Schmallenberg. Ein Jahrhundert-Mensch: Franz-Otto Falke, Senior-Chef des weltbekannten Unternehmens, starb mit 101 Jahren. Aus einem bewegten Leben.

Franz-Otto Falke ist tot. Der Senior-Chef des weltbekannten Bekleidungsherstellers starb am 6. Juli im Alter von 101 Jahren zu Hause in Schmallenberg. Zum Schluss eines erfüllten Lebens hatte ihn die Kraft verlassen. Kraft, die er aus seinem persönlichen Umfeld, aus dem unermüdlichen Einsatz für das Familienunternehmen und aus der tiefen Verbundenheit mit seiner Heimat Sauerland schöpfte.

Für Franz-Otto Falke war bei allem Erfolgsstreben das Befinden der Mitmenschen, das Wohl der Beschäftigten und ihrer Angehörigen immer ein persönliches Anliegen. Große Worte, leere Sprüche und machtvolle Gesten sind nie seine Sache gewesen. Franz-Otto Falke war eher der Typ des stillen, kenntnisreichen, nicht in der ersten Redner-Reihe stehenden Denkers und Lenkers. Ein Blick auf große Leistungen früherer Generationen war bei ihm stets verbunden mit dem mahnenden, wachen Blick in Richtung Zukunft. „Wünschen wir uns Zuversicht“, schrieb er in seinem letzten Weihnachtsgruß. Der Glaube an die positive Kraft verantwortlichen Handelns, nicht nur zum eigenen Nutzen, hat ihn nie verlassen.

Das Umfeld im Sauerland hat ihn geprägt

Geboren am 20. Juni 1923, war dem dritten der vier Kinder von Franz Albert Falke-Rohen und Marie Sofie Richter aus Gleidorf nicht in die Wiege gelegt, dass er geschäftlich die große, weite Welt kennenlernen würde. Im Elternhaus am Schmallenberger Kirchplatz prägte das Sauerländer Umfeld die Jugendzeit. Großvater Franz, gelernter Dachdecker, und seine Frau Bernhardine hatten es geschafft, mit der Herstellung von Strümpfen den Lebensunterhalt für ihre acht Kinder zu sichern.

Franz Otto Falke im Jahr 2013 in seinem Büro: Auch nach der Übergabe der Geschäfte an seinen Sohn und seinen Neffen im Jahr 1990 blieb er, solange die Sehkraft noch reichte, an vielen Tagen im Büro mitdenkend präsent.

„Wir hatten ja Abitur und sonst nichts. Wie Schwämme saugten wir alles auf, was wir über die veränderte Welt erfahren konnten. “

Franz-Otto Falke
1923 - 2024

Der Bau von Flugmodellen mit seinen Freunden auf dem Dachboden der benachbarten Volksschule mag zum großen technischen Interesse von Franz-Otto Falke beigetragen haben, das sich Jahre später beim Besuch des Textil-Technikums in Reutlingen als hilfreich erwiesen hat. Eine in Russland erlittene Verwundung des vorgeschobenen Beobachters im Schützengraben brachte den jungen Soldaten zurück in die Heimat, wo er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit Freunden in der Schmallenberger Jagdhütte des Vaters Pläne schmiedete für das neue Leben und für mögliche Weichenstellungen in Sachen Firmenzukunft. „Wir hatten ja Abitur und sonst nichts. Wie Schwämme saugten wir alles auf, was wir über die veränderte Welt erfahren konnten. Der zu erwartende Wandel vom Verteiler- zum Verbrauchermarkt, die Umstellung von Massenware auf Qualitätsprodukte – bald war uns klar, dass für den Geschäftserfolg ein Falke-Logo, eigene Marken und starke Werbebotschaften geschaffen werden müssen.“

Die beiden Falke-Brüder heiraten zwei Schwestern

Verpflegung mit Bratkartoffeln und anderen Köstlichkeiten brachte Annemie Ermecke zur Hütte, Tochter des Sparkassenleiters. Dass Franz-Otto sie 1950 heiratete und sein älterer Bruder Paul 1951 deren Schwester Gisela, gehört zu den Besonderheiten dieser Sauerländer Unternehmer-Familie. Ebenso außergewöhnlich ist es, dass sich die Brüder als gleichberechtigte Geschäftsführer über Jahrzehnte in guter Zweitracht Schreibtisch an Schreibtisch gegenüber saßen.

Nach dem Tod ihres Vaters hatten sie 1951 zu gleichen Teilen in dritter Generation die Unternehmensleitung übernommen. Paul wählte die Schwerpunkte Spinnerei und Finanzen. Wie zuvor sein Vater engagierte er sich neben der Arbeit lange als ehrenamtlicher Bürgermeister. Franz-Otto kümmerte sich mit viel Weitsicht um den Vertrieb und um die Weiterentwicklung von Produkten.

