Willingen. . Als erst vierter deutscher Skispringer durfte Karl Geiger beim Weltcup in Willingen einen Einzelsieg feiern. Was ihm der Bundestrainer riet.

Dieses interne Gespräch mit seinen Skispringern verriet Werner Schuster gerne, liebend gerne. Obwohl er sich als Bundestrainer der so genannten Adler des Deutschen Skiverbandes sonst öfter auf die Lippen beißt, als Details der täglichen Arbeit zu verraten. „Ich habe den Jungs gesagt“, erklärte Schuster also, „dass sie so einen Tag mit so vielen Zuschauern und so einem Wetter vielleicht einmal in zehn Jahren erleben und sie ihn einfach genießen sollen.“

Auch interessant

Das – fiel nach dem ersten Einzelspringen beim Weltcup in Willingen umso leichter. Denn mit Karl Geiger stand einer von Schusters Schützlingen ganz oben auf dem Podest.

Als einziger knackte der 26-Jährige die 150-Meter-Marke und setzte sich mit seinem Sprung im zweiten Durchgang auf 150,5 Meter an die Spitze. „Es war einfach – geil“, sagte Geiger, der in dieser Saison bereits in Engelberg gewann und in Willingen somit seinen zweiten Sieg feierte. Schuster beschlich nach Geigers Satz im zweiten Durchgang, im ersten war dieser bei 142,0 Metern gelandet, zwar eine Vorahnung, dass diese Weite zum Sieg reichen könnte, „aber da waren mit Ryoyu Kobayashi und Kamil Stoch noch zwei absolute Experten oben“, sagte er.

In einer Reihe mit Hannawald

Am Ende siegte Geiger mit 311,1 Punkten vor Stoch (Polen) mit 307,1 Punkten und Kobayashi (Japan) mit 304,7 Punkten – und krönte damit einen Tag, der dem Ruf Willingens als Party-Hochburg, als Kult-Weltcup alle Ehre machte. Vor Geiger feierten übrigens nur Sven Hannawald, Severin Freund und Andreas Wellinger Einzelsiege in Willingen.

Auch interessant

Und fast sah es diesmal so aus und hörte es sich an wie damals. Dort vorne, am Zaun. Wie im Jahr 2003, als Sven Hannawald dem deutschen Skispringen Erfolge satt bescherte – und dem Weltcup in Willingen einen nie zuvor erlebten Besucheransturm. Knapp 100.000 Fans pilgerten damals an einem Wochenende zur Mühlenkopfschanze im Strycktal, um immer wieder bei Sprüngen von Hanni und Co. dieses lang gezogene „Ziiiiiieh“ zu rufen, um Fähnchen zu schwingen – und um, vor allem die jungen Mädchen dort vorne am Zaun, zu kreischen. Jedes Mal, wenn eines ihrer Idole aus dem Auslauf der Schanze herauskam und nur durch eine hüfthohe Metallabsperrung von ihnen getrennt an ihnen vorbei ging.

Party und sportlicher Wettkampf

Auch im Jahr 2019 kreischten die offensichtlich pubertierenden Mädchen, dort vorne am Zaun. Der Weltcup-Wahnsinn im Sauerland erreichte an diesem Samstag zwar nicht die Sphären, in die er vor über 15 Jahren vorstieß – aber er scheint auf dem besten Weg dorthin zurück zu sein.

Karl Geiger jubelt nach seinem Sieg und nach der Siegerehrung an der Mühlenkopfschanze.
Karl Geiger jubelt nach seinem Sieg und nach der Siegerehrung an der Mühlenkopfschanze. © Arne Dedert/dpa

Es ist diese sehr spezielle Mischung aus Party pur und hochkarätigem sportlichen Wettkampf, die alle lockt und reizt. Und wenn wie an diesem Samstag frühlingshafte Temperaturen um 14 Grad bei super Sonnenschein herrschen, warten einige der zahlreichen polnischen Fans sogar mit nacktem Oberkörper auf die Springen.

23.500 Tickets, ausverkauft! Das vermeldete des SC Willingen weit im Vorfeld des Kult-Weltcups für den Samstag. Angekommen an der Mühlenkopfschanze begann für die Fans endgültig die Party: „Von vorne nach hinten, von links nach rechts“, dröhnte es aus den Musikboxen – und selbst die deutschen Skispringer bewegten sich im Springerlager oberhalb während einer Pause im Rhythmus der Musik.

Richard Freitag auf Rang sechs

Cordula Grün hatten alle tanzen gesehen. Und die Kinder vom Süderhof wurden zu jenen vom Mühlenkopf umgedichtet. Diese Masse von Betriebstemperatur bis kurz vor die Grenze zum Überkochen zu bringen, war eine dankbare Aufgabe für Moderator Jürgen Bangert. Aber sch... drauf, Willingen ist nur einmal im Jahr. Obwohl: Das e von Willingen passte nicht recht in den Takt und wurde deshalb einfach runter geschluckt. So geht das bei der Skisprung-Party im Sauerland, wo jeder weiß, dass die Mutter von Niki Lauda Mama Lauda heißt.

Auch interessant

Dass Richard Freitag mit Sprüngen auf 144 Meter und 140,0 Meter den sechsten Platz belegte und seinen Aufwärtstrend bestätigte, heizte die Stimmung ebenso an. Selbst das unerwartete Aus für Lokalmatador Stephan Leyhe und Qualifikationssieger Markus Eisenbichler nach dem ersten Durchgang wurde einfach weggefeiert.

Von Werner Schuster nicht, okay. Doch der verriet zumindest den Tenor eines anderen, eigentlich internen Gesprächs: Leyhe und Eisenbichler haben ihren verpatzten Auftritt abgehakt und greifen am Sonntag, beim zweiten Einzelspringen (ab 15.15 Uhr) wieder an, wenn es aus sportlicher Sicht weiter darum geht, in Form für die WM in Seefeld/Österreich am kommenden Wochenende zu kommen.