Hagen. Die junge Sopranistin Stefania Dovhan hat das Potenzial zur ganz großen Karriere. Im Dezember singt sie an der Seite von Rolando Villazón „La Boheme“ in London. Im Interview spricht sie über das Glück und den Druck des Sängerberufes.
Sie ist eine hochbegabte junge Sopranistin mit dem Potenzial zur ganz großen Karriere. Sechs Jahre lang war Stefania Dovhan der gefeierte Publikumsliebling am Theater Hagen. Von dort ist die ukrainisch-amerikanische Sängerin ans Badische Staatstheater Karlsruhe gewechselt. Im Dezember singt sie an der Seite von Rolando Villazón die Musetta in „La Boheme“ an der Londoner Covent Garden-Oper - und nach Hagen kehrt sie immer wieder gerne zurück. Im Interview erzählt Stefania Dovhan vom Glück und vom Druck des Sängerberufes.
Sie haben bereits als Studentin ein Engagement am Theater Hagen gehabt und parallel in den USA gesungen. In London wird nun die Weltöffentlichkeit Ihre Musetta hören. Macht Sie das nervös?
Stefania Dovhan: Ich bereite mich ganz normal vor, wie für jedes Stück. Man muss das gut draufhaben. Ich freue mich sehr auf die Produktion, denn die Musetta war die allererste Partie, die ich je gesungen habe, noch am Opernstudio in Nürnberg. Ich glaube, die Produktion wird im Kino übertragen, und vielleicht machen sie eine CD daraus. Wichtig ist vor allem, dass man sich gesund ernährt und gut drauf ist. Man muss einfach glücklich sein, dass ist das Konzept für den Erfolg. Man muss sich freuen. Und wenn man darüber nachdenkt, dass man die Musetta in London singen darf, kann man sich auch nur freuen.
Ist der Wechsel von einer kleinen Bühne wie Hagen zu einem großen Staatstheater wie Karlsruhe für einen Sänger schwierig?
Dovhan: Karlsruhe ist eine sehr grüne Stadt, man kann mit dem Fahrrad überall hinfahren, es gibt viele Sachen, die mir gut gefallen. Ich habe eine schöne Wohnung und gute Freunde gefunden, aber es braucht seine Zeit, sich nach sechs wunderbaren Jahren in Hagen einzuleben.
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Das Theater Hagen hat ja für viele Sänger Sprungbrettfunktion. Wie kommt das?
Dovhan: Wir wissen alle, dass in Hagen eine ganz besondere Atmosphäre herrscht, dass wir eine gewisse Chemie entwickelt haben. Wenn ich dann wiederkommen darf, wie jüngst zur Carmina Burana, dann ist das, wie nach Hause kommen, das gibt einem immer so viel Kraft. Prof. Reinhard Leisenheimer ist nach wie vor mein Lehrer. Es ist mein Ziel, so zu sein wie er, wenn ich in dem Alter bin: die Welt umarmen und sich über alles freuen.
Welches Repertoire singen Sie am liebsten?
Dovhan: Ich liebe Mozart, und ich bleibe Mozart treu. In Karlsruhe mache ich nächste Spielzeit die Susanna im „Figaro“ und die Pamina in der „Zauberflöte“, dazu die Donna Anna im Oktober in Portland. Mein Herz schlägt auch für das französische Repertoire. Ich hatte großen Erfolg mit Marguerite in Gounods „Faust“ in Baltimore und mit Charpentiers „Louise“ beim Spoleto-Festival in den USA. Vom Charakter her fühle ich mich Marguerite sehr nahe. Es gibt einfach einen Frauentyp, den ich gut verkörpern kann.
Immer wieder liest man, dass Starsänger pausieren müssen, weil sie ausgebrannt sind. Wie geht man mit dem Druck um, der heute mit einer Gesangskarriere verbunden ist?
Dovhan: Auch normale Sänger in kleinen Häusern kriegen Krisen. Gesang ist Euphorie, diesen Zustand herbeizurufen, wenn man schlecht drauf ist, das ist schwierig. Man muss aufpassen, man muss sich schonen, darf sich nicht unter Druck setzen lassen. Unser Beruf ist schwierig, wir müssen wie Athleten sein, wir müssen Hochleistungssport geben, und dabei sind wir alleine. Das hat viel mit Psychologie zu tun, Balance ist wichtig. Und es ist wichtig, dass du Leute um dich hast, die dich unterstützen, die an dich glauben, die dich lieben.
Das Geschäft ist härter geworden, jungen Sängern bleibt kaum noch Zeit, ihre Stimme in Ruhe zu entwickeln, oder?
Dovhan: Ja, es ist schade, dass manchmal Regisseure und Intendanten, die sich nicht gut mit Stimmen auskennen, aber auch Agenturen, die jungen Sänger in ganz schwierige Fächer drücken. Man muss unglaublich stark sein als Sänger, man muss eine Aura um sich haben aus reiner, sauberer Energie.
Zu Ihren wichtigsten Unterstützern zählt Ihre Familie?
Dovhan: Meine Großeltern und meine Mutter sind jetzt auch zu dem ersten Liederabend gekommen, den ich gegeben habe, in Karlsruhe. Das war wunderbar. Meine Großeltern sind mit dem Flieger aus Kiew angereist, meine Mutter aus den USA. Als Studentin, als ich noch sehr wenig Geld hatte, bin ich immer von Nürnberg mit dem Bus nach Kiew gefahren, um sie zu besuchen.
In Hagen hat es die jungen Opernbesucher immer überrascht, wenn Sie zum Beispiel beim Applaus vor lauter Freude angefangen haben, Luftgitarre zu spielen. Müssen mehr junge Menschen an die Oper herangeführt werden?
Dovhan: Vor allem ist es wichtig, dass die jungen Leute die Möglichkeit haben, überhaupt in die Oper zu gehen, gerade in Städten wie Hagen. Man kann nicht erwarten, dass Teenager sofort ein Abonnement wollen, aber sie brauchen die Chance, die Oper kennenzulernen, weil sie etwas ganz Einzigartiges ist.