Soest. Blitzeinschlag bei Zeltlager in Soest: Bekannter Wettermann wirft Organisatoren Versagen vor. Wie scharf der Feuerwehr-Chef reagiert.

Nach den beiden Blitzeinschlägen auf dem Gelände des Pfingstzeltlagers der Jugendfeuerwehren in Soest-Ruploh am Sonntag wirft der bekannte Meteorologe und TV-Moderator Jörg Kachelmann den Feuerwehren im Kreis Soest öffentlich Fahrlässigkeit vor.

„Den Verantwortlichen des Jugendzeltlagers ist ein furchtbarer Fehler passiert“, sagte Kachelmann gegenüber der Westfalenpost und kritisierte damit, dass das Gelände nicht im Vorfeld geräumt worden sei. „Es ist reine Glückssache, dass die beiden Blitzeinschläge auf dem Gelände mit 1000 Menschen relativ glimpflich ausgegangen sind. In dem Moment, wo ein Blitz in den Boden schlägt und der Strom durch die Leute fließt, hätte es zahlreiche Tote geben können.“

Am Pfingstsonntag gegen 14 Uhr hatten zwei Blitze das Zeltlager getroffen. 38 Teilnehmer und Besucher mussten in Krankenhäuser gebracht werden. Sie hatten über Kribbeln in den Gliedern, Unwohlsein und Schwindel geklagt. Noch am Dienstag sollte der letzte Verletzte Feuerwehrsprecher Kevin Hoebusch zufolge die Klinik wieder verlassen können.

Wetter-Experte Jörg Kachelmann kritisiert die Feuerwehren im Kreis Soest.
Wetter-Experte Jörg Kachelmann kritisiert die Feuerwehren im Kreis Soest. © dpa | Sebastian Willnow

Kachelmann hatte bereits beim Messengerdienst X (vorher Twitter) Kritik geübt. Gegenüber der Westfalenpost sprach er von „fahrlässigem“ Handeln, „1000 potenzielle Blitz-Ziele auf dem Gelände zu belassen“. Aus seiner Sicht hätte man „allerspätestens“ gegen 13.30 Uhr das Gelände räumen müssen und die Menschen in die vorbereitete Geflügelhalle bringen müssen. Kachelmann: „Was die Großmutter noch wusste: Bei Gewitter ins Haus oder ins Auto, alles andere ist unverantwortliches Roulettespiel mit dem Leben von Menschen.“

Kachelmann präsentiert Blitzortungen im Internet

Die Feuerwehr im Kreis Soest hatte in einer Pressemitteilung angegeben, dass sich über dem Gelände spontan eine Gewitterzelle gebildet habe. „Das ist nachweislich falsch“, sagt Kachelmann und präsentiert Blitzortungen von seiner Internetseite kachelmannwetter.com. Es habe ab 12.15 Uhr mehrere Gewitter mit hunderten Blitzen rund um Soest gegeben: „Es hätte schon viel früher schiefgehen können.“

Die Geschichte von den „zwei einsamen Blitzen ohne Vorgeschichte“, so der Schweizer Meteorologie-Unternehmer und meint damit die Feuerwehr-Angaben einer spontan gebildeten Gewitterzelle, „ist eine leicht widerlegbare Lüge“. Die zahlreichen Blitzeinschläge in der Zeit zwischen 12.15 und 14 Uhr könne jeder im Internet nachsehen.

