München. Die große Rivalität zwischen Deutschland und Holland begann 1974 . Vor dem Wiedersehen gibt es zwischen DFB-Team und Oranje mehr Gemeinsamkeiten.
Man muss eine Zahl nennen, die die gesamte Dimension der Verabschiedung fasst, die am Montagabend in der Münchener Allianz Arena stattfindet: 451. So viele Länderspiele haben Thomas Müller, Manuel Neuer, Toni Kroos und Ilkay Gündogan für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestritten. Eine Ära mit den drei Weltmeistern von 2014 und Gündogan, dem hochdekorierten Klubspieler und ersten DFB-Kapitän mit türkischen Wurzeln, endet nun auch formell. Ohne Kroos allerdings, der kurzfristig abgesagt hat.
Würde man das Quartett nun nach dem Rivalen fragen, der ihre Zeit in der Nationalelf besonders geprägt hat, würde es mit hoher Wahrscheinlichkeit Spanien nennen. Von 2008 bis 2014 prägten die beiden Schwergewichte den internationalen Fußball. Nationalspieler-Generationen vor Müller, Neuer, Kroos und Gündogan aber hätten eine andere Mannschaft genannt: die Niederlande.
DFB-Team und Oranje: Rivalität begann im WM-Finale 1974
Die Geschichte des Klassikers begann vor 50 Jahren in München, wo sich an diesem Montag Deutschland und Oranje im Nations-League-Gruppenspiel (20.45 Uhr/ZDF) gegenüberstehen und um den Viertelfinaleinzug streiten werden. Damals spielten Franz Beckenbauer und Johan Cruyff im altehrwürdigen Olympiastadion um den goldenen WM-Pokal. Die Niederlande, für viele die beste Mannschaft des Turniers, begann stark. Am Ende aber müllerte es, Deutschland gewann mit 2:1. Bis die Niederländer Revanche in einem K.o.-Spiel nehmen konnten, sollten Jahre vergehen. Bei der Europameisterschaft 1988 schoss Marco van Basten die Elftal, die zuvor aus der Riege der Top-Nationen herausgerutscht war, zum 2:1-Halbfinalsieg.
Bloß Rivalität aber macht keine Feindschaft aus, da musste schon mehr kommen. Zum Beispiel unmittelbar nach dem niederländischen Sieg im Hamburger Volksparkstadion. Der heutige Bondscoach Ronald Koeman wischte sich 1988 demonstrativ mit Olaf Thons Trikot vor den Oranje-Fans das Gesäß ab. Zwei Jahre später dann der Höhepunkt: Frank Rijkaard spuckte im WM-Achtelfinale in Rudi Völlers Haarpracht. Unerklärlicherweise sahen beide dafür die Rote Karte, auch der unschuldige Völler. Im Zehn-gegen-Zehn hatte Deutschland das bessere Ende, siegte mit 2:1 – und sollte schließlich wieder mit dem WM-Pokal zurück in die Heimat fliegen.
DFB-Team gegen Oranje: Die Brisanz des Klassikers ist gesunken
Und heute? Die Brisanz des Klassikers, den das DFB-Team 18-mal, die Elftal 13-mal gewonnen hat, ist in den vergangenen Jahren gesunken. Was sicherlich auch daran liegt, dass sich beide schon länger nicht mehr in großen Turnier-Duellen begegneten. Als die holländischen Fans im Sommer die hiesigen Innenstädte zur EM-Party-Zone erklärten, feierten die Deutschen einfach mit. Auch sportlich näherten sich die zwei Fußball-Philosophien weiter an, um sich zurück an die Spitze zu arbeiten.
Unter Trainer Koemann sind die Niederländer auf Struktur und Ballbesitz getrimmt, weniger auf das cruyffsche Voetball Totaal, bei dem jeder gleichermaßen attackiert und verteidigt. Man erkennt das gut an der niederländischen Domäne, dem Flügelspiel, wo es schon lange nicht mehr darum geht, die Seitenlinie zu beackern. Cody Gakpo vom FC Liverpool etwa vereint die Qualitäten eines Arjen Robbens und eines Mittelstürmers. Bundestrainer Julian Nagelsmann will dem deutschen Fußball wieder Dominanz verleihen, hat aber auch nicht das hohe Pressing und schnelle Umschaltspiel seiner früheren Jahre vergessen. Zwei alte Rivalen, die sich inzwischen ähnlicher sind, als man denkt.
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