Hagen. . Der Energieversorger Enervie will sämtliche Kraftwerke im Sauerland wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit abschalten. Enervie-Vorstand Ivo Grünhagen spricht im Interview über die Stilllegungspläne, über Versorgungssicherheit und die Bedeutung günstig produzierender Anlagen.

Am Donnerstagabend waren die Experten des regionalen Energieversorgers Enervie noch zu Gast in Willingen, um den Stadträten die Pläne eines neuen Pumpspeicherkraftwerks vorzustellen. Nur wenige Stunden später platzt das Unternehmen mit der Nachricht in den Markt, sämtliche Kraftwerke im Sauerland aufgrund von mangelnder Wirtschaftlichkeit abschalten zu wollen. Die Stilllegung ist vor einigen Tagen bei der Bundesnetzagentur angezeigt worden. Zu den Hintergründen ein Gespräch mit Enervie-Vorstandssprecher Ivo Grünhagen.

Ihre Ankündigung, die Kraftwerke stillzulegen, berührt die Versorgungssicherheit im Sauerland. Ist die Anmeldung möglicherweise nur ein politisches Signal?

Ivo Grünhagen: Als Betreiber einer großen Energieerzeugung, die ein negatives Ergebnis von 30 Millionen Euro jährlich erwirtschaftet – mit steigender Tendenz – sind wir zum Handeln gezwungen. Alles andere wäre aus kaufmännischer Sicht fahrlässig. Für uns ist das eine existenzielle Frage. Deshalb haben wir die temporäre Still­legung beantragt. Wir könnten Kraftwerke also auch wieder in Betrieb nehmen. Zugleich ist uns bewusst, dass wir als Netzbetreiber eine gesetzliche Verpflichtung haben, für Stabilität im Netz zu sorgen.

Diese Stabilität wäre aber nicht mehr gegeben, wenn Ihre Kraftwerke keinen Strom mehr produzieren, oder?

Grünhagen:Wenn man die heutigen Gegebenheiten zugrunde legt, ist das so. Über die Koppelstelle in Hagen-Garenfeld, wo das vorgelagerte Übertragungsnetz von Amprion ankommt, können 600 Megawatt nach Südwestfalen fließen. In den täglichen Spitzen aber haben wir im Netzgebiet einen Bedarf von 900 bis 950 Megawatt. Aus diesem Grund sind wir bereits seit längerer Zeit in Verhandlungen mit Bundes- und Landesregierung sowie mit der Bundesnetzagentur.

Also ist die Stilllegungsmeldung nur eine vorsorgliche Maßnahme?

Grünhagen:Das kann man so nicht sagen. Wenn wir keine Zuschüsse für die Stabilisierung des Netzes bekämen, wären wir gezwungen, die Konsequenzen zu ziehen.

Das würde dann eine strategische Neuausrichtung des Unternehmens bedeuten, für das die Erzeugung immer ein wichtiges Argument war, um sich und die Region nicht von anderen abhängig zu machen.

Grünhagen:Wie gesagt: Wir gehen davon aus, dass sich eine Lösung findet. Falls nicht, verfügt Enervie über ein professionelles Verteilnetz – über private und gewerbliche Kunden auf den Feldern Strom, Gas, Wasser und über energienahe Dienstleistungen, die wir derzeit weiter forcieren. Und natürlich verfolgen wir unsere Strategie in Sachen regenerative Energie in der Region weiter. Das geplante Pumpspeicherkraftwerk in Willingen wäre unter den derzeitigen Marktbedingungen allerdings nicht rentabel.

Stichwort: Marktbedingungen. Was muss sich diesbezüglich ändern?

Grünhagen:Der Ansatz des BDEW (siehe Infokasten) ist richtig, aber es muss schnell gehandelt werden. Wir brauchen jetzt Lösungen für 2014. Darüber hinaus müssen wir darauf achten, dass effiziente Kraftwerke, aber auch ältere Anlagen mit niedrigen Strukturkosten nicht aus dem Markt katapultiert werden. Besonders die Kraftwerke, die günstig betrieben werden können, sind das Rückgrat der Energiewende. Sie sind der Backup für die Tage, an denen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Und weil wir heute wissen, dass wir in den kommenden 20 bis 30 Jahren noch 100 Prozent des Bedarfes für diese Fälle benötigen, wäre es fahrlässig, diese nicht zu erhalten oder sie durch super-effiziente Kraftwerks-Neubauten, die aber hohe Strukturkosten haben, abzulösen.