Hagen. Unter Menstruationsbeschwerden leiden viele Frauen, das Thema war dennoch ein Tabu. Wird das jetzt anders? Zwei betroffene Frauen berichten.
Den Schmerz spürt Maxi Rogowicz aus Hagen bereits, wenn sie morgens die Augen öffnet. Arbeiten unter Schmerzmitteln, um den Tag durchzustehen, gehört für die 25-Jährige monatlich zum Alltag. Denn tagelang plagen sie extreme Rücken- und Unterleibsschmerzen sowie Krämpfe und enorm starke Kopfschmerzen, wenn sie ihre Periode hat. Bei Nadine Böer aus Finnentrop sind die Beschwerden so extrem, dass sie schon ohnmächtig wurde. Trotz Schmerzen zu arbeiten war solch eine Qual, dass die 36-Jährige sogar den Job wechselte.
Dass die Periode bei Frauen mit erheblichen körperlichen Beschwerden einhergehen kann, ist nicht neu, war aber in der Öffentlichkeit lange ein Tabuthema. Jetzt wird darüber diskutiert. Nicht nur, weil die chinesische Tennisspielerin Zheng Qinwen bei den French Open nach einer Niederlage klar sagte, dass sie wegen Menstruationsbeschwerden nicht ihre beste Leistung haben zeigen können – für die Sportwelt eine sehr seltene Aussage. Sondern noch mehr, weil in Spanien über einen Gesetzentwurf diskutiert wird, der Frauen bei Periodenschmerzen eine Lohnfortzahlung garantieren soll.
Schmerzmittel, um den Arbeitstag zu überstehen
Auch interessant
Drei Tage pro Monat sollen sie ärztlich attestiert frei nehmen – und dennoch vom ersten Tag an Lohnfortzahlung erhalten. In Spanien gibt es sie eigentlich erst ab dem vierten Tag bei Arbeitsunfähigkeit. In Deutschland sieht die Rechtslage zwar anders aus, es wird ab dem ersten Tag gezahlt. Dennoch rückt der spanische Gesetzentwurf das Thema in den Fokus. Wie in der Debatte in Spanien auch, befürchten Kritiker, dass es zu einer Stigmatisierung kommen könnte und Frauen dadurch weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Befürworter sehen in dem Vorstoß die Chance, dass die Periode der Frau nicht länger ein „Tabu-Thema“ bleibt.
So wie Maxi Rogowicz: „Letztendlich muss ich zu stärkeren Schmerzmitteln greifen, um die Arbeitstage durchzustehen.“ Ob sie selbst solche speziellen Tage in Anspruch nehmen würde? Sie bleibt skeptisch. Da ihr Arbeitgeber ein Mann sei, „hätte ich Angst vor der Reaktion oder einer möglichen Diskussion und würde die Schmerzen dann lieber aushalten, so wie ich es bisher auch getan habe.“ Denn gerade bei Männern sei sie schon häufig auf Unverständnis getroffen. Mit Sätzen wie: „Das kann doch nicht so schlimm sein.“
Gynäkologin rät: Die Therapiemöglichkeiten nutzen
Cathrin Spiekermann ist Gynäkologin in Menden. Selbstverständlich gebe es Frauen, die enorme Schmerzen während der Periode hätten. Sie befürwortet allerdings keine spezielle gesetzliche Regelung, wirbt stattdessen dafür, dass Regelbeschwerden nicht hingenommen, sondern Therapiemöglichkeiten genutzt werden. „Man kann etwas dagegen machen.“ Häufig kommen Frauen mit starken Regelschmerzen zu Cathrin Spiekermann, bei denen schließlich Endometriose diagnostiziert wird. Bei dieser Unterleibserkrankung treten Zysten und Entzündungen auf, die sich an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell ansiedeln. Starke Blutungen, Migräne, Übelkeit sowie krampfartige Unterleibsschmerzen während der Periode sind die Folge.
+++ Lesen Sie auch: Endometriose: „Es ist gut, dass Frauen jetzt laut werden“ +++
Auch Myome, Wucherungen, die in der Muskelschicht der Gebärmutter auftreten, führen bei Frauen neben Regelschmerzen zu so starkem Blutverlust, dass sie stündlich Binden oder Tampons wechseln müssen, erklärt Spiekermann. „Dann ist man natürlich nicht arbeitsfähig“, sagt die Gynäkologin, die aber auch in ihrer Praxis die Erfahrung macht, dass enorm selten Patientinnen zu ihr kommen, um sich aufgrund von Regelschmerzen krankschreiben lassen.
Gegen Endometriose gebe es zum Beispiel eine sogenannte Langzeitpille. „Klar ist so etwas immer Fluch und Segen zugleich, aber es ist nun mal eine therapeutische Option“, so Cathrin Spiekermann. Für Frauen, die starke Schmerzen haben, jedoch nicht unter einer klar diagnostizierten Erkrankung leiden, gebe es eine Bandbreite von hormonfreien Pillen über Mini-Pillen bis hin zu hoch dosierten. Und bei Frauen, die über 40 Jahre alt seien und deren Kinderplanung abgeschlossen sei, bestehe die Möglichkeit, die Schleimhäute zu veröden. „Natürlich ist das dann ein operativer Eingriff, aber danach hat man dann Ruhe“, so die Fachärztin.
Wegen Schmerzen sogar den Job gewechselt
Bei Nadine Böer (36) aus Finnentrop-Rönkhausen im Kreis Olpe hat selbst ein operativer Eingriff bislang noch nicht zu einem durchschlagenden Erfolg geführt. Bei ihr wurde Endometriose festgestellt. Allerdings erst nach 20 Jahren. Seit dem 16. Lebensjahr leidet Nadine Böer einmal im Monat an so starken Schmerzen, dass sie sogar ihren Beruf als Krankenschwester mit den ständigen Wechselschichten irgendwann nicht mehr ausüben konnte. Sie wechselte die Abteilung, arbeitet nun in der Verwaltung, hat sich gegen eine hormonelle, sondern für eine alternative Therapie entschieden. Schmerzen hat sie weiter. „Ich gehe meistens trotzdem zur Arbeit, weil ich mich irgendwie schlecht fühle, mich krank zu melden“, sagt Nadine Böer. „Ins Büro kann ich mir dann meine Wärmflasche und mein Therapie-Gerät mitnehmen.“
>> INFO: Krankmeldung
- Eine Krankmeldung muss in vielen spanischen Betrieben bereits ab dem ersten Tag vorgelegt werden. Eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es allerdings erst ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Angestellte erhalten vom vierten bis 20. Tag 60 Prozent der Bemessungsgrundlage.
- Dafür wird meist der Nettogrundlohn ohne Zuschläge des Vormonats herangezogen. In Deutschland hingegen gibt es bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine Lohnfortzahlung.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt’s hier: Sauer- und Siegerland