Paris. Das lasche Vorgehen der Wada im Fall chinesischer Schwimmer stürzt den Anti-Doping-Kampf in eine Krise, die in Paris sehr präsent ist.
Diese Situation war wohl unausweichlich. Chinas sportliche Streitmacht in Paris ist stark, Medaillen sammeln die Athleten aus dem Reich der Mitte in schneller Folge. Zu den Ersten, die ihrer Heimat große Ehre machten, gehörte die Schwimmerin Zhang Yufei über 100 Meter Schmetterling der Frauen. Mit Platz drei brachte sie die Berlinerin Angelina Köhler als Vierte um eine grandiose olympische Erfahrung.
Das will Köhler zunächst rein sportlich betrachten. Doch so ganz funktioniert das nicht, einen „miesen Beigeschmack“ besitzt die Angelegenheit. Denn Zhang gehört zu den 23 chinesischen Schwimmern, die im Vorfeld der Spiele von Paris für große Aufregung sorgten, sogar für heftige Auseinandersetzungen über die Ansätze im Kampf gegen das Doping, in dem offenbar mit verschiedenen Maßstäben gemessen wird.
23 Schwimmer aus China 2021 mit positiven Proben
Wie Recherchen der ARD und der New York Times enthüllten, wurden die erwähnten chinesischen Schwimmer 2021 positiv auf das verbotenes Herzmittel Trimetazidin getestet, allerdings nie sanktioniert. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hatte die Erklärung von Chinas Anti-Doping-Agentur akzeptiert, wonach eine Untersuchung ergeben hätte, dass eine Kontamination in einer Hotelküche als Grund für die positiven Proben vorlag.
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Elf der betroffenen Schwimmer sind nun auch in Paris dabei. „Es ist ein Wermutstropfen, dass Bronze an eine Sportlerin geht, die positiv getestet, aber nicht sanktioniert wurde“, sagt Christian Hansmann, der Leistungssportdirektor des Deutschen Schwimmverbandes (DSV). Bundestrainer Bernd Berkhahn hatte schon vor den Spielen angemerkt, dass den Athleten durch solche Dinge immer mehr die Orientierung abhandenkomme: „Urteile und Verurteilungen sind alle dermaßen unterschiedlich, die Argumente werden hin und her gedreht, dem kann man nicht mehr folgen.“
Heftiger Zwist zwischen USA, Wada und IOC
Die Glaubwürdigkeit des Systems steht auf dem Spiel, nicht mehr und nicht weniger. Das weiß man auch bei der deutschen Nada. „Wir haben gesehen, dass wir Vertrauen in die Anti-Doping-Arbeit verlieren“, sagt Vorstandsmitglied Eva Bunthoff. Über drei Jahre liegt der Fall zurück, eine Aufklärung gab es noch immer nicht. Vor allem in den USA wurde der Ton diesbezüglich zuletzt sehr scharf. „Wenn die Wada nichts zu verbergen hat, würde sie die Chance begrüßen, Fragen zu beantworten, anstatt wegzulaufen und sich zu verstecken“, so US-Dopingjäger Travis Tygart, der die Wada als Schoßhündchen bezeichnete.
„Wir haben gesehen, dass wir Vertrauen in die Anti-Doping-Arbeit verlieren.“
Ohne weitere Untersuchungen akzeptierte die Wada offenbar die Erklärung aus China. Wada-Präsident Witold Banka betrachtet seine Agentur ob der Vorwürfe aus den USA als Spielball im Machtkampf der großen Nationen: „Dieser Fall wurde als geopolitisches Werkzeug eingesetzt.“ Wobei das Internationale Olympische Komitee sich klar zur Wada positioniert und die Olympiavergabe an Salt Lake City 2034 mit dem Passus versah, dass den USA die Spiele binnen zehn Jahren entzogen werden könnten, sollten die US-Behörden die Wada nicht vollständig respektieren.
Derartige Drohungen dienen der Sache ganz und gar nicht. „Die Anit-Doping-Gemeinschaft ist in einer herausfordernden Situation. Reden hilft nicht, wir müssen arbeiten“, sagt Michael Cepic, der Chef der österreichischen Nada. Man habe viele Fragen bezüglich des Falles, die noch nicht beantwortet wurden, so Bunthoff, die darauf verweist, dass von den 429 deutschen Olympia-Teilnehmern 1779 Proben vorliegen.
Von den über 10.000 Olympia-Athleten wurden in diesem Jahr 90 Prozent mindestens einmal getestet, so Benjamin Cohen von der internationalen Testagentur (ITA), die in Paris für die Tests verantwortlich ist. Athleten aus Sportarten mit hohem Dopingrisiko seien dabei deutlich mehr getestet worden. Über 6000 Proben sollen während Spiele entnommen werden. Bislang gab es zwei Verdachtsfälle bei Olympia.
Harmonisierung des Systems als großes Ziel
Während in Paris eine Gleichbehandlung aller Sportler aus allen Ländern garantiert ist, ist das außerhalb der Spiele keineswegs so. „Wir müssen Lösungen finden, wir brauchen Standards“, sagt Cohen, verweist gleichzeitig aber auf die sehr unterschiedlichen Möglichkeiten der nationalen Agenturen, finanziell wie infrastrukturell. Die Harmonisierung des Systems sei das große Ziel.
Michael Cepic hofft, dass mit dem neuen Wada-Code, der 2025 in Kraft treten soll, eine Besserung einhergeht. Die Wada selbst sah sich unter dem großen öffentlichen Druck nun zumindest genötigt, weitere Dokumente im Fall der Chinesen einzusehen, eventuell gibt es sogar neue Untersuchungen. Dagegen hätte Angelina Köhler nichts. „Ich hoffe, dass da noch was kommt“, sagt sie. Zumindest eine gesicherte Erklärung, dass kein Verstoß gegen die Dopingregeln vorlag.