Warstein.. „Ich werde zur Zeit vermutlich von niemanden um mein Amt beneidet“ – Der, der das sagt im Kreishaus in Soest, ist Warsteins Bürgermeister Manfred Gödde. Bedrückt wirkt er, sein Statement im Sitzungssaal ist kurz; was er seinen Bürgern zu sagen hat, ist nicht das, was er gehofft hatte. Die Gefahr der Legionellen-Erkrankung bleibt bestehen, aber immerhin: Es gibt nun eindeutige Ergebnisse über die Infektionsquelle.
Mit den für diesen Tag angekündigten Laborergebnissen aus einer verdächtigen Rückkühlanlage war die Hoffnung auf Entwarnung verbunden – im Krisenstab in Soest, aber viel mehr noch hier, im „kleinen“ Warstein, in der Stadt, die seit fast drei Wochen Schauplatz einer der bisher größten Legionellen-Ausbrüche Europas ist.
Landrätin: "Damit haben wir nicht gerechnet"
Die Ergebnisse sind da, doch die Entwarnung nicht: „Dies ist nicht der Zeitpunkt für eine Entwarnung“, bringt Landrätin Eva Irrgang die Lage direkt zu Beginn der auf großes überregionales Medieninteresse stoßenden Pressekonferenz auf den Punkt, „mit dem, was wir jetzt wissen, haben wir nicht gerechnet.“
Seit Dienstagabend wissen Krisenstab und Stadt: Eine Quelle der krankmachenden Legionellen ist identifiziert. Es handelt sich um das Rückkühlwerk der Esser-Werke, eines Rohrherstellers im Industriegebiet zwischen Warstein und Belecke.
Indizien dafür waren bereits seit dem 27. August vorhanden. Damals hatte Esser bestätigt, dass eine erhöhte Legionellen-Anzahl in ihrem Kühlwasser nachgewiesen worden sei. Die Probe hatte der Bonner Legionellen-Experte Professor Martin Exner am Mittwoch, 21. August, genommen. Nun steht fest: Im Wasser der Kühlanlage befanden sich eben jene Legionellen, die auch bei Erkrankten nachgewiesen werden konnten.
Doch wo kamen die Legionellen her? Das Wasser für die Kühlanlage zieht die Firma aus dem angrenzenden Fluss Wäster. Ein Fluss, mehr ein Flüsschen, an dem auch die Kläranlage Warstein liegt. Diese war öffentlich erstmals Anfang der Woche als mögliche Quelle der Infektionen thematisiert worden, nachdem mehrfach Hinweise auf das so genannte „Belebungsbecken“ der Anlage beim Kreis eingangen waren.
LegionellenKausalkette zwischen Kläranlage, Wäster-Wasser und Kühlanlage
Eine Theorie, die nun zur Gewissheit wird: „Das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit hat in Proben eine sehr hohe Konzentration von Legionellen in diesem Belebungsbecken festgestellt“, erklärte Kreisdirektor Dirk Lönnecke, „dadurch ergibt sich nun eine mögliche Kausalkette zwischen der Kläranlage, dem Wasser der Wäster und der Kühlanlage der Firma Esser.“
Kläranlagen bislang noch nie die Ursache einer Legionellen-Infektion
Das vorliegende Ergebnis kann bedeuten: Die hohe Anzahl Legionellen, die im Belebungsbecken der Kläranlage nachgewiesen wurden, gelangten von der Kläranlage in die Wäster und von dort in das Kühlwasser der Rückkühlanlage der Firma. Eine Situation, die niemand auf dem Zettel hatte und die den Experten Exner ins Grübeln bringt: „Kläranlagen sind bisher als eigenständige Infektionsquelle nicht vorgekommen, nirgendwo ist das in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden.“
Deswegen und weil die Ressourcen gebündelt werden mussten, suchte Exner zwar bereits am 22. August die Kläranlage auf, schaute dort aber in erster Linie, ob sich vor Ort die bereits als gefährlich eingestuften Rückkühlwerke befinden. Eine Probe des fraglichen Beckens wurde dann am Freitag, 30. August, genommen. „Wir haben abgeklärt, was primär als Quelle in Frage kommt und das waren die Rückkühlwerke“, berichtet Kreisdirektor Lönnecke. Die betroffene Rückkühlanlage ist bereits seit dem Tag der Probenentnahme ausgeschaltet, von ihr geht damit direkt keine Gefahr mehr aus.
Ruhrverband reagiert mit Maßnahmen auf die Befunde
Der Ruhrverband als Betreiber der Kläranlage hat als Reaktion auf die Befunde mehrere Maßnahmen an dem Belebungsbecken eingeleitet: So wird seit Montag der Oberflächenbelüfter der Anlage auf die niedrigste Stufe gefahren, um die die Bildung von Aerosolen, mit denen Bakterien in die Luft gelangen können, über der Anlage zu minimieren. Eine Havarie-Sauerstoffbegasung der Anlage soll bis Freitag installiert sein. Dann sollen auch die endgültigen Ergebnisse der laborbefunde vorliegen.
Exner hofft auf Wartungspflicht für Kühlanlagen
„Das wird auch wissenschaftlich jetzt untersucht werden müssen, welche Rolle Kläranlagen bei einem Legionellen-Ausbruch spielen können“, so Professor Exner. Der Experte wiederholte auch seine Forderung nach einer Melde- und Wartungspflicht für die Rückkühlwerke: „Ich habe die Hoffnung, dass Warstein nicht vergeht, ohne dass hier endlich etwas passiert.“