Paris. Als Jugentlicher floh Alaa Maso vor dem Krieg in Syrien. In Paris repräsentiert er zum zweiten Mal das Olympia-Team der Geflüchteten.
Alaa Maso sucht den Kontakt zum Wasser. Vor seinem Start in den Vorlauf über 50 Meter Freistil kniet er sich neben den Startblock, streckt die Arme ins Wasser. Er schöpft zwei Hände voll und benässt sein Gesicht. Jetzt ist er bereit: für die Olympische Bühne in Paris, für die brülllaute La-Defense-Arena.
Wenn Alaa Maso ins Becken springt, dann schwimmt er nie allein. In seinen Gedanken ist auch seine Mutter dabei, die er seit neun Jahren nicht gesehen hat. Und sein Vorbild Michael Phelps, der ihm schon persönlich Ratschläge gab. Und da sind die über 100 Millionen Menschen, die wie er vor Krieg in ihrem Heimatland fliehen, ein neues Leben beginnen mussten.
Alaa Maso repräsentiert sie nach Tokio 2021 nun zum zweiten Mal als Teil des Olympischen Flüchtlingsteams. Unter seiner linken Brust trägt er ein Tattoo, das in römischen Lettern eine 2021 und die japanischen Zeichen für Tokio zeigt, auf seinen rechten Unterarm hat er sich die fünf Ringe stechen lassen. Das Motto der 39 Athleten ist auch das des 24-Jährigen: „One in 100 million.“ 23 Männer und 13 Frauen aus elf verschiedenen Herkunftsländern starten in Paris. Zehn von ihnen leben und trainieren in Deutschland – darunter Alan Maso.
Auftritt im Flüchtlingsteam bei Olympia eine große Ehre
Am Donnerstagmorgen schiebt er die großen Gedanken weit weg. „Ich habe versucht, nur das Schwimmen zu visualisieren“, sagt er hinterher in einfwandfreiem Deutsch. Gar nicht so einfach, wenn zu Vorfreude und Nervosität auch noch die Geräuschkulisse hinzukommt. Seine Zeit von 23,90 Sekunde reicht nicht fürs Halbfinale. In diesem Moment ist er nur enttäuschter Schwimmer, doch er weiß um die Kraft seines Auftritts. Eine „sehr große Ehre“ sei es, Teil des Flüchtlingsteams zu sein. „Wir stehen hier mit 120 Millionen Leuten hinter uns. Sehr viele Geflüchtete schauen auf uns und sehen uns als Symbol. Wir hoffen natürlich, dass wir das beste Bild abgeben, dass alle Kinder, Athleten, aber besonders alle Geflüchtete, die ihre Hoffnung verlieren, uns sehen und vielleicht nochmal ihren Glauben zurückgewinnen.“
Alaa Maso war 15, als seine Eltern ihn und seinen älteren Bruder auf eine gefährliche Reise schickten. Seit seinem elften Lebensjahr herrschte Krieg in seiner Heimat Syrien. Aus dem zerbombten Aleppo sandten sie ihn fort, in der Hoffnung auf Sicherheit. Die Brüder landeten erst in den Niederlanden, dann in Hannover. Als Geflüchteter im Teenager-Alter musste er sich in einem fremden Land, mit einer schweren Sprache, einer unbekannten Kultur zurechtfinden.
Nächstes Ziel von Alaa Maso: der deutsche Pass
Geholfen hat ihm das Schwimmen. Sein Vater, ein Schwimmlehrer, hatte sein Talent erkannt und ihn trainiert. Seine Mutter fuhr ihn zum Training und zu Wettbewerben. In Hannover fing er nun wieder an. Er habe „eine verrückte Verbindung“ zum nassen Element gespürt: „Ich hatte das Gefühl, die Verbindung zu meinen Eltern war im Wasser wieder stark, weil sie immer für mich da waren, als ich als Schwimmer anfing.“
Am Olympiastützpunkt trainiert er täglich mit vielen deutschen Athleten. Bald, das hofft er, hat der den gleichen Pass wie sie: Nach acht Jahren in Deutschland darf er die Staatsbürgerschaft beantragen. Sein erster Stempel soll dann aus der Türkei kommen. Dort will er seine Mutter nach fast zehn Jahren das erste Mal wieder in die Arme schließen. „Sie war meine Heldin, als ich ein Kind war – jetzt bin ich ihr Held.“