Hagen. Premiere der Oper „La Cenerentola“ am Theater Hagen: Umjubelte Umsetzung von Rossinis Adaption des Grimm’schen Aschenputtel-Stoffs.
Mit einhelligem, lang anhaltendem Beifall reagierte das Hagener Premieren-Publikum auf eine szenisch gediegene und musikalisch herausragende Neuproduktion von Gioacchino Rossinis Oper „La Cenerentola“.
Neben den ohnehin immensen gesanglichen Anforderungen stellen die psychologisch komplexen Strukturen der meisten Rollen auch das szenische Team vor heikle Aufgaben. Als „Melodramma Giocoso“ vermischen sich in Rossinis eigenwilliger Adaption des Grimm’schen Aschenputtel-Stoffs komische und tragische Elemente, die in Balance gebracht werden müssen. Die Regisseurin Friederike Blum ist sich des Problems bewusst und hütet sich geschickt vor überzogenen Albernheiten und zu dick aufgetragenem moralisierendem Pathos.
Manche Posse wird geritten
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Natürlich darf der von Standesdünkel übermannte Don Magnifico in seiner als Buffo angelegten Partie stärker aufdrehen und manche Posse reißen, was Tigran Martirossian mit seinen geschmeidigen Parlando-Künsten auch spielfreudig und gesanglich ansprechend ausführt. Auch die beiden Schwestern Clorinda und Tisbe tragen ihre zickigen Konkurrenzkämpfe mit handfester Drastik aus. Dass man sich inklusive Aschenbrödel zum turbulenten Höhepunkt nicht, wie es sich zur Weihnachtszeit gehört, mit drei Haselnüssen, sondern drei dicken Melonen bewirft: geschenkt. Auf manche Hampelei der Choristen könnte man allerdings verzichten.
Dass die im Untertitel als „Triumph der Güte“ benannte Oper, in der die vom Aschenputtel zur Prinzessin erhobene Angelina am Ende ihrer Familie großherzig verzeiht, nicht in sentimentaler Unverbindlichkeit versandet, ist vor allem der überragenden Interpretin der Titelrolle zu verdanken. Die junge französische Mezzosopranistin Lamia Beuque berührt ebenso mit mädchenhafter Anmut wie mit burschikosem Selbstbewusstsein. Und auch gesanglich kommt sie mit ihrem angenehm dunkel timbrierten Mezzo, ihrer beeindruckenden Legato-Kultur und ihrer nahezu perfekten Koloratur-Artistik einer idealen Besetzung der schwierigen Partie sehr nah.
Wie so oft in Hagen besticht die Produktion nicht zuletzt durch ihre homogene Geschlossenheit. Kein einziger Ausfall ist zu beklagen. Anton Kuzenok als Märchenprinz Ramiro erweist sich mit seiner hellen, geschmeidigen Stimme als exzellenter lyrischer Tenor. Die Schwestern Ofeliya Pogosyan und Luzia Tietze führen ihre Streitigkeiten gesanglich kontrolliert ohne hysterische Übertreibungen aus. Don-Won Seo verleiht dem weisen Lahrer Alidoro mit seinem voluminösen Bass samtene Würde. Und Oleh Lebedyev überzeugt in der Partie des Dieners Dandini mit gesanglicher Eleganz und viel Spielfreude.
Steffen Müller-Gabriel sorgt am Pult des Philharmonischen Orchesters Hagen für viel italienisches Brio und übt mit flotten Tempi vor allem auf die Ensemble-Sätze erheblichen Druck aus. Da klapperte es in der Premiere zwar noch ab und zu: Insgesamt gibt es an der Hagener Produktion jedoch musikalisch kaum etwas auszusetzen.
Das Glücksrad dreht sich
Für die Inszenierung spricht die pointierte Profilierung der Partien. Allerdings stand mancher Einfall der klaren psychischen Disposition der Figuren ablenkend im Wege. Beginnend mit der von Fernsehshows inspirierten Szenerie von Tassilo Tesche mit einem „Glücksrad“, das dank der Drehbühne zwar munter rotiert, aber eine sinnvolle Verknüpfung von TV-Show und Handlung nicht überzeugend herstellen kann.
Gleichwohl darf sich das Publikum auf eine Rossini-Produktion freuen, die sich gewiss nicht hinter der parallelen Neuinszenierung des Stücks im benachbarten Essen verstecken muss. Der Beifall des Publikums im recht gut gefüllten Theater fiel entsprechend begeistert aus.
Spieldauer: 2 ¾ Std., eine Pause. Die nächsten öffentlichen Aufführungen im Hagener Theater am 20. Dezember, 8. und 23. Januar sowie am 1., 8. und 23. Februar 2025. Infos und Tickets: www.theaterhagen.de.