Vaires-sur-Marne. Mit der Machtdemonstration in Paris füllt Olympiasieger Oliver Zeidler zwei Löcher in seinem Leben. Liebeserklärung an Freundin Sofia.

Vaires-sur-Marne. Wo sich unter diesen Muskelbergen diese Lücke auftun soll, erscheint schleierhaft. 2,03 Meter misst Oliver Zeidler, sein Kreuz lugt mühelos über die seitlichen Ränder seines Ruderboots hinaus. Wer in seinem Rücken steht, sieht die eintätowierten Olympischen Ringe auf- und die Sonne hinter dem Modellathleten untergehen. Aber im Inneren, in der Seele, des 28-Jährigen muss sich dieses Loch befunden haben, über das Zeidler nun sprach, das er als geschlossen betrachtet. „Sofia macht mich glücklich“, sagte der Münchener Minuten nach seinem größten Karrieremoment, als die Goldmedaille um den Hals baumelte, „sie hat mir die Leichtigkeit gegeben, die mir manchmal gefehlt hat.“

Vier Augenringe für Olympia

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    Scheinbar mühelos hatte Oliver Zeidler eben noch den ersten deutschen Olympiasieg im Einer-Rudern seit Thomas Lange 1992 in Barcelona mit beinahe drei Längen Vorsprung vor Yauheni Zalaty, einem neutralen Athleten aus Belarus, und dem Niederländer Simon van Dorp eingefahren. Ebenso leichtfüßig joggte er anschließend den Bootssteg hinauf, um seine Freundin in die Arme zu schließen. Minutenlang, immer wieder sich küssend. Ein olympisches Standbild in Gold und Glück.

    „Dieser Moment mit ihr bedeutet mir sehr viel“, sagte Zeidler. Sofia Meakin ist selbst Ruderin, war in Paris als Ersatz für den Schweizer Doppelvierer dabei. Sie durfte bei ihrem Freund bleiben, als sie gemeinsam wenige Tage vor dem Finale aus dem Olympischen Dorf aus- und in ein Hotel nahe des Stade Nautique zogen, gut 30 Kilometer vor den Toren von Paris in Vaires-sur-Marne. „Wir haben eine Fernbeziehung über das letzte Jahr hinweg geführt. Als Sportler hat man wenig Zeit. Die letzten Wochen vor Olympia waren für mich sehr hart, weil wir uns überhaupt nicht sehen konnten. Ich bin dankbar, dass sie die letzten drei Nächte bei mir geblieben ist. Das war eine große Unterstützung.“

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    Über fehlende Leichtigkeit zu sprechen, fällt Leistungssportlern oftmals schwer. Oliver Zeidler gestand sich spätestens vor zwei Jahren ein, sich für Hilfe öffnen zu müssen. Der Mann, der die Olympischen Spiele 2016 in Rio als Schwimmer noch verpasst, danach Chlorwasser gegen die oftmals künstlich angelegten Ragattagewässer eingetauscht hatte und 2019 bereits den ersten von nunmehr drei WM-Titeln einfuhr, wäre an dem olympischen Halbfinal-Aus 2021 in Tokio „fast zerbrochen“. Ein Baum von Kerl mit einer empfindlichen Seele. Als auch die Heim-EM 2022 in Oberschleißheim nicht die erwünschte Medaille gebracht hatte, suchte Zeidler wegen großer Selbstzweifel das Gespräch mit einer Psychotherapeutin. Sie schaffte es, dass er wieder Muskeln in seinen Körper reinpumpte und den Druck aus dem Kopf herausbekam, Ängste austrickste. Mit dem Pariser „Rennen für die Ewigkeit“ war nun auch die zweite große Lücke gefüllt, die in der sportlichen Laufbahn.

    Ruder-Olympiasieger Oliver Zeidler feiert mit den Fans seine Goldmedaille.
    Ruder-Olympiasieger Oliver Zeidler feiert mit den Fans seine Goldmedaille. © dpa | Ebrahim Noroozi

    Es war ein Erfolg für das Familienunternehmen Zeidler, wie der neue Olympiasieger 200 Meter nach dem Start auf dem von der Sonne glänzenden Wasser das Rennen diktiert hatte. Schon nach der Hälfte der 2000 Meter sei ihm klar gewesen, dass die Konkurrenz versuchen konnte, was sie wollte. „Le Kaiser“ wurde Oliver Zeidler schon vom Regattasprecher in Anlehnung an die Eleganz von Franz Beckenbauer genannt. „Olli wurde besser und besser“, schwärmte Vater Heino, der sein Trainer ist, „das heute war die Vollendung.“

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    Das Vater-Sohn-Duo geht seinen Weg konsequent allein in München, trainiert nicht wie die anderen Ruderer in Ratzeburg. Das hat schon für so manchen Disput mit dem nationalen Verband gesorgt, mit dem für Paris aber nun ein Burgfrieden geschlossen worden war. Andererseits: Der Erfolg zeigt, dass Heino und Oliver Zeidler vieles richtig machen. „Das ist der Lohn dafür. Ich habe alles, was ich konnte, in diese Medaille gesteckt“, sagte der Olympiasieger. „Mein Vater ist ein super Trainer. Ich bin ihm sehr dankbar, ohne ihn hätte ich das niemals geschafft.“ Nebenbei sorgte Oliver Zeidler für das dritte Olympia-Gold in der Familie: Sein Opa Hans-Johann Färber, ebenso sein Förderer, saß 1972 in München im „Bullenvierer“, seine Tante Judith ruderte 1988 in Seoul im DDR-Achter auf Platz eins.

    Was Olympia-Gold angeht, ist Oliver Zeidler in Paris auf den Geschmack gekommen. „Nochmal zu gewinnen, wäre eine Sache, um sich endgültig in die Geschichtsbücher einzutragen.“ Bis Los Angeles 2028 muss er auch keine Löcher mehr füllen: Olympiasieger ist Oliver Zeidler bereits, und mit seiner Freundin Sofia zieht er jetzt in der Schweiz fest zusammen.

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