Hagen/Essen. Nach tragischem Vorfall warnen Experten vor giftigen Pilzen in der Region. Auch diese beliebten Zierpflanzen können zur Gefahr werden.
Im Essener Universitätsklinikum kämpfen Ärzte weiter um das Leben dreier Kinder, die nach dem Verzehr von Knollenblätterpilzen eine Notfalltransplantation benötigen. Nach Klinikangaben sind die Kinder zwischen fünf und 15 Jahre alt, zwei von ihnen sind miteinander verwandt. Sie sollen nicht aus Nordrhein-Westfalen stammen. Sie waren in der Nacht zu Mittwoch mit akutem Leberversagen in die Uni-Klinik eingeliefert worden.
Auch der Vater eines der Kinder sei wegen Leberversagens in Essen in Behandlung, hieß es. Das Universitätsklinikum spricht von „alarmierenden Fällen“, die die Gefahren unterstrichen, „die mit dem Sammeln und Verzehr von Pilzen verbunden sind“.
Geringe Menge Pilz schon schädlich
Um die Leber zu schädigen, reiche schon der Verzehr eines Teils des Knollenblätterpilzes, erklärt Oliver Barkow. Der Sunderner ist Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie und sagt über den Pilz aus der Gattung der Wulstlinge: „Der Knollenblätterpilz ist der gefährlichste Giftpilz in Deutschland, der die meisten tödlichen Pilzvergiftungen auslöst.“
Knollenblätterpilze seien gängige Pilze in Deutschland, so der Experte weiter. Man finde sie von Ende Juni bis in den November hinein. Sie kämen in diesem Jahr allerdings nicht so häufig vor wie beispielsweise Fliegenpilze und Pfifferlinge.
Und wo sprießen sie aus dem Boden? Barkow: „Sie gehen Symbiosen mit Buchen und Eichen ein und wachsen entsprechend in Laubwäldern. Aber sie kommen auch in Nadelwäldern, Parks und Gärten vor, wenn sich in bis zu 30 Metern Umgebung Bäume befinden.“
Pilze nur bei absoluter Fachkenntnis sammeln
Nach Angaben des Pilzsachverständigen aus dem Sauerland kommt der Knollenblätterpilz in einer grünen und in weißen Varianten vor: „Letztere könnten mit Wiesen-Champignons verwechselt werden“, sagt er und ergänzt: „Generell gilt: Laien sollten Pilze mit weißen Lamellen meiden, niemals eine Geschmacksprobe einnehmen. Auch wenn ein Pilz markant riecht – zum Beispiel süßlich wie der Knollenblätterpilz: Bei einer Pilzbestimmung muss man immer die Gesamtheit der Merkmale betrachten, nicht nur ein Merkmal.“
Das Unternehmen Essener Universitätsmedizin, zu dem auch das Universitätsklinikum gehört, warnt in Zusammenhang mit dem tragischen Fall der drei lebensgefährlich erkrankten Kinder „eindringlich vor dem Verzehr selbst gesammelter Pilze“, da diese schnell zu verwechselnde, „gefährliche Arten wie den Knollenblätterpilz enthalten können“.
Nach Auffassung des Pilzsachverständigen Oliver Barkow kommt es zu entsprechenden Unfällen, „weil Menschen ihr Wissen überschätzen oder ihre gesammelten Pilze nicht überprüfen“. Wenn man sich nicht sicher sei, was man im Korb habe, sollte man unbedingt einen Pilzsachverständigen kontaktieren, appelliert er. Auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (www.dgfm-ev.de) fänden sich die Namen und Telefonnummern von Pilzsachverständigen in den jeweiligen Regionen.
Auch begehrte Zierpflanzen sind giftig
„Das Gift beim Knollenblätterpilz wird beim Verzehr symptomlos freigegeben. Man merkt es meist erst, wenn die Leber versagt – und dann ist es meist zu spät“, ergänzt Dr. Michael Schessl. Der 60-Jährige ist an der Universität Siegen als Biologe tätig. Er erklärt, dass es neben den giftigen Pilzen auch sehr giftige Pflanzen in NRW gebe. Er warnt auch vor Apps, die die Bestimmung übernehmen sollen: „Die sind häufig fehleranfällig.“
„Die Eibe ist des Hausmeisters liebster Baum“
Besonders begehrt ist in vielen Gärten die Eibe. Diese ist ein heimischer Nadelbaum mit weichen Nadeln. Schessl zufolge ist die Eibe „des Hausmeisters liebster Baum.“ Das liege daran, dass sich die Eibe hervorragend in Form bringen lasse und auch als Hecke tauge. Sie trägt rote Beeren, deren Fruchtkörper ungiftig sei und auch einen süßen Geschmack habe. Giftig jedoch ist der Kern der Beere. An der Uni Siegen werden Lehrer im Fach Biologie ausgebildet. „Wir weisen unsere Studierenden darauf hin, dass auf den Schulhöfen nach der Eibe Ausschau gehalten wird, damit Kinder nicht versehentlich die Beeren und folglich die Kerne essen“, so Schessl.
Eine weitere begehrte und in hiesigen Gärten zu findende Gift-Pflanze ist der Goldregen, sagt der Dozent. Dieser ist zwar nicht heimisch, aber in vielen Gärtnereien erhältlich. Begehrt ist die Pflanze zum einen wegen ihres Aussehens, aber auch, da sie winterhart ist. Auch hier sind Kinder besonders gefährdet, da das Gift auch in den Samen enthalten ist, die stark an Erbsen erinnern. Bereits geringe Mengen sind giftig.
Laut Jahresbericht 2021 der Informationszentrale gegen Vergiftungen Bonn wurden von insgesamt 43.363 gemeldeten Vergiftungen 524 auf Pilze und 5935 Fälle auf Pflanzen zurückgeführt. Pflanzen und Pilze machten 2021 zusammen 15 Prozent aller gemeldeten Vergiftungen aus, die meisten Vergiftungen fielen auf Medikamente zurück.