Zenica. Deniz Undav wird zum Matchwinner gegen Bosnien. Es gibt da nur ein Problem: Wo soll der Stuttgarter Torjäger demnächst spielen?

Auf eine Frage des Abends fand sich auch in der Interviewzone des rustikalen Stadions Bilino Polje keine verlässliche Antwort. Hat er nun geschaut oder nicht? Es gab da zwei widersprüchliche Aussagen der beiden Stuttgarter Himmelsstürmer, die in Zenica unterschiedliche Nationalmannschaften repräsentierten. Deniz Undav die deutsche, Ermedin Demirovic jene von Bosnien-Herzegowina.

Demirovic, 26, jedenfalls behauptete, dass er Undavs Torjubel im Nations-League-Spiel der beiden Länder nicht gesehen habe. „Angeblich“, betonte Undav. „Glauben tue ich ihm das nicht.“ Ein Alibi konnte Demirovic nicht vorlegen. Er wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit gesehen haben müssen, wie Undav, 28, dessen obligatorischen Händewischer nach Toren nachgeahmt hat. Die beiden Schlitzohren hatten sich nämlich vor der Partie, die Deutschland dank Undavs Doppelpack (29./36.) mit 2:1 (2:0) gewann, ausgedacht, dass beide, sollten sie im Abschluss erfolgreich sein, den Torjubel des anderen kopieren. „Normalerweise“, meinte Demirovic, „freue ich mich über jedes Tor, das er schießt – das war heute nicht der Fall. Auch wenn ich ihm die beiden Tore gönne.“ Es wurde viel gelacht im launigen Zweier-Gespräch, in dem Undav und Demirovic bewiesen, dass sie sich nicht nur Bälle, sondern auch Worte hin und her spielen können.

Bundestrainer Julian Nagelsmann schwärmt von Deniz Undav

So kennt man ja Deniz Undav, den Gute-Laune-Knipser mit dem Potenzial zu einem der neuen deutschen Publikumslieblinge. Wenngleich Julian Nagelsmann eingesteht, dass es schwierig sei, wenn man nur Deniz Undavs im Kader habe. „Weil dann hast du nur welche, die für Stimmung sorgen“, sagte der Bundestrainer. Andererseits sei es auch schlecht, ihn nicht zu haben, denn: „Er ist ein cooler Fetzen mit sehr vielen lustigen Sprüchen, und er hat eine gute Art, eine Mannschaft mitzunehmen.“

Bosnien-Herzegowina - Deutschland
Großes Lob: Julian Nagelsmann beglückwünscht Deniz Undav zum Doppelpack. © DPA Images | Christian Charisius

Wertschätzung erfährt Undav seit geraumer Zeit aber auch sportlich. Seine beiden erlösenden Treffer in einem lange zähen Spiel in Bosnien waren seine Tore zwei und drei im fünften Länderspiel. Der Stuttgarter überzeugte dabei durch Effizienz. „Er braucht nicht viele Chancen, er hat einen guten und technisch sauberen Abschluss“, so Nagelsmann. Zu sehen gleich zweimal: Als Undav eine brillante Ablage von Florian Wirtz trocken ins Netz drosch, was „leicht aussieht, aber das macht er sehr clever und überlegt“ (Nagelsmann). Und als Undav im richtigen Moment zur Grätsche ansetzte, um die Hereingabe seines Stuttgarter Kollegen Maximilian Mittelstädt zu verwerten. Keine Überraschung, diese Effizienz. Undav hat nach der Europameisterschaft die müllersche Knipser-Rückennummer 13 übernommen.

DFB-Team mit Deniz Undav gegen die Niederlande

Ein wenig steckt Bundestrainer Nagelsmann nun im Dilemma. Undav kann sowohl als Spielmacher fungieren als auch im Sturmzentrum auflaufen. Auf den Positionen also, wo er „eine gute Konkurrenz“ habe. „Aber“, so Nagelsmann, „er ist auf jeden Fall einer, den wir gerne da haben“. Nur wo? Die Zehn ist ja eigentlich reserviert für einen der beiden Künstler, also Jamal Musiala und Florian Wirtz. Musiala fehlt derzeit verletzt, Wirtz kam in Zenica über die linke Angriffsseite zum Einsatz. Und in der Angriffsspitze, da hat Kai Havertz bewiesen, dass er auch ohne Torjägernäschen ein elementarer Bestandteil für das Offensivspiel der Nationalelf ist. Der Profi des FC Arsenal hatte ebenso abgesagt für die Oktober-Partien in Bosnien und am kommenden Montag in München gegen die Niederlande (20.45 Uhr/ZDF). Sein Vertreter Tim Kleindienst hatte gegen die bosnische Härte große Schwierigkeiten. Dass er daher gegen Oranje aus der Startelf rutscht, wäre allerdings ein Trugschluss. Die ohnehin schon angespannte Personallage im DFB-Team hat sich am Freitag schließlich noch zugespitzt: Beim Stuttgarter Chris Führich wird ein Muskelfaserriss vermutet.

In Aktion: Deniz Undav im Spiel gegen Bosnien-Herzegowina.
In Aktion: Deniz Undav im Spiel gegen Bosnien-Herzegowina. © AFP | ELVIS BARUKCIC

An Deniz Undav wird daher in der Allianz Arena kein Weg vorbei führen. „Keine Ahnung, das muss der Trainer entscheiden“, antwortete Undav auf die Frage, ob er schon wisse, wie Nagelsmann am Montag mit ihm planen wird. „Ich versuche, meinen Job zu machen, wenn ich gebraucht werde.“ Der 28-Jährige gibt sich dabei immer pragmatisch. Zum Beispiel beim Thema Virgil van Dijk. Der niederländische Abwehrchef sah beim Remis in Ungarn am Freitag Gelb-Rot und wird gegen Deutschland gesperrt fehlen. „Natürlich schwächt das die Viererkette, aber da gibt es genug Spieler, die gut sind“, meinte Undav. „Ob er spielt oder nicht, wir müssen das Spiel gewinnen.“ Vermutlich würde eine andere, zu verkopfte Herangehensweise, seine Effizienz nur hemmen.

Mehr News und Hintergründe zur DFB-Elf