Paris. Canadier-Legende Sebastian Brendel wurde im Einer abgeschrieben, doch er kämpfte sich zurück. Jetzt will er Geschichte schreiben.
Zu den Menschen, denen ihre Emotionen leicht anzusehen sind, zählt Sebastian Brendel nicht. Der muskulöse Hüne mag es eher gleichmütig, ganz ruhig, immer entspannt. Zumindest nach außen hin vermittelt der 36-Jährige den Eindruck, dass ihn nichts aus der Fassung bringen könnte.
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In gewisser Weise ist es auch so, sonst würde der Kanute in diesen Tagen kaum an der olympischen Regattastrecke von Vaires-sur-Marne stehen. Für den Potsdamer sind es die vierten Spiele, die drei davor nutzte der Canadierfahrer, um sich zu einem der größten in seinem Metier zu machen mit drei Goldmedaillen und einer bronzenen Plakette. Doch der Weg nach Paris war sehr schwierig.
Der Sprung auf das Podest ist nicht aussichtslos
Davon ist jetzt nicht mehr viel zu merken, Brendel konnte das alles hinter sich lassen. Die Zweifel, auch die Wut, die sich irgendwann in ihm angestaut hat, konnte er wegpaddeln und setzt sich große Ziele. „Eine Medaille nimmt man sich schon vor. Für Gold muss alles irgendwie passen, um das noch mal zu erreichen. Aber es ist nicht aussichtslos“, sagt Brendel, für den es die letzten Spiele werden.
Viele dachten das bereits in Tokio, seine Stellung im Einer bröckelte, er schaffte es nicht in das Finale. Zwar konnte Brendel gemeinsam mit Tim Hecker den dritten Platz im Zweier belegen, doch die anschließende Verkürzung der olympischen Strecke von 1000 auf 500 Meter für den C2 verhieß nichts Gutes. „Für einige war es sicherlich überraschend, weil schon mehr oder weniger die Wachablösung angekündigt war“, erzählt Brendel. Seine Freude darüber, es vielen, die nicht mehr an ihn geglaubt haben, gezeigt zu haben, sie ist wahrnehmbar.
Ursprünglich wollte Brendel im Zweier nach Paris
An sich hatte Brendel mehr auf den Zweier gesetzt, was nach Tokio der bessere Weg zu sein schien. „Ich war bereits nach 2016 vom Einer ein bisschen müde, wollte nicht nur allein unterwegs sein. Das hat viele Nerven und Kraft gekostet“, sagt der Kanute. Doch die Umstellung auf die kürzere Distanz mit Hecker funktionierte nur leidlich, zudem entwickelten beide Differenzen. Im Ergebnis fuhr Hecker vergangenes Jahr mit Peter Kretschmer und wurde Weltmeister.
„Für einige war es sicherlich überraschend, weil schon mehr oder weniger die Wachablösung angekündigt war.“
Die Trainer schickten Brendel dann wieder im Einer über die gewohnten und dort weiterhin olympischen 1000 Meter zur WM, wo der Potsdamer unerwartet auf Platz drei fuhr. „Die Medaille dort war ein großer Erfolg für mich, ein starkes Zeichen und auch eine große Motivation“, so Brendel. Er zog viel Kraft aus diesem Ergebnis, orientierte sich über den Winter wieder an den Trainingsumfängen von 2016. Obwohl er aufgrund des Alters dafür so oft beim Physiotherapeuten vorbeischauen musste wie nie zuvor.
Brendel kann mit Dittmer gleichziehen bei der Medaillenanzahl
Doch Brendel forderte sich immer neu heraus. Im Training orientierte er sich sogar an den viel schnelleren Kajakfahrfern, fuhr dort hinterher, um die bestmögliche Grundlagenausdauer zu erlangen. Es half ihm dabei, sich im internen Duell um den Startplatz für Paris gegen Conrad Scheibner (28) durchzusetzen, der in Tokio im Finale stand und dort Sechster wurde.
Der alte Mann konnte die drängende Jugend also noch einmal in die Schranken verweisen. So wie es dem großen Andreas Dittmer 2008 gelang, den jungen Brendel von der Reise nach Peking auszuschließen. Nun kann der Potsdamer bei der Anzahl der Medaillen zu dem ebenfalls dreifachen Olympiasieger Dittmer aufschließen. „Das wäre ein absolutes Highlight“, erzählt Brendel. Große Emotionen inklusive.