Essen. Das 2:0 des DFB in Frankreich gibt Anlass zur Hoffnung, deckt aber Problemfelder für die Zukunft auf. Eines davon: Leroy Sané. Ein Kommentar.
Im gesellschaftlichen Diskurs sind die Grautöne längst verloren gegangen. Daher kann es kaum überraschen, dass im Fußball, wo Schwarz und Weiß zunächst als Farben der deutschen Nationalmannschaft verstanden werden, der Übergang von einem Farbextrem ins andere ebenfalls sehr unmittelbar ist.
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So einen wie Toni Kroos, ist nach dem zugegeben erlösenden wie euphorisierenden 2:0 in Lyon zu lesen, habe nicht einmal der Vize-Weltmeister Frankreich in seinem Team. Bundestrainer Julian Nagelsmann habe mit dem Rückkehrer und den furiosen DFB-Frischlingen viel gewagt und auch viel gewonnen. Und überhaupt: Mit so großartigen Einzelkönnern wie Florian Wirtz und Jamal Musiala kann der EM-Sommer doch nur heiß werden.
DFB-Team wischt mit Sieg in Frankreich Teil der Skepsis beiseite
So schnell schießen nicht die Preußen, allenfalls Rekordtorschütze Wirtz aus Leverkusen. Der Rest der schwarzrotgoldenen Fußballnation ist gut beraten, von Galopp auf Trab herunterzugehen, nicht schon zu rätseln, wer denn ein möglicher Gegner im Halbfinale sein könnte. Natürlich, die Hoffnung auf eine erfolgreiche Heim-EM ist berechtigt, der Triumph über die Equipe Tricolore gibt Selbstvertrauen und wischt Skepsis beiseite. Die Nationalmannschaft hat endlich mal wieder gegen einen großen Gegner Spielkunst und Wettkampfhärte zu gleichen Teilen gezeigt.
Erreicht ist damit aber noch nichts. Wo es Gewinner gibt, sind Verlierer nicht weit: Das Wort Patriotismus wird dieser Tage im Zuge des Ausrüsterwechsels gern bemüht, er endet aber sportlich-individuell beim gesperrten Leroy Sané oder nicht berücksichtigten Leon Goretzka und einer Ansammlung Dortmunder EM-Kandidaten, die nun mit ansehen mussten, wie gut sich die DFB-Auswahl ohne sie präsentieren kann. Ob sie überhaupt in knapp drei Monaten gebraucht werden? Sportlich wie auch charakterlich.
DFB: Aggressivität tut Nagelsmann und den Nationalspielern gut
Vom Schwung des Überraschungssieges mag auch Julian Nagelsmann übermannt gewesen sein, als er dem Anschein nach unmittelbar nach Spielende den Poker um eine Vertragsverlängerung eröffnete. Später ordnete der Bundestrainer tempoentschleunigend neu ein, sein Fokus läge nun allein darauf, „eine maximal erfolgreiche EM zu spielen“. Der 36-Jährige will auf jeden Fall über den Sommer hinaus beschäftigt sein – ob beim Deutschen Fußball-Bund oder bei einem Verein. Er weiß, dass die Wertschätzung für ihn groß ist; seine Position ist gut, um mit dem Verband bei dessen frisch gewonnener finanzieller Sicherheit einen Vertrag auszuhandeln, der seiner Lebens- und Berufsplanung entspricht.
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Man ist diese positive Aggressivität ja gar nicht mehr gewohnt, weder beim Bundestrainer noch bei den Nationalspielern. Das erhöht die Zuversicht, ohne gleich den Boden unter den Füßen zu verlieren.