Werl/Arnsberg. . Der 25 Jahre alte Essener, der die damals 23 Jahre alte Liesa S. aus Werl-Westönnen getötet haben soll, ist nicht wegen Mordes von der Staatsanwaltschaft Arnsberg angeklagt worden. Der Mann muss sich bald vor dem Arnsberger Schwurgericht wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten.
Die Staatsanwaltschaft Arnsberg hat am Montag Anklage wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung gegen den 25 Jahre alten Ex-Freund der getöteten Liesa S. aus Werl-Westönnen erhoben. Die Familie des Opfers zeigte sich „schwer enttäuscht“, dass es nicht zu einer Mordanklage gekommen ist. „Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet“, sagte Vater Peter S. gegenüber der WAZ Mediengruppe.
Nach dem spurlosen Verschwinden der damals 23 Jahre alten Frau in der Nacht vom 16. auf den 17. April 2012 hatte die Familie eine monatelange öffentliche Suche nach ihr gestartet. Ende Oktober fanden spielende Kinder ihre Leiche in einem Wald in Essen-Werden.
25-jähriger Ex-Freund schweigt
Dass der im Mai 2012 unter dringendem Tatverdacht festgenommene Ex-Freund „nur“ wegen Totschlags angeklagt wird, erklärt der Arnsberger Oberstaatsanwalt Thomas Poggel so: „Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich anhand der Beweislage nicht sicher sein, dass der Angeklagte wegen Mordes verurteilt würde.“ Die beiden im Raum stehenden Mordmerkmale - Heimtücke und niedere Beweggründe - setzten voraus, dass der unmittelbare Tatablauf nachgewiesen werden könne. Der 25 Jahre alte Essener schweigt aber gegenüber den Ermittlern.
Chronologie im Fall Liesa S.
- Am 16. April verschwindet Liesa S. aus Westönnen spurlos. Ihr Twingo wird in der Nähe der Auffahrt Werl-Süd an der A 44 gefunden.
- 10. Mai: Der Ex-Freund von Liesa S. wird in Essen von Spezialkräften festgenommen. Gegen ihn wird Haftbefehl wegen Mordes erlassen.
- 7. Juni: Die Facebook-Gruppe „Wo ist Liesa???“ erinnert mit einer Aktion auf dem Werler Marktplatz an den 24. Geburtstag der Verschwundenen.
- 5. Juli: Boote mit Leichenspürhunden suchen in der Nähe der Staumauer die Oberfläche des Möhnesees ab. Ohne Ergebnis.
- 13. Juli: Im Kofferraum des Mietwagens, den ihr Ex-Freund in der Nacht ihres Verschwindens gefahren haben soll, wird eine DNA-Spur von Liesa S. gefunden.
- 30. Oktober: Kräfte der Polizei entdeckten nach einer umfangreichen Suche und Hinweisen von spielenden Kindern die skelettierte Leiche in Essen-Werden.
Unmittelbar nach seiner Festnahme habe er die Tötung von Liesa bestritten, so Poggel. Der Dortmunder Mordkommission soll der Mann in ersten Vernehmungen geschildert haben, dass er sich am Abend des 16. April 2012 mit seiner Ex-Freundin zu einem klärenden Gespräch getroffen habe, bei dem er endgültig mit ihr Schluss machen wollte.
Einer Pressemitteilung der Polizei Dortmund von Montag zufolge hat der Beschuldigte die Frau „wohl im Streit im Laufe des Treffens erwürgt oder erdrosselt“. „Komprimierende Gewalt gegen den Hals“, nennt Oberstaatsanwalt Poggel den kriminologischen Fachbegriff.
Angeklagter soll andere Frau gewürgt haben
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft Arnsberg ist sich aus dreierlei Gründen sicher, dass der 25-Jährige die Werlerin getötet hat: er war der letzte, der Liesa S. lebend angetroffen hat; die Leiche der jungen Frau wurde in Essen - in seinem Wohnort - gefunden; in dem von ihm angemieteten VW Polo wurden einer kriminologische Untersuchung zufolge DNA-Spuren der damals Vermissten entdeckt.
Neben der Totschlagsanklage wirft die Anklagebehörde dem Mann auch gefährliche Körperverletzung vor. Dabei geht es um eine Auseinandersetzung Ende 2009 in Essen, bei der er eine Frau, mit der er damals befreundet war, bei einem Streit gewürgt haben soll.
Bis zu 15 Jahre Haft möglich
Liesas Familie wurde am Sonntag von ihrem Opferbetreuer der Kriminalpolizei im Kreis Soest informiert, dass am Montag eine Pressemitteilung zur Anklage verschickt werde. Peter S. wollte am Montag bei der Lektüre seinen Augen nicht trauen, wie er sagte: „Es ist ein Schlag ins Gesicht.“
Oberstaatsanwalt Poggel zufolge müsste der Angeklagte bei einer Verurteilung wegen Totschlags mit einer Haftstrafe bis zu 15 Jahren rechnen. Wird ihm Totschlag in einem besonders schweren Fall nachgewiesen, könne es „lebenslänglich“ geben. Zumindest denkbar ist auch, dass das Arnsberger Schwurgericht in einer Hauptverhandlung die Anklage von Totschlag auf Mord erhöht.
Wann der Prozess beginnt, ist noch unklar. „Durch den Verlust unserer Tochter sind wir für immer bestraft“, sagt Peter S., der als Nebenkläger auftreten wird. „Wir haben lebenslänglich bekommen.“