Ich lasse mir von Herrn Kachelmann nicht unterstellen, dass meine Leute blöd sind und die Eltern auf dem Gelände leichtsinnig waren.
Thomas Wienecke - Kreisbrandmeister Soest

Aus Sicht Kachelmanns benötige man kein technisches Gerät, um eine große Zahl an Blitzen in der Umgebung und Donner zu bemerken: „Es hätte voll und ganz gereicht, die Augen und Ohren zu öffnen. Beim Blick in den Himmel hätte man den Zug der Gewitterwolken von Nordwesten sehen können. Vor dem Unglück kamen pechschwarze Wolken, viele Blitze, lautes Donnern: Die Gefahr war ganz ohne Technik zu sehen.“

Mit Betreuern und Eltern gesprochen

Der Soester Kreisbrandmeister Thomas Wienecke weist die Vorwürfe auf Anfrage entschieden zurück: „Ich lasse mir von Herrn Kachelmann nicht unterstellen, dass meine Leute blöd sind und die Eltern auf dem Gelände leichtsinnig waren.“ Er habe im Nachhinein mit vielen Teilnehmern des Zeltlagers sowie mit anwesenden Eltern gesprochen: „Keiner hat Blitze gesehen oder irgendeinen Donner gehört. Es habe nur lange vorher einmal aus der Ferne gegrummelt. Bei uns aber war kein Gewitter.“

Man habe die amtliche Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für den Kreis Soest für den Pfingstsonntag sehr wohl wahrgenommen, ergänzt Wienecke: „Wir waren mit einem Evakuierungskonzept darauf vorbereitet, im Falle eines Unwetters das Gelände zu räumen.“ Am Veranstaltungstag - unter anderem mit Wettkämpfen der Jugendfeuerwehren - hätten die Wettermodelle im Einsatzfahrzeug der Feuerwehr keine unmittelbare Gefahr erkannt. Zudem habe man mehrfach mit dem DWD telefoniert und die Information erhalten, dass die Gewitter in der Umgebung am Ort des Zeltlagers vorbeiziehen würden. Der DWD sei seit Jahren ein „verlässlicher und guter Partner“.

Kachelmann verteidigt Deutschen Wetterdienst

Der DWD bestätigte am Dienstag gegenüber dem „Soester Anzeiger“ das von Kachelmann beschriebene Blitzgeschehen. Der Wetter-Experte bezeichnet es im Gespräch mit der Westfalenpost als „unangenehm, dass versucht wird, dem Deutschen Wetterdienst die Schuld in die Schuhe zu schieben. Dessen Warnungen waren korrekt und nochmal: Wenn es blitzt und donnert, gehören Menschen in Sicherheit. Wir müssen auch niemanden fragen, ob man einen Kinderwagen von der Durchgangsstraße schieben sollte.“ Fehler passierten, ergänzt Kachelmann und weist noch einmal darauf hin, dass die Blitzeinschläge am Sonntag in Soest zum Glück glimpflich ausgegangen seien. „Aber es wäre wichtig, wenn man lernen wollte und nicht so täte, als ob alles richtig war.“

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Kreisbrandmeister Thomas Wienecke will sich nicht fehlende Selbstkritik nachsagen lassen. Aber: „Noch einmal: Es gab keine Anzeichen für die unmittelbare Gefahr von Blitzeinschlägen. Das haben mir sämtliche Betreuer und auch Eltern bestätigt. Wir würden doch niemals Menschen in Gefahr bringen.“ Die Feuerwehr im Kreis Soest, so Wienecke weiter, sei in Nordrhein-Westfalen führend, was Warnungen vor Unwettern angeht. „Leichtfertigkeit kann man uns wirklich nicht unterstellen.“

Jugendzeltlager wurde fortgesetzt

Das Jugendzeltlager wurde nach den Blitzeinschlägen nach Rücksprache mit Betreuern und Eltern am Pfingstmontag fortgesetzt. Im kommenden Jahr, bestätigt Kreisbrandmeister Wienecke, soll es an Ort und Stelle eine Neuauflage geben. „Aber die Blitzeinschläge an diesem Wochenende haben uns noch weiter sensibilisiert. Als Konsequenz werden wir uns zusätzliche Wettermodelle zulegen, also Programmlizenzen weiterer Vorhersage-Anbieter erwerben. Wir wollen die Qualität des Erkennens von Wetterereignissen vor Ort noch weiter erhöhen.“