Wuppertal. . Die Stadt Wuppertal will sparen. Im traditionsreichen Musiktheater sollen künftig Gäste die festangestellten Sänger ersetzen. Die Verträge des gesamten Ensembles sollen nicht verlängert werden. Einigen Solisten soll angeboten worden sein, künftig als Gast auf der Wuppertaler Bühne zu stehen.

Der designierte Wuppertaler Intendant Toshiyuki ­Kamioka hat nach Informationen dieser Zeitung dem kompletten Wuppertaler Opern-Ensemble zur Spielzeit 2014 die Nichtverlängerung ausgesprochen, also allen Sängern, aber auch den Pianisten, Dramaturgen, Inspizienten, Pädagogen, Regieassistenten und Pressesprechern. Damit will Kamioka aus Spargründen offenbar den in Deutschland einzigartigen Versuch starten, ein A-Opernhaus zwar mit Orchester und Chor, aber ohne festes Ensemble zu führen. Das Ensemble-Theater in Wuppertal sei nicht finanzierbar.

Mitarbeiter in Angst

Einigen Solisten soll angeboten worden sein, künftig als Gast auf der Wuppertaler Bühne zu stehen. Toshiyuki Kamioka ist seit 2005 Generalmusikdirektor (GMD) der Stadt Wuppertal. Im gleichen Jahr übernahm er eine Dirigier-Professur in Saarbrücken. Im Jahr 2009 gab er seine Opernaufgaben in Wuppertal ab und fungiert seither als Chefdirigent und künstlerischer Leiter des Sinfonieorchesters Wuppertal und zugleich als GMD des Saarländischen Staatstheaters in Saarbrücken. Im Sommer 2014 übernimmt er das Amt des Wuppertaler Opernintendanten als Nachfolger von Johannes Weigand und gibt die Position als GMD in Saarbrücken auf.

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Offenbar will Kamioka in Wuppertal einen Stagione-Betrieb einführen, wie man ihn aus Italien kennt. Völlig unklar ist derzeit, wie ein Stagione-Betrieb ohne Mitarbeiter hinter der Bühne wie Inspizienten organisiert werden soll. Ebenfalls unklar ist, ob auf Vermittlungsangebote wie Theaterpädagogik künftig in Wuppertal ganz verzichtet werden soll.

Prof. Reinhard Leisenheimer, langjähriger Tenor am Theater Hagen und als Professor an der Kölner Musikhochschule der Ausbilder erfolgreicher Sänger, hält auf Anfrage unserer Zeitung das Ensemble-Theater in der deutschen Theaterlandschaft für unverzichtbar – wegen der großen künstlerischen Erfolge, die dieses System vorweisen kann. Ein Opern-Ensemble setzt sich aus Sängern verschiedener Altersstrukturen zusammen, die voneinander lernen und profitieren und in der Summe mehr sind als eine Zahl von Einzelsolisten.

Ensemble-Prinzip

„Der Gedanke des Ensembles ist ja der, immer auf die Leute zurückgreifen zu können. Man kennt sich, man weiß, wer was kann“, so Leisenheimer. Nur im Ensemble-Theater sind die Sänger gleichzeitig die „Gesichter“ einer Stadt, die sich über das Theater hinaus engagieren, zum Beispiel, indem sie ­ehrenamtlich in Krankenhäusern, Altersheimen oder Kirchen singen. „Wenn man das Ensemble auflöst, kann das nur schief gehen, oder es kostet sehr viel Geld“, so Prof. Leisenheimer.

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Der tatsächliche Spareffekt von Kamiokas Plänen darf bezweifelt werden. Fest engagierte Opernsänger verdienen nicht viel Geld. Wenn der neue ­Intendant jedem zukünftigen Gastsolisten nur eine winzige Gage von 500 Euro pro Vorstellung zahlen würde – was bei den größeren Partien ausgeschlossen ist – wären die Kosten immer noch höher als beim jetzigen System. Dazu kommt, dass in Wuppertal zahlreiche langgediente Solisten wirken. Ihnen steht bei einer Kündigung im Zusammenhang mit einem Intendantenwechsel eine Abfindung zu. „Diese Entscheidungen sind theaterfremd“, sind die Wuppertaler Ensemblemitglieder ängstlich und ratlos.

Auch der Hagener GMD Florian Ludwig befürwortet das Ensembletheater. „Mein Herz hängt daran, aus langjähriger Erfahrung mit der anderen Form“, sagt Ludwig auf Anfrage unserer Zeitung. „Das Stagione-System führt immer zu einer Monokultur, der Reiz des Stadttheaters geht dadurch verloren.“ Florian Ludwig gibt aber noch einen anderen Aspekt zu bedenken: „Ein Ensemble ist nicht teurer als lauter Gastsolisten. Aber ohne Ensemble fließt das ganze Geld aus der Stadt heraus, denn die Gäste wohnen ja nicht in der Stadt.“