Essen. 1992 schaffte Dänemark gegen Deutschland eine der größten Sensationen der Fußballgeschichte. Hier erinnert sich Flemming Povlsen an den Coup.

Die Bilder von damals würden wieder hochkommen, berichtet Flemming Povlsen, diese Bilder habe er nie vergessen. Wie John Jensen den Ball in die rechte Ecke hämmert. Wie Kim Vilfort einen Haken schlägt, schießt und der Ball vom rechten Innenpfosten über die Linie trudelt. Wie die Dänen nach dem Schlusspfiff übereinander springen. Wie Povlsen selbst den silbernen Pokal küsst.

1992 war das, damals überrumpelte Dänemark den großen Favoriten Deutschland mit einem 2:0-Erfolg im Europameisterschaftsfinale. Eines der größten Wunder der Fußballgeschichte, denn eigentlich sah der Plan für den Sommer so aus, dass die Dänen zu diesem Zeitpunkt im Urlaub die Beine hochlegen würden. Bis Jugoslawien elf Tage vor dem Turnierbeginn in Schweden aufgrund des Balkankrieges ausgeschlossen wurde. Povlsen und seine Kollegen sprangen ein – und sie siegten.   

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Dass die Bilder dieser Sensation nun wieder hochkommen, liegt daran, dass am Samstag (21 Uhr/ZDF) Deutschland und Dänemark erneut aufeinandertreffen. Diesmal im Achtelfinale in Dortmund. „Es ist jetzt 32 Jahre her“, sagt Povlsen dieser Redaktion, „was damals passiert ist, war etwas Einmaliges. Der Erfolg gehört zu meiner Identität und zur Identität Dänemarks. Und ich hoffe, dass sich die aktuelle Mannschaft davon inspirieren lässt.“

Flemming Povlsen - ein Liebling der BVB-Fans

57 Jahre alt ist Flemming Povlsen mittlerweile, in Dortmund kennt man ihn noch gut. Von 1990 an trug der Stürmer fünf Jahre das schwarz-gelbe Trikot, ackerte sich durch seinen unermüdlichen Einsatz in die Herzen der BVB-Fans. Nur wollten die Kreuzbänder in seinen Knien nicht mitmachen, 1995 musste der Kultspieler seine Karriere als Sportinvalide beenden. Immerhin verabschiedete er sich mit der Deutschen Meisterschaft.

1992: Flemming Povlsen im Trikot Dänemarks.
1992: Flemming Povlsen im Trikot Dänemarks. © firo | firo

„Überall, wo ich hingehe, spreche ich über meine Zeit in Dortmund, die war einmalig“, erzählt Povlsen. „Ich sage den Leuten: ,Wenn ihr Fußball erleben möchtet, dann geht nach Dortmund, da wird Fußball gelebt.‘ Ich hoffe, dass die Stimmung in diesem Stadion auch am Samstag rüberkommt.“ Er selbst wird das Achtelfinale in Dänemark verfolgen, dort arbeitet er als TV-Experte und muss oft erzählen, wie das alles klappen konnte damals, also im Jahr 1992. Als sich eine Geschichte ereignete, die viel zu schön klingt, um wahr zu sein.  

Der DFB-Reporter

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    Dänemarks Trainer Richard Moller Nielsen etwa renovierte gerade seine Küche, da erfuhr er, dass er mit seiner Auswahl plötzlich an der EM teilnehmen muss. Hastig puzzelte er einen Kader zusammen und hatte dabei das Glück, dass 13 Nationalspieler in der heimischen Liga noch den letzten Spieltag vor sich hatten, sich daher im Rhythmus befanden. Kapitän Lars Olsen aber war schon dabei, seinen Urlaub auf Mallorca zu starten. Povlsen tingelte gerade mit dem BVB durch Deutschland, um ein paar Testspiele zu absolvieren.

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    Sie alle reisten zum Turnier in Schweden mit dem Ziel, sich nicht zu blamieren, und galten als Spaßtruppe, die sogar einmal einen „McDonalds“ besuchte. Povlsen betont aber, dass er genauso stolz darauf sei, dass alle „viel voneinander verlangt“ hätten. Die Mentalität sei riesig gewesen. „Und wir hatten auch Qualität.“ Torhüter Peter Schmeichel gehörte zum Kader, damals bei Manchester United. Auch Brian Laudrup, damals beim FC Bayern.

    „Im Finale hat Schmeichel ein Klassespiel gemacht. Wir konnten ein paar Mal für Entlastung sorgen, dann haben wir direkt getroffen“, sagt Povlsen. Deutschland ging als Weltmeister ins Endspiel, in der Startelf standen Matthias Sammer, Jürgen Klinsmann, Jürgen Kohler, auf der Trainerbank saß Berti Votgs. Aber „an dem Tag hatten wir alles Glück der Welt“, meint Povlsen, „das braucht man, um als Kleiner einen Großen zu schlagen“.

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    Das möchte Dänemark nun erneut schaffen. Die aktuelle Mannschaft habe das Problem, so der ehemalige Angreifer, dass sie in der Defensive viel besser als in der Offensive sei. Stürmer Rasmus Höjlund werde zu oft mit dem Rücken zum Tor angespielt. Christian Eriksen könne zwar die Bälle verteilen, aber niemanden ausdribbeln. Es mangele an Geschwindigkeit. „Das war und ist unsere größte Herausforderung, und ich sehe da wenig Hoffnung.“

    Flemming Povlsen schwärmt von Jamal Musiala: „Schaue ihm gerne zu“

    Bei Deutschland hingegen, so Povlsen, gefalle ihm Jamal Musiala. „Wie er den Ball führen kann, da schaue ich ihm gerne zu.“ Und dann gibt noch den deutschen Angreifer Niclas Füllkrug. „Man muss torgefährliche Spieler haben, um Spiele zu gewinnen. Wenn du keine Leute hast, die vorne die Dinger machen, dann wird es schwierig.“ Durch Füllkrug könne Bundestrainer Julian Nagelsmann seiner Offensive mehr Aggressivität verleihen und das System umstellen.

    Klingt alles nicht so, als sei eine Überraschung sehr wahrscheinlich. Aber „ich möchte es gerne glaube. Ich habe es gerne, dass Kleinere gegen Größere gewinnen“, berichtet Flemming Povlsen. Im Achtelfinale gehe die Europameisterschaft erst richtig los. Sein Favorit auf den Titel sei Spanien. Eine Frage noch: Wie lange hat er denn vor 32 Jahren nach dem riesigen Coup gefeiert? „Ach, ich feiere heute noch. Und sollte es am Samstag klappen, dann werden die Dänen wieder feiern. Es ist wichtig, dass man große Siege genießt, ansonsten wird der Alltag zu grau.“