Hagen. Großer Ansturm auf Booster-Impfung: Warum ein Hausarzt aus Hagen die Wiedereröffnung der Impfzentren fordert – und wie wie die Kreise reagieren.

Kann man von einem Ansturm sprechen? „Ja, es gibt sogar einen massiven Ansturm auf die Booster-Impfungen“, sagt Dr. Christoph Henrichs, Allgemeinmediziner aus Hagen. Mit zwei weiteren Ärzten betreibt er eine Gemeinschaftspraxis. Und die Auffrischungsimpfungen, die ein halbes Jahr nach der zweiten Spritze wieder den vollen Schutz gegen Corona bringen sollen, fordern die Mediziner und ihr Praxisteam extrem.

„Bei etwa 80 Prozent der Anrufe geht es um die Booster-Impfungen“, sagt Henrichs. Die Praxis bietet montags, dienstags und donnerstags in der Mittagszeit extra Impfsprechstunden an. Den Samstag hat man nun dazu genommen, um die Nachfrage befriedigen zu können. „Und abends kommen noch Hausbesuche für alle die hinzu, die nicht in die Praxis kommen können.“

Impfungen nicht zu früh auffrischen

Dr. Christoph Henrichs, Hausarzt in Hagen.
Dr. Christoph Henrichs, Hausarzt in Hagen. © Unbekannt | privat

Die Politik habe die Hoffnung geweckt, dass jetzt schon jeder eine Booster-Impfung bekommen solle oder müsse. „Das darf nicht zur Panikmache werden. Der Impfschutz hört nach sechs Monaten ja nicht sofort auf, er wird langsam schwächer“, sagt Henrichs. „Und die Booster-Wirkung ist am größten, wenn man die sechs Monate nach der vollständigen Impfung abwartet und nicht zu früh auffrischt.“

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Für den Hagener Mediziner haben daher die Alten und die Kranken, die auch zu Jahresbeginn zuerst geimpft worden sind, Vorrang. Sie werden auch offensiv in der Praxis angesprochen. Aber auch die Jüngeren werden nicht abgewiesen, bekommen möglichst schnell Termine. Er und seine Kolleginnen und Kollegen sind froh über jeden, der sich impfen lässt. Und auch genug Impfstoffe sei generell vorhanden. Aber Christoph Henrichs, der seit fast drei Jahrzehnten Hausarzt in Hagen ist, sagt auch klar: „Die Impfzentren müssen wieder aufgemacht werden, sonst ist der große Andrang nicht neben dem normalen Praxisbetrieb zu schaffen.“

Erst 4,7 Prozent der Bevölkerung haben Booster-Impfung

Wie groß der Bedarf noch sein wird, macht eine Zahl deutlich: In Nordrhein-Westfalen sind bislang rund 74 Prozent der Bevölkerung einmal geimpft. Potenziell werden diese in den nächsten Wochen und Monaten auch eine Booster-Impfung haben wollen. Aber erst bei 4,7 Prozent ist dies geschehen. Und etwa in Hagen sind rund 89.000 Erstimpfungen im Impfzentrum erfolgt, „nur“ 43.203 in Arztpraxen.

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Trotzdem: Die Forderung von Christoph Henrichs nach einer Reaktivierung der Impfzentren ist in der Ärzteschaft keineswegs unumstritten. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) sieht die Impfungen in allererster Linie als Aufgabe der Ärzte in ihren Praxen. Die Impfzentren hätten gut funktioniert, seien aber zuletzt bei geringer Auslastung und gleichzeitig hohen Kosten nicht mehr zu rechtfertigen gewesen, so KVWL-Sprecherin Vanessa Pudlo. Dass die Kassenärzte auch aus finanziellen Gründen ein Interesse hätten, die Impfungen durchzuführen, weist Pudlo zurück. „Die Ärztinnen und Ärzte erhalten 40 Euro für Erst- und Abschlussimpfung – inklusive Aufklärung. Von einem ‘Geschäft’ kann keine Rede sein.“

So reagieren die Städte und Kreise

Ob und inwiefern ergänzend dazu feste Impfstellen sinnvoll sein könnten, könne regional sehr unterschiedlich sein. Viele Kreise und Städte hätten ja nach der Schließung der Impfzentren die Möglichkeit genutzt, mobile Impfaktionen anzubieten. „Und das hat die KVWL unterstützt, indem sie Ärztinnen und Ärzte vermittelt hat“, so Pudlo. Auch die NRW-Landesregierung bleibt bei ihrer Haltung. Es werde kein generelles Wiehochfahren der Impfzentren geben, stattdessen sollten die Kreise und Städte ortsnah und zeitlich flexibel Zusatz-Angebote schaffen. Die Kreise reagieren unterschiedlich:

  • Märkischer Kreis: „Eine Reaktivierung der Impfzentren würde eine hohe logistische und kostenintensive Herausforderung bedeuten“, sagt Sprecher Alexander Bange: Das erfolgreiche Angebot mit dem Impfbus des Märkischen Kreises werde aber wohl ausgeweitet 8700 Impfungen seien so schon erfolgt.
  • Hagen: Hier stünde die Stadthalle für das Impfzentrum, das eines der erfolgreichsten in NRW war, gar nicht mehr zur Verfügung. Dort finden wieder Veranstaltungen statt. Stattdessen werden an sechs Stellen dezentral Impfmöglichkeiten geboten. Mit Erfolg, so ein Sprecher. Zudem werde auf dem Weihnachtsmarkt ein Impfzelt stehen.
  • Ennepe-Ruhr-Kreis: Ganz anders die Strategie im EN-Kreis. Hier erlebt das Impfzentrum in Ennepetal in einem alten Aldi-Markt eine Wiederauferstehung: Ab Mittwoch sind dort zwei noch existierende Impfstraßen wieder im Einsatz – und zwar täglich von 12 bis 19 Uhr, wochenends von 9 bis 16 Uhr. 300 Impfungen pro Tag sind möglich – mit und ohne Termin.
  • Kreis Olpe: Ähnlich geht Olpe vor. Am 21. November wird in Attendorn das Impfzentrum reaktiviert und soll freitags bis sonntags wieder öffnen. Zudem sei jeden Mittwoch und Donnerstag der Impfbus in allen Kreis-Kommunen unterwegs.
  • Hochsauerlandkreis: Im HSK steht – ähnlich wie in Hagen – die Stadthalle Olsberg nicht mehr als Impfzentrum bereit. Aber ohnehin setzt der Kreis auf Impfangebote in den Städten an stark frequentierten Orten. „Feste stationäre Impfstellen sind in der Planung“, so Sprecher Martin Reuther. Dass die funktionierten, zeige Schmallenberg am Donnerstag: 299 Impfungen, davon 200 Booster, seien erfolgt.