Frankfurt. Im Achtelfinale in Dortmund droht der DFB-Auswahl der Ausfall beider Innenverteidiger. Spielt nun die künftige BVB-Abwehrzentrale?

Nico Schlotterbeck wollte nichts sagen. Mit einer kleinen Tasche in der Hand legte er den Weg durch den rund 50 Meter langen Mediengang im Frankfurter Stadion zurück, vorbei an rund 100 Journalisten, die alle mit ihm reden wollten. Schlotterbeck aber sagte im Vorbeigehen nur einen Satz: „Erst nach dem Finale.“ Dann bog er grinsend um die Ecke und verschwand im Mannschaftsbus der deutschen Nationalmannschaft.

Diese hatte sich eine Stunde zuvor durch das 1:1 (0:1) gegen die Schweiz den Gruppensieg gesichert und in letzter Minute dafür gesorgt, dass die DFB-Auswahl ihr erstes K.-o.-Spiel am Samstag (21 Uhr) in Dortmund bestreitet. Für Schlotterbeck wird es dann ein Abend mit doppelt besonderer Bedeutung. Zum einen ist es für den Innenverteidiger von Borussia Dortmund ein Heimspiel. Zum anderen wird der 24-Jährige in der Startelf stehen. Durch die Sperre von Jonathan Tah, der gegen die Schweiz nach einem Kung-Fu-Zweikampf mit Breel Embolo seine zweite Gelbe Karte des Turniers sah, muss Julian Nagelsmann seine Innenverteidigung umbauen.

DFB-Team: Tah ist gesperrt, Rüdiger droht auszufallen

Am Sonntagabend wollte der Bundestrainer noch nicht verraten, ob Schlotterbeck oder der Stuttgarter Waldemar Anton den Platz von Tah einnehmen wird. Am Montagmittag war diese Aussage aber schon wieder überholt. Da teilte der DFB mit, dass in Person von Antonio Rüdiger wahrscheinlich auch der zweite Stamm-Innenverteidiger im Achtelfinale fehlen wird. Rüdiger hatte sich im Schweiz-Spiel kurz vor Schluss eine Zerrung im Oberschenkel zugezogen. Womöglich sogar beim Jubeln? Nach dem Kopfballtor von Füllkrug zum 1:1 (90.+2) war der Abwehrchef noch zum Torschützen an die Eckfahne gelaufen. Dann lag Rüdiger plötzlich mit Schmerzen am Boden. Allerdings soll der Real-Madrid-Verteidiger schon während des Spiels Probleme mit seinen Muskeln gehabt haben. 

Ob es bis zum Spiel am Samstag reicht, wieder fit zu werden, ist offen. Wahrscheinlicher aber ist angesichts der Diagnose, dass Schlotterbeck und Anton in Dortmund das Abwehrzentrum bilden. Eine kuriose Geschichte. Beide sollen ja in der kommenden Saison beim BVB die Innenverteidigung bilden. Die Dortmunder haben Anton nach dem Abgang von Mats Hummels als neuen Abwehrchef auserkoren und werden die Ausstiegsklausel für den 27-Jährigen ziehen, die bei knapp 20 Millionen Euro liegen soll. Der Noch-Stuttgarter wird etwa 6 Millionen Euro verdienen, hinzu kommen leistungsbezogene Prämien.

DFB-Team: Schlotterbeck im Duell mit Anton vorne

Sollte es Rüdiger doch noch schaffen, wird aller Voraussicht nach Schlotterbeck spielen. „Schlotti und Waldi haben ein Duell. Wir konnten heute nicht beide bringen, aber beide haben es verdient, weil sie es gut machen. Wir haben Vertrauen in den Kader“, sagte Nagelsmann. Dass er Schlotterbeck nach 61 Minuten für Tah gebracht hatte, war aber ein klarer Fingerzeig, dass der U21-Europameister von 2021 die Nase vorne hat. Schlotterbeck ist mit 13 Länderspielen der erfahrenere Spieler, stand zudem zuletzt im Champions-League-Finale auf dem Platz, als er mit dem BVB gegen Real Madrid und Rüdiger mit 0:2 verlor.

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Im März hatte Nagelsmann bei den Länderspielen gegen Frankreich und die Niederlande noch auf Schlotterbeck verzichtet und Anton das erste Mal für Deutschland nominiert. Durch seine starken Leistungen in den K-o.-Spielen der Champions League gegen Atlético Madrid und Paris St. Germain ist Schlotterbeck aber wieder an Anton vorbeigezogen. Der Dortmunder wurde via „Tagesschau“ als erster Spieler in den deutschen EM-Kader berufen. „Nico hat sich stabilisiert und ist generell ein Spieler, der mit seinem Siegeswillen perspektivisch für die Nationalmannschaft wichtig ist“, sagte Nagelsmann bei der Nominierung über den einzigen Linksfuß in der deutschen Innenverteidigung.

Nun wird Schlotterbeck schon am Wochenende wichtig. Eine Geschichte, die an die WM 2014 erinnert. Vor zehn Jahren musste Deutschland im Achtelfinale auf den erkältungsgeschwächten Abwehrchef Hummels verzichten. Per Mertesacker übernahm gegen Algerien die Position und zog mit Deutschland durch ein mühsames 2:1 nach Verlängerung gegen Algerien in das Viertelfinale ein.

Sollte Schlotterbeck zehn Jahre später eine ähnliche Geschichte schreiben, wird er vermutlich auch nach dem Spiel mit den Journalisten sprechen – und vielleicht für ein ähnlich legendäres Interview wie Mertesacker damals im Eistonnen-Verbalduell mit ZDF-Reporter Boris Büchler sorgen. Dann müsste Schlotterbeck nicht bis zum Finale warten, wo er vermutlich ohnehin wieder auf der Bank säße.