Hagen. Andreas Wolf ist Kandidat für den Job des Generalmusikdirektors. Mit Strawinskys 1. Sinfonie wählt er ein Problemstück.

Russische Klänge bestimmten das 5. Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters Hagen in der gut gefüllten Stadthalle. Zwei Raritäten und ein populärer Repertoire-Hit sorgten für eine nicht ganz ausgewogene Mischung vertrauter und unbekannter Töne.

Großartiger Tschaikowsky

Am Pult stand als Gastdirigent Andreas Wolf, derzeit 1. Kapellmeister am Nationaltheater Weimar, und Endrunden-Bewerber um die Position des Generalmusikdirektors in Hagen. Wolf sorgte mit der kurzen Symphonischen Dichtung „Baba Jaga“ des Spätromantikers Anatoli Ljadow für einen energiegeladenen Auftakt. Zu hören war ein effektvoller orchestraler Husarenritt, mit dem sich das Orchester für die anspruchsvollen Begleitaufgaben des folgenden Violinkonzerts von Peter Tschaikowsky warm spielen konnte.

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Die auch in Hagen gern gesehene Geigerin Antje Weithaas, die zur ersten Garnitur ihrer Zunft gehört, blieb den immensen Ansprüchen des Werks nichts schuldig. Das betrifft nicht nur die technischen Finessen der virtuosen Teile, sondern auch die ausladende Melodik vor allem der ersten beiden Sätze. Eleganz, hellwacher Vorwärtsdrang und Sensibilität bestimmten den Vortrag des ausgedehnten Kopfsatzes, in dem die Geigerin behutsam vom Orchester getragen wurde. Für die Canzonetta des Andantes schlug die Geigerin ein sehr langsames Tempo an, um das schlichte, emotionsstarke Hauptthema umso intensiver zum Ausdruck bringen zu können. Bewusst schroff wirkte dann der kraftvolle Einsatz des Finales. Die technischen Klippen des Satzes bewältigte Antje Weithaas mit der von ihr gewohnten Souveränität. Allerdings brachten die extrem gedehnten Tempi der lyrischen Couplets den Fluss des Satzes wiederholt ins Stocken. Hier schienen sich Solistin und Dirigent nicht immer einig zu sein.

Vortreffliche Antje Weithaas

Gleichwohl eine vortreffliche Interpretation des beliebten Werks, die auf volle Zustimmung des Publikums stieß. Mit dem ultrakurzen „Perpetuum mobile“ des ungarischen Zeitgenossen György Kurtág bedankte sich die Solistin.

Den zweiten Teil des Abends füllte Igor Strawinskys Sinfonie in Es-Dur op. 1. Dass das Werk selten zu hören ist, verwundert nicht. Es ist Strawinskys Gesellenstück zum Abschluss seines Studiums bei Rimski-Korsakow und lässt noch nichts von dem erahnen, was Strawinsky als einen der hervorragendsten Repräsentanten der Musik des 20. Jahrhunderts auszeichnete: Prägnanz, Originalität, Experimentierfreude und straffe Formgebung. Stattdessen sind vier lange, auswuchernde, dick instrumentierte Sätze zu hören, das Largo endlos zäh dahin plätschernd, melodisch substanzarm und insgesamt eher ermüdend als erhellend. Dem konnten auch Andreas Wolf und das gut aufgestellte Orchester nicht viel entgegensetzen.

Der Beifall fiel deutlich matter aus als nach Tschaikowskys Highlight.