Paris. Die deutsche Dressur-Mannschaft hat Gold bei Olympia 2024 in Paris gewonnen. Besonderer Rekord für die Reiterin Isabell Werth.
Das Publikum beim Dressurreiten ist ein besonderes. Es verehrt bei Olympia 2024 aber nun einmal auch einen ungewöhnlichen Sport. Keine Abwürfe wie beim Springreiten, erst recht keine Zweikämpfe, keine große Action, nicht einmal Geschwindigkeit. Nur Anmut und Eleganz. Die Zuschauer – Männer mehrheitlich im Polohemd, die Frauen mit Hut – zeigen ihre Unterstützung nicht durch lautes Anfeuern, sondern durch respektvolle Stille. Ein Raunen ist das Höchstmaß an Reaktion. Schwenkende Fahnen und lautes Jubeln gibt es erst, wenn der Reiter oder die Reiterin abgenickt hat.
Olympia 2024: Deutsches Dressur-Team und der dramatische Weg zu Gold
Doch am Samstag wusste zunächst keiner so richtig, ob nun die weiß-rot geschminkten Dänen oder doch die schwarz-rot-gold umhängten Deutschen in Jubel ausbrechen sollten. Auch Jessica von Bredow-Werndl schaute immer wieder abwechselnd auf die Anzeigentafel und ins Publikum. „Aber die konnten mir auch nicht mehr sagen.“
Erst beim Rausreiten habe ihr endlich jemand sagen können: „Ja, es hat gereicht. Wir sind Olympiasieger!“ Frederic Wandres (37/Osnabrück), Isabell Werth (55/Rheinberg) und Jessica von Bredow-Werndl (38/Tuntenhausen) haben sich Gold mit der Dressurmannschaft gesichert. Wie schon in Tokio war die deutsche Equipe nicht zu schlagen. Zweiter mit dem Hauch von 0,121 Punkten Rückstand wurde Dänemark von Großbritannien. Für die deutschen Reiter war es nach Michael Jungs Einzel-Olympiasieg in der Vielseitigkeit das zweite Gold in Paris.
Olympia 2024: Bredow-Werndls Fehler bringt Deutschland ins Schwimmen
Für den Krimi von Versailles hatte von Bredow-Werndl gesorgt. Im dritten Durchgang lag Deutschland nach den Auftritten von Wandres auf Bluetooth und Werth mit Wendy in Führung vor Dänemark und Großbritannien. Doch es war knapp. Wie schon 2021 Tokio hing es an Jessica von Bredow-Werndl, dem Druck zu trotzen und die Goldmedaille nach Hause zu bringen. Doch kurz nach Beginn ihrer Darbietung unterlief ihr ein Wechselfehler im Übergang von Schritt zu Piaffe. „Das war ein teurer Fehler“, sagte von Bredow-Werndl, denn die Punkte für dieses Element zählen doppelt. Ihre Teamkollegen hatten sich „schon mit der Silbermedaille angefreundet“, sagte Wandres. „Zumindest für 30 Sekunden.“ Ungläubig schauten er und Werth dann aber auf das Ergebnis, nachdem von Bredow-Werndl eine starke Aufholjagd gelungen war. „Da soll nochmal einer sagen, die Dressur ist langweilig“, scherzte Isabell Werth.
Durch den Sieg mit der Mannschaft hat sich die Rheinbergerin einen Rekord gesichert: Sie ist nicht mehr nur die erfolgreichste Reiterin der Geschichte, sondern nun auch Deutschlands erfolgreichste Olympionikin. Mit achtmal Gold und fünfmal Silber überholte sie die ehemalige Kanutin Birgit Fischer, die eine Silbermedaille weniger sammelte. Ihren ersten Olympiasieg feierte Werth 1992 in Barcelona mit Gigolo. „Ich fange an, es zu realisieren. Natürlich macht es mich sehr stolz, gar keine Frage“, sagte die 55-Jährige, die kurz vor ihrer Abreise nach Paris den Tod ihres Vaters Heinrich zu betrauern hatte. „Das war heute echt ein bisschen viel Gefühl. Es ist super. Ich werde mit Birgit bald einen trinken gehen. Wir haben beide echt was hingekriegt.“
Olympia 2024: Dressur-Team hübscht deutsche Reit-Bilanz in Paris auf
Bislang waren es keine leichten Tage für die Dressurreiter in Paris. Das Video, das zeigte, wie die dreimalige Olympiasiegerin Charlotte Dujardin (39) ein Pferd vor einigen Jahren mit der Gerte misshandelte hatte, sorgte für Entsetzen. Die Mitfavoritin wurde für Olympia in Paris gesperrt. „Wir waren alle im ersten Moment geschockt und dann nur noch wütend, weil das ein wahnsinnig schlechtes Licht auf unseren Sport wirft“, hatte Jessica von Bredow-Werndl gesagt.
Die Doppel-Olympiasiegerin von Tokio und ihr Team betrieben nun wieder positive Werbung für ihren Sport. Eine Harmonie wie zwischen diesen drei Paaren gibt es nur, wenn das Tier sich auch wohl fühlt. Auch die Verbindung der drei Reiter stimmt: „Wir sind nicht nur Teamkollegen, wir sind Freunde“, hatte von Bredow-Werndl schon zuvor gesagt. Gemeinsam wollten sie „für Isabell ihr achtes Olympiagold gewinnen“. Das gelang.
Olympia 2024: Tränen von Wandres bei der Siegerehrung
Später standen die drei Arm in Arm auf dem Podium bei der Siegerehrung, Wandres ließ den Tränen freien Lauf. „Was will man mehr“, sagte er später. „Was will man mehr?“, sagte der überwältigte Debütant. „Eine Mannschaftsmedaille, und dann mit Isabell und Jessica, zwei so besonderen Koryphäen im Sattel.“ In Tokio waren von Bredow-Werndl und Werth noch mit Dorothee Schneider zu Gold geritten. Das Bild von der Siegerehrung, sagte er, bekomme ein besonders schönes Plätzchen.
An diesem Sonntag geht es weiter mit der Einzel-Kür. Die Chancen stehen gut, dass der Goldrausch der Reiter dort weitergeht.