„Die Abstimmung der Mitarbeiter ist hervorragend gelaufen. Wir haben 100 Prozent Zustimmung zu dem vorgelegten Konzept erhalten. Auch der Gläubigerausschuss hat das Angebot der Investorengruppe mit großer Mehrheit angenommen“, sagte Jens Lieser der WESTFALENPOST. „Ich freue mich insbesondere für die Mitarbeiter, dass der Betrieb erhalten bleibt und eine Lösung gefunden worden ist, von der ich annehme, dass sie den Geschäftsbetrieb mittel- und langfristig sichert. Für die Mitarbeiter wie Kunden und Lieferanten ist es ein guter Tag“, so der Generalhandlungsbevollmächtigte weiter.
Auch der Betriebsratsvorsitzende Axel Ballez zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. Die hohe Zustimmung zu dem Konzept sei ein wertvolles Zeichen an die Investoren, dass die Mitarbeiter mit den Unternehmern weitermachen und den Weg in die Zukunft gestalten wollten. „Wir“, sagte Ballez der WESTFALENPOST, „sind sehr sehr zufrieden.“
„Ein Insolvenzverfahren kann immer nur eine Initialzündung für die Sanierung eines Unternehmens sein. Jetzt kommt das Feintuning.“
Investoren gehen in Vorkasse
Teil des nun beschlossenen Konzepts ist wie berichtet, dass die Ritzenhoff AG aufgeteilt und auf drei neue Gesellschaften übertragen wird, die zunächst das Kürzel „RZT“ tragen, das für die neuen Eigentümer Ritzenhoff, Zeppenfeld und Robert Tönnies steht. Die Mitarbeiter der Verwaltung wechseln in die RZT Group, die Mitarbeiter aus der Produktion, dem Vertrieb, der Logistik und dem Marketing in die RZT Glass. Die in der Veredlung tätigen Mitarbeiter arbeiten zukünftig in der RZT Decoration. Hinzu kommt eine bereits bestehende, vierte Gesellschaft. Nach dem Vollzug der Transaktion samt Übergang der Marken und Namensrechte sei eine Umbenennung der RZT-Erwerbsgesellschaften in „Ritzenhoff“ geplant, erklärte das Unternehmen am Mittwoch.
Wäre es nicht zur Annahme des Investorenangebots gekommen, hätte Ritzenhoff das Aus zum 1. April gedroht. Nun geht es weiter. Der Kaufvertrag dürfe allerdings noch nicht vollzogen werden, dies geschehe erst, wenn die kartellrechtliche Zustimmung vorliege. Diese erwarte man für Anfang Mai, sagte Lieser. Auch das Okay der Gläubigerversammlung, in der anders als im kleineren Gläubigerausschuss alle Gläubiger vertreten sind, steht noch aus. Diese Abstimmung ist für den 23. April terminiert. „Nachdem der Gläubigerausschuss mit großer Mehrheit zugestimmt hat, ist nicht zu erwarten, dass die Gläubigerversammlung ein anderes Votum fasst“, sagte Lieser.
Bis Ende April, Anfang Mai laufe nun eine „Interimszeit“. In dieser würden er, sein Kanzlei-Partner Dr. Martin Kaltwasser und Ritzenhoff-Vorstand Carsten Schumacher den Betrieb weiterhin führen. Das erforderliche Geld für die Fortführung des Betriebs, für Gehälter, Löhne, Investitionen in die Modernisierung der Produktion, etc., werde von der Investorengruppe zur Verfügung gestellt, als Massedarlehen. „Die Investoren gehen sozusagen in Vorkasse“, erklärte Lieser, der in dem im Januar eröffneten Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung als Generalhandlungsbevollmächtigter zuständig ist.
Der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht mahnte bei aller Freude über die Annahme des Fortführungskonzeptes und trotz seiner zuversichtlichen Prognose für Ritzenhoff aber auch Geduld an. Es werde zwei Jahre dauern, bis die neuen Maßnahmen griffen, bis die neuen Maschinen installiert seien, bis die Investitionen, die sich insgesamt auf 20 bis 25 Millionen Euro belaufen sollen, um Ritzenhoff wieder wettbewerbsfähig zu machen, wirkten. „Ein Insolvenzverfahren kann immer nur eine Initialzündung für die Sanierung eines Unternehmens sein. Jetzt kommt das Feintuning“, so Lieser. Vorstand Carsten Schumacher, der ein Vertrauter des Minderheitsgesellschafters Robert Tönnies ist und die neuen Ritzenhoff-Gesellschaften künftig als Geschäftsführer leiten soll, erwartet für die kommenden neun Monate einen „Millionen-Verlust“. Die Investorengruppe wisse dies jedoch. „Wir haben es mit einem schwierigen Marktumfeld zu tun, das von Überkapazitäten und Preisdruck gekennzeichnet ist. Mit einer schnellen Erholung des Marktes ist nicht zu rechnen“, sagte Schumacher.
Zudem betonten Lieser und Schumacher, dass nach dem bereits beschlossenen Abbau von 89 Stellen die personelle Restrukturierung abgeschlossen sei. „Wir haben die Personalkosten um 25 Prozent gesenkt. Weitere, betriebsbedingte Kündigungen sind nicht geplant“, sagte Carsten Schumacher. Er versicherte zudem, dass es „keine Planungen“ gebe, „Kapazitäten ins Ausland oder im Inland zu verlagern. Unternehmensstandort ist Marsberg, dabei bleibt es“.
„Am Ende sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Wir krempeln nun die Ärmel hoch und orientieren uns Richtung Zukunft.“
Schwerpunkt des Stellenabbaus auf der Produktion
Die gekündigten Mitarbeiter – der Schwerpunkt des Stellenabbaus lag laut Management auf der Produktion (Schumacher: „Das ist bei einem produzierenden Betrieb nun mal so.“) – können in eine Transfergesellschaft wechseln. In dieser werde Ritzenhoff das Arbeitslosengeld auf 80 Prozent des bisherigen Gehalts aufstocken, erklärte der Bevollmächtigte Lieser, der von einem „guten und fairen Angebot“ sprach und ergänzte: „Die Mitarbeiter können bis zu sechs Monate in der Transfergesellschaft bleiben. Da der Arbeitsmarkt trotz der Rezession Chancen bietet, dürften die wenigsten Mitarbeiter nach der Zeit in der Transfergesellschaft in die Arbeitslosigkeit fallen.“
Auf die rund 340 Mitarbeiter, die im umformierten Unternehmen verbleiben, kommen gewisse finanzielle Einbußen zu. So fällt etwa in diesem Jahr das Weihnachtsgeld weg. „Es war schon klar, dass die Belegschaft etwas abgeben muss“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Axel Ballez: „Wir hatten aber die Möglichkeit, mit den Arbeitgebern zu besprechen, was uns wichtig ist, und konnten so auch eine Lohnerhöhung von zwei Prozent erreichen, die es eigentlich schon letztes Jahr geben sollte.“ Auch einen Inflationsausgleich habe man aushandeln können.
Ballez hofft, dass die gesamte Belegschaft nach kräftezehrenden Wochen nun zur Ruhe kommt. Man habe versucht, das bestmögliche Paket für die Mitarbeiter zu schnüren. Der Stellenabbau tue weh, doch „am Ende sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Wir krempeln nun die Ärmel hoch und orientieren uns Richtung Zukunft“, so der Betriebsratsvorsitzende.
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