Paris. Darja Varfolomeev hat ihrer Sportart zu neuem Glanz verholfen. Das rückt die 17-Jährige bei ihrer Olympia-Premiere stark in den Fokus.
Lächeln, immer lächeln. Die Kraft der Ausstrahlung beeinflusst die Jury, sogar fast genauso wie der Umgang mit den Geräten. Deshalb übt Darja Varfolomeev das mit ebenso viel Leidenschaft, wie sie versucht, Ball, Keule, Band und Reifen zu bändigen. „Das ist sehr wichtig für mich, dann fühle ich mich beim Wettkampf wohler“, sagt sie. Wobei das Lächeln nur einen Teil ihres Repertoires darstellt, Varfolomeev will viele Emotionen zeigen.
Genau das hebt sie ab von anderen in der Rhythmischen Sportgymnastik. Die Magie ihrer Ausstrahlung, so die 17-Jährige, sei eine ihrer beiden Superkräfte. Die andere ist die mentale Stärke. Wenn beides mit der perfekten Behandlung der Geräte zusammenkommt, vermag sie Großartiges zu vollbringen. Weshalb sie in Paris trotz ihrer Jugend zu den Medaillenhoffnungen des Deutschen Turner-Bundes zählt.
Mit zwölf Jahren kommt sie aus Russland nach Deutschland
Die Erwartungen sind hoch, nie zuvor lag der Fokus so sehr auf Varfolomeev. Sie gibt sich dennoch gelassen vor dem Start der Qualifikation im Mehrkampf am Donnerstag. „Ich habe keine Angst, weil ich weiß, dass wir viel Zeit mit dem Training verbracht haben“, erzählt die junge Gymnastin aus Schmiden in Baden-Württemberg. Sogar die Schule rückte sie in den Hintergrund, um sich auf Olympia vorzubereiten. Die zehnte Klasse wiederholt sie lieber.
Für ihren Sport und ihre Träume bringt die junge Frau kompromisslos Opfer. Mit zwölf Jahren verließ sie ihre Heimat in Sibirien, kam zunächst ohne Eltern nach Fellbach-Schmiden an den Bundesstützpunkt, ohne Sprachkenntnisse. „Das war sehr hart“, so Varfolomeev. Allerdings hatte sie den Vorteil eines deutschen Großvaters und der deutschen Staatsbürgerschaft, die bereits ihre Mutter besaß.
Varfolomeev gewinnt alle fünf Einzeltitel bei einer WM
Sie nahm ihre Tochter schon im Alter von drei Jahren mit in die Turnhalle, hatte als ehemalige Gymnastin exakte Vorstellungen. „Sie wollte immer, dass ihre Tochter ihre Karriere weiterführt“, erzählt die Athletin, die sich mit großem Fleiß in ihre Aufgaben stürzt und schon bei ihren ersten internationalen Auftritten für Aufsehen sorgte. Nach dem ersten WM-Titel 2022 gelang ihr im Vorjahr ein seltener Triumph: Sie gewann alle fünf zu vergebenen Einzel-Titel bei der WM.
Lediglich Jewgenija Kanajewa (Russland) war das zuvor 2009 und 2011 gelungen, insofern könnte die Favoritenstellung von Varfolomeev nicht eindeutiger sein für die Olympischen Spiele, wo nur im Mehrkampf Medaillen vergeben werden. Doch zuletzt ergaben sich kleinere Schwierigkeiten. „Nach den deutschen Meisterschaften haben wir noch ein paar Probleme von den Kampfrichtern genannt bekommen, an denen wir arbeiten sollten“, so die Athletin.
Gymnastin passt Übungen vor Olympia noch einmal an
Auch bei der EM, wo es im Mehrkampf Bronze gab, kamen vor ein paar Wochen diese Hinweise. Daher veränderte Varfolomeev die Übungen, die dann nicht perfekt saßen. Der neue Star der Gymnastinnen rang um Stabilität, die aufgrund der hohen Schwierigkeitsgrade ihrer Übungen nicht ganz einfach zu finden war. Doch die sehr intensive Arbeit zuletzt gibt ihr Sicherheit: „Ich fühle mich gut vorbereitet, wir haben richtig gut trainiert.“
Nun braucht sie all ihre mentale Stärke, um sich von den Eindrücken in Paris nicht überwältigen zu lassen – bei ihrer olympischen Premiere. „Das wird bestimmt eine ganz tolle Erfahrung, die ein Leben lang in meinem Kopf bleibt“, erzählt die Gymnastin begeistert. Jetzt will sie ihre Euphorie auf das Publikum übertragen.