Hagen. . Niemals geht man so ganz: Auch in Südwestfalen sind immer mehr Senioren noch nach dem 65. Lebensjahr weiter berufstätig, die meisten in Teilzeit. Einerseits, weil ihnen Geld fehlt. Andererseits aber auch, weil die Arbeit ganz ohne Druck viel Spaß macht.

Niemals geht man so ganz. Klaus Boecker hat Elektrotechnik studiert, war viele Jahre Vertriebsleiter und Prokurist bei der Firma Raco in Schwelm. Eine Arbeit, die immer Spaß gemacht hat. „Das war so etwas von interessant“, schildert er schwärmend seine Einsätze auf offener See, erzählt von Dienstreisen nach China, von Einblicken in die Raumfahrtindustrie.

Aber eben kein Job von 8 Uhr morgens bis 16 Uhr abends. Viel Stress habe er gehabt, viel gearbeitet“, sagt Klaus Boecker. Und so hatte er, als er 60 Jahre alt wurde, das Gefühl: „Es könnte reichen.“

Im Februar 2002 ging er in den Ruhestand – und fing gleich wieder an zu arbeiten. Für den alten Chef. Die Firma konnte ihren Mitarbeiter, seine Erfahrungen offenbar weiter gut gebrauchen. Und Klaus Boecker mochte im Ruhestand nicht Däumchen drehen. „Ich wollte eine Beschäftigung haben.“

Auf Nebenverdienst angewiesen

Wie viele andere Rentner auch. Eine Million Beschäftigte sind der Bundesarbeitagentur zufolge in Deutschland jenseits der 65 Jahre erwerbstätig. Und es werden mehr.

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Viele davon auch, weil sie neben der Rente auf einen Verdienst angewiesen sind. „Es reicht einfach nicht, um den bisher gewohnten Lebensstandard zu halten“, sagt Wolfgang Egner. 45 Jahre hat der Kfz-Meister aus dem Siegerland in die Rentenkasse eingezahlt. Heute bekommt er weniger als die Hälfte seine letzten Nettoverdienstes ausgezahlt, etwa eine deutsche Durchschnittsrente. Deshalb verdient er stundenweise mit der Restaurierung von Oldtimern dazu.

„Wenn noch etwas reinkommt, ist das nicht schlecht“, bestätigt Klaus Boecker, dass auch er den Zuverdienst durchaus schätzt.

Arbeiten ohne Druck

Noch wichtiger aber ist ihm, etwas zu tun zu haben – ganz ohne Druck. Anfangs hat er tageweise für die alte Firma gearbeitet, aber nur so viel, dass er keine Abschläge auf seine Rente hinnehmen musste. Seit dem 66. Lebensjahr ist er projekt- und kundenbezogen tätig. So hat er jüngst bei der Neuentwicklung eines Produkts geholfen, bei der Konstruktion und Vertriebsfragen beraten.

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Menschen, die so viel Freude an der Arbeit haben, dass sie freiwillig über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus tätig bleiben, will es die Bundesregierung nun einfacher machen. Und Arbeitgebern, die diese Fachkräfte brauchen, wohl auch. Mit der so genannten Flexi-Rente. Wie die genau aussehen soll, wird frühestens im Herbst entschieden. Es geht in der Debatte unter anderem um Rentenabschläge bei einem Zuverdienst und die Frage, ob befristete Verträge, auch mehrere hintereinander möglich sein sollen.

Dabei darf heute schon länger bleiben, wer die Zustimmung seines Arbeitgebers bekommt, wie Klaus Boecker aus Erfahrung weiß. Und falls nicht Tarifverträge dem entgegenstehen.

Um die braucht sich Hagen Jeschke nicht zu scheren. 82 Jahre ist der Tischlermeister alt – und steht noch immer täglich in seiner Werkstatt im Hagener Stadtteil Haspe, fertigt ein Schachbretttischchen im Renaissance-Stil, ein Fußbänkchen mit Blumenschnitzereien, „weil ich mich in Holz verliebt habe“, sagt er. Freiberuflich hat er früher gearbeitet und als Angestellter auch. Rente bekommt er, hat ein gutes Auskommen. Und doch kann er einfach nicht aufhören; abends muss ihn seine Frau aus der Werkstatt kehren. Er arbeitet nicht für Geld, nur „für einen Gefallen. So lange ich kann, mache ich weiter“, sagt er bestimmt. Denn das halte fit.

Und auch selbstbewusst. Mit der Arbeit bestätigt der 67-Jährige Wolfgang Egner sich, dass er selbst kein Oldtimer ist, sondern noch Wissen hat über das alte Handwerk, wie es Lehrlingen von heute kaum mehr beigebracht wird.