Werl. Die Wallfahrt Werl bietet besondere neue Formate an. Wer soll damit angesprochen werden? Und warum Pilgern wieder im Trend liegt.

In der großen Kirchenkrise unserer Zeit bildet die Wallfahrt Werl eine Art spirituellen Schutzraum für Menschen, die auf dem Weg sind. „Eingeladen sind alle Suchenden“, erläutert Wallfahrtsleiter Pastor Dr. Gerhard Best den Anspruch des uralten Pilgerortes. „Gläubige, die viel Weihrauch brauchen, Gläubige, die das nicht brauchen, Ausgetretene, Nicht-Christen, Protestanten, Muslime. Jeder ist willkommen.“ Nach der Corona-Pause brummt es jetzt im neuen Pilgerkloster, die Übernachtungszahlen haben sich vervierfacht.

Die Wallfahrer aus Much nehmen seit nunmehr 250 Jahren den weitesten Weg zur Muttergottes in Werl auf sich. Drei Tage benötigen sie für die Strecke von 130 Kilometern; rund 200 Fußpilgerinnen und Fußpilger haben sich angemeldet; beim feierlichen Einzug der Mucher am 6. Juli beim Patronatsfest Mariä Heimsuchung werden noch 300 weitere Gäste aus dem Rhein-Sieg-Kreis erwartet. Im Jahr 1774 machten sich erstmals Bauern aus Much auf den Weg. „Die hatten eine Viehseuche und sind nach Werl gekommen, um Salz für ihre Tiere zu kaufen und zugleich die Muttergottes zu bitten: Wenn das Vieh wieder gesund wird, kommen wir jedes Jahr wieder“, rekapituliert Gerhard Best die Geschichte der Traditionswallfahrt, die in Werl in diesem Jahr auch das Motto vorgibt: „Ihr seid das Salz der Erde.“

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Nach sechs Jahren unter anderem coronabedingter Pause hat auch der Sauerländer Schützenbund seine Wallfahrt nach Werl wieder aufgenommen, worüber sich der Wallfahrtsleiter ausgesprochen freut. „Ich bin leidenschaftlicher Schützenbruder. Die Schützen verstehen sich als Teil der Kirche und engagieren sich. Wenn wir einmal Hilfe brauchen, bei Ordnerdiensten oder beim Auf- und Abbau, dann treffen Sie ganz schnell auf Schützen. Wenn die Schützen zu den Klängen von Tochter Zion in die Wallfahrtsbasilika einziehen, das ist ein hochemotionaler Moment.“

Wallfahrtsleiter Pastor Dr. Gerhard Best vor dem Gnadenbild in der Wallfahrtsbasilika Werl.
Wallfahrtsleiter Pastor Dr. Gerhard Best vor dem Gnadenbild in der Wallfahrtsbasilika Werl. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Damit ist die zweite Funktion der Wallfahrt Werl angesprochen Sie ermöglicht ein Gemeinschaftserlebnis für Menschen, die sich in ihrem Glauben häufig nicht mehr als Teil einer großen Gruppe fühlen können. „Wir sind gastfreundlich. Und wir bieten Verlässlichkeit“, ergänzt Wallfahrtsseelsorger Markus Ende. „Es gibt jeden Tag außer Sonntag die Möglichkeit zu beichten. Es gibt jeden Werktag um 10 Uhr eine Messe und sonntags drei Messen um 7 Uhr, 8.30 Uhr und um 10 Uhr. Um 18 Uhr ist eine Sakramentsandacht. Dazu kommen die Gottesdienste für die angemeldeten Wallfahrtsgruppen.“

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Tradition haben auch die Kranken- und Behindertenwallfahrten der Malteser, die großen Wallfahrten der Portugiesen, der Caritas- und KAB-Gruppen. Neu ist die Wallfahrt der Italiener am Pfingstmontag. Außerdem werden verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen mit besonderen Ideen angesprochen, Motorradfahrer, Fahrradfahrer, Treckerfahrer, Enkel und Großeltern zum Beispiel. „Solche Formate werden immer wichtiger“, schildert Markus Ende. „Damit erreichen wir auch Menschen, die nichts oder nichts mehr mit der Kirche zu tun haben.“

Eingeladen sind alle Suchenden. Jeder ist willkommen.
Pastor Dr. Gerhard Best, Wallfahrtsleiter

Darüber hinaus gibt es aber auch individuellere Möglichkeiten, sich auf den Weg zu machen, zum Beispiel beim begleiteten Pilgern auf kurzen Strecken rund um Werl (vorher anmelden) oder auf dem Franziskusweg in der Werler Innenstadt mit Skulpturen unter anderem von Otmar Alt und Bert Gerresheim.

Viele Besucher kommen zum Gnadenbild der Trösterin der Betrübten, weil sie trauern, weil sie verletzt wurden und weil sie Trost und Kraft für den Alltag suchen. Für diese ist der neue Trostweg mit Glasstelen der Künstlerin Martina Dörfler gedacht. Die Stelen beschreiben die Emotionen beim Verlust eines geliebten Menschen, Leugnen, Tränen, Verzweiflung und Wut. An einer Klagemauer können persönliche Anliegen aufgeschrieben werden. Der Weg enthält aber auch Möglichkeiten, wo Trauernde auftanken und mit anderen Trauernden ins Gespräch kommen können. „Wir sind sehr positiv überrascht, wie gut der Trostweg angenommen wird“, bilanziert Gerhard Best. „Es kommen kleine Gruppen und Einzelpersonen, es geht um sehr persönliche Dinge. Man merkt: Das ist ein Thema, das den Nerv trifft und vielen Menschen wichtig ist.“

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Erstmals war jetzt auch der neue Erzbischof Udo Markus Bentz in Werl. Er betonte, dass es in der Kirche kein „Entweder-oder“ geben dürfe. Pastor Best: „Das ist die Stärke unseres Wallfahrtsortes. Wir können das „Sowohl“ und das „Als auch“ anbieten. Beides ist unsere Zukunft, weil wir die spirituellen Lebensgeschichten jedes einzelnen Menschen respektieren.“

www.wallfahrt-werl.de