Hagen/New York. Ann-Kathrin Niemczyk hat im Kinderchor des Theaters Hagen angefangen. Warum die 24-Jährige zum Vorsingen in New York eingeladen wurde.
Als erste deutsche Sängerin überhaupt ist die junge Sopranistin Ann-Kathrin Niemczyk ins Förderprogramm der Metropolitan Opera in New York aufgenommen worden – ein weiterer Meilenstein auf ihrem beeindruckenden Karriereweg, der im Kinderchor des Theaters Hagen begann. „Ich fliege mit Demut nach New York und dem Bewusstsein, dass das alles nicht selbstverständlich ist, was ich bisher gemacht habe, und es bestärkt mich auch in dem, was ich mache“, sagt die 24-Jährige. Ihre Entwicklung beweist, wie wichtig die Rolle der Stadttheater für die Hochbegabten-Förderung ist.
Ann-Kathrin Niemczyk hat nach dem Studium an der Musikhochschule Detmold bereits bei den Salzburger Festspielen gesungen, sie war zwei Spielzeiten lang im Opernstudio der Oper Zürich. Und die MET gibt sie frei, damit sie in Zürich und Dresden in „Lucia di Lammermoor“ und Mozarts „Zauberflöte“ Partien übernehmen kann. Derzeit wird sie bei den Eutiner Festspielen in der Hauptrolle der Agathe im „Freischütz“ gefeiert.
Mit 24 Jahren allein in den Flieger nach New York, um an der MET vorzusingen? Hatte sie Angst? „Es war mein erster langer Flug. Ich habe mir gesagt: Das Angebot ist da. Und wenn ich wirklich genommen werden will, muss ich das Angebot wahrnehmen und schauen, wie ich allein klarkomme“, erinnert sie sich. Es ist alles gut gegangen. „In New York habe ich mich sehr wohl und sicher gefühlt, und die MET ist wunderschön. Das Vorsingen war sehr herzlich, es war eine schöne Erfahrung.“ Das „Lindemann Young Artist Development Program“ fördert den internationalen Spitzennachwuchs, in dem es Nachwuchssängerinnen und -sängern die Möglichkeit gibt, zusammen mit den weltbesten Sängern, Dirigenten und Pianisten in New York auf der Bühne zu stehen. Bewerben kann man sich für das Stipendium nicht, man muss eingeladen werden.
„Hagen ist die Homebase. Dort sind meine Eltern, meine ganze Familie und viele Freunde.“
Lehrerin als Glücksfall
Hier erweist es sich als Glücksfall, dass die Lehrerin von Ann-Kathrin Niemczyk, die Gesangspädagogin Melanie Maennl, sie von Anfang an zu Wettbewerben geschickt hat. Bereits mit 16 Jahren, noch vor ihrem Abitur an der Hildegardis-Schule in Hagen, wurde sie Finalistin des wichtigen Bundeswettbewerbs Gesang in Berlin, dafür hatte sie sich unter 260 angehenden Opernstars beworben. Im Jahr 2022 hat sie diesen bedeutendsten nationalen Gesangswettbewerb dann gegen große Konkurrenz gewonnen, ebenso wie bereits viele andere internationale Preise und Stipendien. Darunter ist auch der Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerb, der 2023 in Dortmund ausgetragen wurde. Dort hat sie unter insgesamt mehr als 900 internationalen jungen Talenten den ersten Preis und den Publikumspreis errungen. In der Jury saß eine Expertin, die auch die Begabungen für das New Yorker Stipendium vorschlägt. „Sie hat nach dem Dortmunder Wettbewerb über mein Züricher Opernstudio den Kontakt hergestellt.“
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Am 28. Oktober geht der Flieger nach New York, bis dahin muss sie ein bezahlbares Zimmer dort gefunden haben. Ihr Vertrag läuft über ein Jahr, mit der Aussicht auf Verlängerung. Singen wird sie die Priesterin in „Aida“ und die Chloe in „Pique Dame“. Außerdem wird sie die Erste Dame in der „Zauberflöte“ covern, also die Partie mit einstudieren und sich bereit halten, falls die erste Besetzung ausfällt.
Lernen von den Stars
Die junge Sängerin wird die nächsten Jahre aus dem Koffer leben. „Hagen ist die Homebase. Dort sind meine Eltern, meine ganze Familie und viele Freunde. Wir versuchen alle, uns in Hagen zu treffen, weil das in der Mitte liegt. Ich bin froh, dass ich in Hagen mit meinem Elternhaus einen Ort habe, wo ich Zuhause bin.“
Vor den berühmten Kollegen, mit denen sie in New York zusammenarbeiten wird, fürchtet sie sich nicht, im Gegenteil, sie freut sich, von ihnen zu lernen. Bereits bei den Salzburger Festspielen und im Züricher „Ring“ durfte sie mit vielen Stars auf der Bühne stehen. „Ich habe große Ehrfurcht und Respekt, aber diese Künstler sind im Endeffekt sehr nett zu den jungen Kollegen.“
Ann-Kathrin Niemczyk weiß, dass die Musikbranche hart ist: die Konkurrenz ist riesig, die Verträge befristet, sehr viel hängt von Faktoren ab, die ein Sänger nicht beeinflussen kann. Dennoch ist sie überzeugt, die richtige Berufswahl getroffen zu haben und ihrer Lehrerin Melanie Maennl dankbar. „Bei meinem weiteren Weg habe ich Frau Maennl an meiner Seite, die kennt in meinem Stimmfach fast jede Rolle auswendig. Wir schauen zusammen, dass die Rollen passen, fachgerecht und vom Umfang her gut für mich sind. Ich habe wirklich Glück mit meiner Lehrerin; ich arbeite seit September 2014 mit ihr zusammen.“
Doch der Beruf einer Sopranistin oder eines Tenors bringt weitere Einschränkungen mit sich, die kaum in die Lebenskonzepte junger Menschen zu passen scheinen. Alles dreht sich um die Stimme. Vor wichtigen Vorstellungen hält sie Stimmruhe. „Ich bin ins Opernstudio in einem Alter gekommen, wo alle anderen studieren und jedes Wochenende feiern gehen. Es ist schon schwierig, das auszubalancieren zwischen Rücksicht auf die Stimme und sozialem Leben.“
Und doch zählen die Zweifel nicht so viel wie die Freude, mit 24 Jahren schon derart weit gekommen zu sein. „Das Musikgeschäft ist nicht leicht, aber ich sehe es als ein großes Geschenk, dass ich diesen Beruf machen darf und dass mir die Menschen mit Rat und Tat zur Seite stehen, die mich auf meinen Weg geschickt haben.“