbesondere das Verhältnis zum Sportdirektor ist belastet, mit dessen Posten nämlich hatte auch Mislintat geliebäugelt. Beruflich waren sie bisher nur als Verhandlungspartner aufeinandergetroffen: Als Mislintat bei Ajax Amsterdam Edson Alvarez nach Dortmund verkaufen wollte, der BVB aber im letzten Moment Abstand von dem Transfer des Mexikaners nahm. Der damalige Trainer Edin Terzic hatte sein Veto eingelegt.
Dass es schwierig werden würde in dieser Konstellation, war befürchtet worden und scheint sich nun zu bewahrheiten. Eine Trennung in diesem Sommer werde es nicht geben, hört man aus dem Klub. Dies wäre schließlich auch ein Eingeständnis, dass die Umstrukturierung zur Post-Watzke-Ära in Teilen gescheitert ist. BVB-Sport-Geschäftsführer Lars Ricken stärkt seinen Kaderplaner, doch Mislintat steht in den kommenden Wochen bereits unter genauer Beobachtung.