Paris. Schon Dabeisein war in Paris alles. Nun fahren die Deutschen mit einer Goldmedaille nach Hause. Ein Team, das seinen Namen verdient.
Der Größte saß in erster Reihe und schmunzelte einfach nur. Die Größten ließen sich auf den Rücken fallen und schluchzten einfach nur. Als sie den Eindruck hatten zu begreifen, was sich frühestens nach Tagen zu fassen lässt, holten sich die deutschen 3x3-Basketballerinnen die kleine Belohnung ab: ein High-Five von Dirk Nowitzki. Die große folgte am Montagabend in Form einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Paris.
Superlative sind die von Inflation entwertete Währung des Sportjournalismus. Doch diese Geschichte ist wirklich märchenhaft. Svenja Brunckhorst, Sonja Greinacher, Marie Reichert und Elisa Mevius haben die erste olympische Medaille für den Deutschen Basketball Bund gewonnen. Nicht mal Nowitzki schaffte das 2008 in Peking.
Olympia: Deutsche 3x3-Basketballerinnen gewinnen Gold
Erwartet worden war der achte und letzte Platz im Teilnehmerfeld. Selbst Aserbaidschan wurde stärker eingeschätzt. Mehr Außenseiter geht nicht. Sogar nach sechs Siegen in sieben Gruppenspielen, nach Platz eins, änderte sich die externe Erwartungshaltung nicht. Nicht im Halbfinale gegen Kanada, nicht im Endspiel gegen Spanien.
Und doch standen die Deutschen in der Auszeit zusammen, „eine Minute vom schönsten Moment unseres Lebens entfernt“. Diese Ansage kam von Greinacher vor der finalen Sequenz im Halbfinale gegen einstiegen Goldfavoriten Kanada. Da wusste sie noch nicht, dass ihr der allerschönste Moment im Leben noch bevorstehen sollte.
„Sunny G“: Sonja Greinacher lässt die Sonne aufgehen
Diese Partien am Montag hatte die Story des nie zu bändigenden deutschen Teams bei diesen Olympischen Spielen noch einmal erzählt. Jeweils deutlich im Rückstand, gekontert, wieder in ein Loch gefallen. Aber Verlieren gilt nicht, geht nicht. Weil immer wieder die Sonne im deutschen Spiel aufgeht.
Greinacher, Spitzname „Sunny G“, ist großer Nowitzki-Fan. Wie er früher im Nationalteam trägt sie die 14. Ihm ahmte sie den „Flamingo“ nach, den einbeinig gesprungen Wurf im Rückwärtsfallen. „Das ist ihr Schuss. Den trifft sie schon, da war Elisa noch nicht mal geboren“, sagte Brunckhorst, die Greinacher seit 16 Jahren kennt. Der, den sie in der Schlusssekunde zum 16:15 Spanien versenkte, wird für länger als 16 Jahre bleiben. Der Dreier zum 17:16 im Endspiel ebenso. Der Wurf zum Olympiasieg ist einer für die Ewigkeit.
Elisa Mevius, die jüngste 3x3-Basketballerin in Paris, spielt wie die älteste
„Es ist überwältigend, was wir hier in Paris erleben. Ein Traum. Für mehr bin ich zu sprachlos, Sorry“, sagte Reichert. Es braucht in dieser Mannschaft auch keine Worte, sie versteht sich blind. „Das Vertrauen ineinander in unfassbar hoch. Ich habe in jedem Moment zu 100 Prozent daran geglaubt, dass wir eine Medaille gewinnen“, sagte Mevius – die jüngste Olympionikin des 3x3-Wettbewerbs.
Die 20 Lebensjahre sind ihr anzusehen und ihrer liebenswürdig jugendlichen Freude anzumerken. Auf dem Spielfeld agiert die Rendsburgerin, als hätte sie ein Dopingmittel entdeckt, mit dem sich Erfahrung einimpfen lässt. Vielleicht ist ihr Hajo Seppelt längst auf der Spur.
Perfekter Karriereabschluss für Svenja Brunckhorst
So cool, so gewitzt. Besser können es auch die Weltmeister Franz und Moritz Wagner nicht, die in der Arena auf dem Place de la Concorde zuschauten. „Sie bringt den Swag ins Team“, sagt der durch nichts aus Ruhe zu bringende Bundestrainer Samir Suliman (50), „oder wie wir alten Leute sagen: frischen Wind.“ Derzeit spielt Mevius am Siena College in Loudonville im US-Bundesstaat New York. Ihr steht die Basketballwelt offen.
Die von Brunckhorst, die Spielzüge liest wie andere Bücher, schließt sich mit der größtmöglichen Errungenschaft. Die aus Rotenburg (Wümme) stammende Frohnatur kümmert sich künftig um den Mädchen- und Frauenbasketball bei Alba Berlin. Es kann keine bessere Botschafterin für den im Aufwind befindlichen deutschen Damen-Basketball geben. „Das ist erst der Startschuss“, sagte sie. Gruselig.
Selbst Dirk Nowitzki ist beeindruckt vom deutschen Team
Greinacher, an deren und Brunckhorst Trikots die innigen Duelle am Montagabend Blutspuren hinterlassen hatten, erhielt den ultimativen Ritterschlag. Als „Wahnsinn“ betitelte ihr Idol Nowitzki ihren Auftritt. „Es macht Spaß zuzuschauen, die Energie ist toll. Das ist auf jeden Fall historisch“, sagte der 46 Jahre alte NBA-Champion von 2011.
Von der Leistung Reicherts dürfte er nicht minder beeindruckt gewesen sein. Die aus Kassel stammende Bundesligaspielerin kann einfach alles. Es von außen fliegen lassen, den Ball sanft von innen abtropfen lassen, Energie von der Bank bringen und „die Intensität in der Defensive anziehen, wenn wir es nötig haben“.
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Ach so, und noch etwas können sie Brunckhorst, Greinacher und Mevius nun. Sich Olympiasiegerinnen nennen.