Olpe/Hagen/Münster. . Kontrollen des Bundesamtes für Güterverkehr legen Fehlverhalten der Fahrer und der Unternehmen offen. Firmen kalkulieren Geldbußen für zu lange Lenkzeiten ein

Aus ungeklärter Ursache steuert ein 46-Jähriger aus Duisburg seinen Sattelzug ruckartig nach links, überquert den linken Fahrstreifen, prallt gegen die Betonleitwand in der Mitte, schießt nach rechts und kippt mit seiner Tiefkühlkost um.

Eingeschlafen? Abgelenkt?

Vollsperrung der A 45 Richtung Frankfurt zwischen Olpe-Süd und Freudenberg. Das passiert um 22.30 Uhr Montagnacht. Kilometerlanger Stau.

Stunden später, um 4.23 Uhr am gestrigen Dienstagmorgen, erkennt ein 24-Jähriger aus Ronneburg bei Hannover mit seinem Lkw die Lage zu spät, versucht am Stauende auszuweichen und rammt den Sattelanhänger einer 29-Jährigen aus Bulgarien. Er erleidet schwere Verletzungen. Alle anderen Beteiligten kommen mit dem Schrecken und leichten Verletzungen davon. Die Polizei schätzt den Schaden auf 50 000 Euro.

A 45 elf Stunden gesperrt

Der Verkehr ist mehr als elf Stunden auf der Sauerland-Linie blockiert: Alles ganz normal? Alltag auf der Autobahn? Oder sind Lkw-Fahrer mit ihrer tonnenschweren Ladung rollende Zeitbomben?

Das Bundesamt für Güterverkehr widerspricht nicht: Warum? „Weil die Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten seit Jahren konstant hoch sind“, sagt Bernd Krekeler, Leiter der Außenstelle in Münster. „Es ist einfach Glück, dass nicht so viel passiert. Es ist schlimm wie immer.“

Allein im vergangenen Jahr haben die 31 Mitarbeiter der Außenstelle mehr als 48 000 Lastwagen in Nordrhein-Westfalen kontrolliert. Krekeler: „Bei jedem fünften Lkw gab es Beanstandungen.“ Das Spektrum der Vergehen gegen die Vorschriften reicht von überlangen Lenkzeiten über mangelnde Aufzeichnungen der Fahrleistung bis zu technischen Mängeln.

Im Gespräch mit Krekeler schwingt eine Spur Resignation mit. Es fällt unendlich schwer, die Branche in die gesetzesmäßige Spur zu bringen. „Geldbußen für zu lange Lenkzeiten werden vielfach von Unternehmen mit einkalkuliert. Und wenn sie dagegen vor Gericht Einspruch einlegen, fällt sie in der Regel noch niedriger aus.“ Ein Umstand, der es den Kontrolleuren bei der Arbeit nicht leichter macht. Sie erinnert in ihrem absurden Wirken an eine Figur aus der griechischen Mythologie, an Sisyphos. Jahrelang werden Fahrzeuge kontrolliert, ohne auch nur im Ansatz eine Verbesserung des Ergebnisses zu erzielen.

Niedrige Geldbußen

Woran liegt es? „Wenn die Geldbußen nicht weh tun“, sagt Krekeler, „wird sich nichts ändern. Europaweit liegt Deutschland da auf einem sehr niedrigen Niveau.“ Der 56-Jährige staunt, wie wenig den Verantwortlichen in der Branche die Gefahren übermüdeter Fahrer bewusst sind. Aus seiner Sicht hilft ein höherer Kontrolldruck, „der sich nur mit einer besseren personellen Ausstattung verwirklichen lässt und mit verstärkten Kontrollen in den Betrieben“.

Wer Speditionen vor Ort unter die Lupe nehme, bekomme einen Eindruck, „was da läuft“. Eine einzige Kontrolle bei einem Fahrer sei nicht mehr als eine Momentaufnahmen.

Für notwendig hält es Krekeler, mit dem möglichen Entzug der Lizenz für gewerblichen Güterverkehr zu drohen. „Ein Druckmittel, das die Behörden der Länder häufiger einsetzen sollten. Das wäre für mich eine konsequente Verfolgung der vielen Verstöße.“