Balve. Angesichts der Unzuverlässigkeit der Bahn befürchtet Grünen-Politiker Özdemir Frust und Enttäuschung - insbesondere bei Gästen aus dem Ausland.
- Cem Özdemir (Grüne) wünscht sich mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur
- Für den Zustand der Züge und die Unpünktlichkeit der Bahn schäme er sich zuweilen
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat sich für ein neues Sondervermögen ausgesprochen, mit dem die marode Eisenbahninfrastruktur in den kommenden Jahren verlässlich modernisiert werden solle. Vorbild wäre hierbei das durch Schulden finanzierte Sondervermögen für die Bundeswehr, das in den kommenden Jahren eine verlässliche Modernisierung der Streitkräfte ermöglichen soll.
Cem Özdemir: „Ich schäme mich, wenn ich mit EM-Fans im Zug sitze“
Das Sondervermögen Eisenbahn, so Cem Özdemir bei einem von der Westfalenpost veranstalten Bürgerdialog in dem Sauerland-Dorf Balve-Langenholthausen, solle nicht für den Neubau, sondern ausschließlich für den Erhalt und die Modernisierung des Bestands verwendet werden. „Warum gehen wir nicht hin und sagen: Das machen wir parteiübergreifend? Dann haben die Fach-Unternehmen auch die Sicherheit, dass in den kommenden Jahren verlässlich in die Bahn investiert wird und sie dementsprechend auch Menschen einstellen können.“
Über viele Jahre sei die Verkehrsinfrastruktur kaputt gespart worden. Als Bundesminister, der viel Bahn fahre, müsse er sagen: „Ich schäme mich, wenn ich mit EM-Fans im Zug sitze. Die kommen nach Deutschland, erwarten Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit - und dann können sie froh sein, wenn die Toilette funktioniert und sie da ankommen, wo sie hinwollen.“
+++ Lesen Sie auch: EM 2024: Der Fußball blamiert sich nicht - aber die Bahn? +++
Auch interessant
Auch Berthold Huber, DB-Infrastruktur-Chef, möchte eine bessere Planungssicherheit für die Bahn. Das erklärte er im Interview mit der Funke-Mediengruppe, zu der auch die WESTFALENPOST gehört: „Wichtig ist, dass wir uns auf die Investitionen verlassen können und langfristig Planungssicherheit haben. Das ist auch für die Bauindustrie wichtig, denn nur dann kann sie auch in neue Baumaschinen investieren.“
Ein akutes Finanzierungsproblem sieht er allerdings nicht: „Die Bahn erhält gerade so viele Mittel wie noch nie. Aber irgendwann stößt das Bauen an eine Grenze. Das Schienensystem verträgt nur eine bestimmte Anzahl an Baustellen, sonst droht es zu kollabieren.“
Die Bahn-Infrastruktur sei aber tatsächlich in „einem schlechten, ja bedauernswerten Zustand. Sie ist viel zu alt und zu störanfällig“. In den vergangenen Jahrzehnten sei zu wenig erneuert, zu wenig Geld in die Sanierung gesteckt worden.
+++ Lesen Sie auch: Österreich-Fans singen: „Die Deutsche Bahn ist so im Oasch“ +++
Thema Wolf: Özdemir will Entnahme erleichtern
Beim Thema Wolf zeigte er sich offen für Forderungen aus der Landwirtschaft. „Wir werden mit dem Wolf leben müssen, aber das kann nicht heißen, dass sich Tierhalter aus Flächen zurückziehen müssen. Es gibt bestimmte Bereiche, in denen wir die Entnahme von Wölfen erleichtern müssen.“
Nicht „jeder Hansel“ soll klagen dürfen
Cem Özdemir bekannte sich zudem dazu, dass bei dem Ausbau der Windkraft die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden müssten, auch um den Preis, dass Einspruchsmöglichkeiten und rechtliche Schritte eingeschränkt würden. Dabei gebe es auch durchaus unterschiedliche Ansichten bei den Grünen-Ministern. Etwa bei Umweltministerin Steffi Lemke und Wirtschaftsminister, Robert Habeck. „Das fällt uns nicht immer leicht“, sagte Özdemir in Balve. „Aber wir wissen, dass wir es tun müssen.“ Er selbst bekräftigte, dass Klagemöglichkeiten für nicht direkt Betroffene eingeschränkt werden müssten, um den nötigen Ausbau der Windkraft voranzutreiben : „Das wird dann nicht mehr gehen, dass irgendein Hansel von irgendwo dagegen klagt.“