Hagen. Der Vatikan will die Beteiligung von Laien an Kirchenentscheidungen stoppen. Die deutschen Bischöfe stehen nun vor einer Zerreißprobe.
Die Kritik an der Vatikan-Bremse für den Synodalen Ausschuss wird schärfer. Die Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, zeigte sich in einer Mitteilung irritiert über die Weisung aus Rom an die deutschen Bischöfe, das Thema von der Tagesordnung der Frühjahrsvollversammlung zu nehmen, die am Montag in Augsburg begann. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, äußerte sich am Montag verwundert über die neuerliche Post aus Rom. „Jetzt muss geredet werden“, forderte er in einem Pressestatement. Die Bischöfe wollten am Reformkurs festhalten. Die Situation ist komplex: Entweder widersetzen sich die deutschen Bischöfe dem Vatikan oder sie riskieren den Bruch mit dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken.
„Rom hat die Deutsche Bischofskonferenz quasi per Eilpost gebeten, bei ihrer Frühjahrsvollversammlung nicht über die Satzung des Synodalen Ausschusses abzustimmen und zunächst Gespräche in Rom abzuwarten. Das bedeutet eine weitere Verzögerung der dringend notwendigen Reformen in der Kirche“, so Stetter-Karp in der Mitteilung und weiter: „Das ZdK erwartet, dass der Synodale Ausschuss bei seiner nächsten Sitzung im Juni voll arbeitsfähig ist.“
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Bätzing betonte in seinem Statement, die Hauptsorge des Vatikans sei die Autorität des Bischofsamts. „Diese Autorität ist angezählt durch den Missbrauch. Das betrifft auch die Autorität des Papstes.“ Deshalb seien Reformen wichtig. Bätzing zeigte sich erstaunt über den Zeitpunkt des Briefes aus Rom. Über etwaige Einwände hätte längst gesprochen werden können. „Wir könnten schon soviel weiter sein.“
Die Themen des Synodalen Ausschusses sind Macht, die Rolle der Frau und Sexualmoral in priesterlichen Lebensformen. Warum ist Rom so empfindlich bei diesem Thema? Es geht um die Beteiligung von Laien. Nach katholischem Verständnis haben alleine geweihte Priester das Sagen, und zwar in einer strikten Hierarchiepyramide bis hinauf zum Papst. Die Reformkräfte in Deutschland fordern jedoch, Macht zu teilen.
Autoritäre Machtstrukturen
Denn der Synodale Reformprozess in Deutschland startete, nachdem die Missbrauchsskandale die katholische Kirche in ihren Grundmauern erschütterten und die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Institution aufkommen ließen. Als eine der Ursachen für die Tatsache, dass selbst aktenkundige Missbrauchstäter vielfach nicht aus dem Verkehr gezogen wurden, wurden Klerikalismus sowie autoritäre und intransparente Machtstrukturen analysiert. Transparenz und Teilhabe sichern soll ein ständiger Synodaler Rat und zu seiner Vorbereitung ein Synodaler Ausschuss, der sich im November konstituierte und bis 2026 regelmäßig tagen soll. Darin beraten Diözesanbischöfe, Mitglieder des Zentralkomitees und gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Synodalversammlung gemeinsam die Zukunft der Kirche. Um arbeitsfähig zu sein, muss auch die Bischofsvollversammlung der Satzung mehrheitlich zustimmen. Das sollte jetzt bei der Frühjahrsvollversammlung geschehen.
Das Schreiben der Kurienkardinäle Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, Manuel Fernandez (Präfekt des Glaubensdikasteriums) sowie Robert Prevost (Leiter der Bischofsbehörde) spart nicht mit Maßregelungen: Ein solches Organ sei vom geltenden Kirchenrecht nicht vorgesehen. Daher wäre ein diesbezüglicher Beschluss der Deutschen Bischofskonferenz ungültig. Zumal sie auch keinerlei Autorität habe, die Satzung zu approbieren (billigen). Diese Problematik sei bereits mehrfach von Seiten des Vatikans darlegt worden. Ausdrücklich und im besonderen Auftrag des Papstes sei dazu aufgefordert worden, die Einrichtung eines solchen Rates nicht weiterzuverfolgen.
Vor einem Jahr bereits, im Januar 2023, hatten die drei Kurienkardinäle an Georg Bätzing geschrieben und die Einrichtung eines Synodalen Rates verboten. Auslöser war damals ein Brief des Kölner Kardinals Woelki und drei weiterer konservativer Bischöfe, die beim Vatikan anfragten, ob sie beim Synodalen Rat mitmachen müssten. Gleichwohl sprach sich die Mehrheit der 27 Bischöfe für die Errichtung eines vorbereitenden Synodalen Ausschusses aus. Die Missbrauchskrise als Ursache der Reformbemühungen rückt in Rom in den Hintergrund, da Rom die systemischen Ursachen der Krise nicht erkennt, sondern beim Missbrauch von Einzelfällen spricht.
Dennoch gibt die Mehrheit der Bischöfe ihr Ziel nicht auf, einen Synodalen Ausschuss einzurichten. Bischof Bätzing hatte sich noch im Juli im Interview mit unserer Redaktion klar dafür ausgesprochen: „Wir werden aber diesen Synodalen Ausschuss haben. Es geht ja jetzt um eine Phase von drei Jahren. In diesen drei Jahren wollen wir die Überlegungen des Synodalen Weges umsetzen, weiterführen, evaluieren und schauen, wie wir dauerhaft einen Synodalen Rat bekommen, in dem Laien, Kleriker, Bischöfe miteinander unterwegs sind. Es gibt nichts Vernünftigeres. Wie sollen wir denn anders als gemeinsam die großen Fragen angehen? Also, es wird den Synodalen Ausschuss geben“, sagte er damals.
Das Pferd scheint aus dem Stall
Bereits bei der Wahl des neuen Erzbischofs in Paderborn kollidierten die Autoritätsansprüche des Vatikans mit dem Bedürfnis der katholischen Kirche in Deutschland, mehr Teilhabe zu ermöglichen. Erstmals sollten Laien den Erzbischof mitwählen. Das wurde vom Vatikan im bekannten scharfen Ton untersagt. Eine Beteiligung von Laien gefährde die Vertraulichkeit der Wahl. Und dennoch haben in Paderborn Laien die Liste mit den Namensvorschlägen mitberaten, die dann an den Papst geschickt wurde.
Und auch auf Bistumsebene scheint das Pferd aus dem Stall zu sein, den der Vatikan schließen möchte. In den Gemeinden wird immer häufiger probiert, wie man Macht teilen kann, indem Verwaltungsleiter die organisatorischen Aufgaben übernehmen, damit der Priester mehr Zeit für die Seelsorge hat. Das Bistum Münster berät derzeit die Einrichtung eines synodalen Rates auf Diözesanebene, das Bistum Essen hat einen solchen Rat mit 21 stimmberechtigten Mitgliedern aus Gremien und Gruppen im Bistum Essen soeben eingesetzt. Dieser Rat wird Bischof Overbeck künftig bei Grundsatzfragen im Ruhrbistum beraten. Dadurch werde im Bistum Essen ein nächster Schritt zur Stärkung und Weiterentwicklung von Synodalität getan, so Overbeck. Bereits seit 2022 wird das Bistum auch nicht mehr von Generalvikar Pfeffer alleine verwaltet, sondern in einem Team.