Der Ausbau des Oberbekleidungsgeschäfts gehörte wie die Gründung von Produktionsstätten in Europa und darüber hinaus zu den Schwerpunkten. „Im Vordergrund stand dabei immer die Sicherung und Stärkung des Heimatstandorts im Sauerland“, darauf legte Franz-Otto Falke Wert.

Star-Fotograf Helmut Newton setzt Strümpfe ins beste Licht

Eine Portion Stolz (in Maßen, wie es seine Art war) konnte er beim Blick auf den Aufstieg von Falke an die Spitze der Branche nicht verbergen. Berühmte Fotografen wie Helmut Newton und F. C. Gundlach setzten Strümpfe und mehr ins beste Licht, Models der internationalen Top-Klasse posierten für Mode made in Schmallenberg. Als Lizenzpartner von Designern wie Dior und Armani profitierte das Haus von kreativen Impulsen. Für die innovative Einführung der neuen Falke-Shops wurden die Brüder Paul und Franz-Otto 1976 als erste Textil-Leute mit dem Deutschen Marketingpreis ausgezeichnet.

In geselliger Runde auf dem Aberg streute der Altchef gerne mal auf Suerländer Platt alte Spruch-Weisheiten ein. Die Weitergabe des Leitungsstabes an die vierte Generation im Jahr 1990 (nach dem Tod seines Bruders Paul sen.) war für Franz-Otto Falke kein Abschied vom Unternehmensleben. Seitdem stehen sein ältester Sohn Franz-Peter und dessen Cousin Paul als Geschäftsführende Gesellschafter der Falke KGaA vor. Und der Senior blieb, solange die Sehkraft noch reichte, an vielen Tagen im Büro mitdenkend präsent.

Bodenständig: Franz-Otto Falke war sogar Schützenkönig

Der „bodenständige Kosmopolit“, wie ihn Franz-Peter und seine Brüder Dieter, Thomas und Andreas ebenso respektvoll wie liebevoll beschrieben, ist immer neugierig und wissbegierig geblieben. Rastlos hatte er das Firmenwohl im Blick. Zuletzt ließ er sich die Zeitung vorlesen, nahm regen Anteil am Heimatgeschehen. 1966 war er mit seiner Königin Annemie Schmallenberger Schützenkönig – viel mehr geht nicht im Sauerland. Als Mitgründer der Unternehmervereinigung „Sauerland Initiativ“ setzte er sich für gute Zukunftschancen der Wirtschaft in Südwestfalen ein.

Persönliche Uneitelkeit und Bescheidenheit gehörten zu den Wesenszügen des belesenen Freundes und Förderers von Kunst und Kultur. Mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes ging er zum Beispiel nicht an die Öffentlichkeit. Wie die Falkes sich weiter entwickeln? Mit Stolz verfolgte der Chronist der Firmen- und Familiengeschichte den guten Weg der Enkel, mit Freude sah er die ersten Fußspuren der Urenkel.

Franz Otto Falke 2013 in seinem Büro in Schmallenberg: Persönliche Uneitelkeit und Bescheidenheit gehörten zu seinen Wesenszügen. 

„Wer denkt, früher war alles besser, hat die Zukunft schon verloren.“

Franz-Otto Falke
1923-2024

Fragte man Franz-Otto Falke, warum das Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten erfolgreicher war als Mitbewerber, lief die Antwort auf von ihm so gesehene Kerntugenden hinaus: Auch im Aufstieg auf dem Boden bleiben! Die Nähe zum Markt pflegen! Über den Tellerrand gucken! Und: „Zur guten Führung gehört auch die Bereitschaft zu dienen!“

Gemeinwohl war für Franz-Otto Falke keine leere Worthülse, sondern gelebter Vorsatz.: „Die Mitarbeiter und ihre Familien leben mit uns, verlassen sich auf uns.“ Und auch dieser Satz sagt viel über seine Einstellung. „Wer denkt, früher war alles besser, hat die Zukunft schon verloren. Jede Generation hat andere Herausforderungen zu bewältigen!“ Rückläufiger stationärer Handel, gestiegene Bedeutung des Online-Verkaufs, technologische Umwälzungen, weltweiter Konkurrenzkampf, Corona-Krise, Ukraine-Krieg: Franz-Otto Falke machte sich über ganz vieles Gedanken. Vor allem über die Zukunft.

Bodo Zapp war von 1997 bis 2011 Chefredakteur der WESTFALENPOST.