Attendorn. Über 400 Unternehmen gehören dem Verein Wirtschaft für Südwestfalen an. Was der Vorsitzende Maik Rosenberg über seinen Einfluss sagt.
Mehr als 400 Mitglieder – vom Kleinbetrieb bis zum Milliarden-Konzern, darunter 150 Weltmarktführer. Das heißt schon etwas. Der Verein Wirtschaft für Südwestfalen repräsentiert wahrscheinlich mehr als 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Region. Wir haben mit dem Vereinsvorsitzenden Maik Rosenberg (49) gesprochen. Er ist Geschäftsführer des Attendorner Unternehmens Aquatherm. Er spricht über die Zukunft Südwestfalens, über Begeisterung für Jobs und über die AfD.
Wirtschaftsverbände gibt es fast wie Sand am Meer. Warum sollte ich Ihrem Verein beitreten?
Tatsächlich stellen sich Unternehmer diese Frage gerade mehr denn je, denn sie sind ja momentan nicht auf Rosen gebettet - und eine Mitgliedschaft kostet Geld. Aber der Verein ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen, sogar während der Corona-Pandemie. Dass wir auch in herausfordernden Zeiten größer werden, zeigt mir: Der Verein bietet einen großen Mehrwert.
Welchen?
Die Südwestfalen Agentur. Sie treibt das Regionalmarketing voran. Der Verein finanziert gemeinsam mit den fünf Landkreisen genau aus diesem Grund die Agentur; er ist ihr größter Gesellschafter. Dass so viele Kreise und ein Wirtschaftsverein in dieser Weise zusammenarbeiten, ist aus meiner Sicht ein einzigartiges Konstrukt. Die Südwestfalen Agentur macht ihren Job hervorragend. Sie leistet eine exzellente Öffentlichkeit. Unser Ziel ist es, dem Fachkräftemangel in Südwestfalen so zu begegnen, dass wir in anderen Regionen Menschen für unsere Heimat begeistern und jene, die vielleicht zum Studieren oder zur Ausbildung ein paar Jahre weggehen, wieder zurückholen. Um aber überhaupt bemerkt zu werden, um eine gewisse Kraft entwickeln zu können, eine Ausstrahlung Richtung Ruhrgebiet, Rheinland und darüber hinaus benötigt man eine gewisse Größe. Deshalb der Zusammenschluss der Kreise. In Südwestfalen ist der Pool halt endlich. Und natürlich liegt es im Interesse der Unternehmen, wenn die Menschen Bock haben hier zu arbeiten.
Es gibt ein Leben außerhalb der Arbeit. Die Menschen wollen hier ja auch leben.
Das stimmt. Wir als Unternehmer können tolle Jobs anbieten, aber der Rest muss natürlich auch passen. Aus meiner Sicht hat Südwestfalen da in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, auch in Zusammenhang mit dem Förderprogramm Regionale 2025. Wichtig ist es aber, weiterhin zu vermitteln, dass wir in einer wirklich lebenswerten Region wohnen. Das Gesamtpaket muss stimmen.
Stimmt es denn?
Natürlich ist nicht alles top, aber es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten. Klar, eine Großstadt hat Vorteile, etwa bei der Infrastruktur, der Gastronomie, Freizeiteinrichtungen. Aber der ländliche Raum kann bei der Natur punkten, beim Sportangebot, beim gesellschaftlichen Zusammenhalt, bei Vereinen und bei den Lebenshaltungskosten. Südwestfalen entwickelt sich weiter. Meine Stadt Attendorn beispielsweise hat ein Kino finanziert. An den Defiziten muss natürlich gearbeitet werden, zum Beispiel an einem flächendeckenden Mobilfunknetz oder an einer guten Versorgung mit Ärzten. Da haben wir als Wirtschaft auch die Pflicht, das einzufordern.
Südwestfalen hat früher mit seinen zahlreichen Weltmarktführern, den hidden champions, geworben. Zieht das heute noch?
Wir sind immer noch eine Region der Weltmarktführer, das gibt uns Stärke. Deshalb war es am Anfang richtig, sich mit diesem Argument Gehör zu verschaffen. Aber wir sind auch eine Region der Familienunternehmen, die sich zum großen Teil der Gemeinwohl-Ökonomie verpflichtet fühlen. Familienunternehmen stehen für ein anderes Wertesystem als Konzerne, sie wollen auch die Menschen und die jeweilige Region voranbringen. Das macht Südwestfalen aus, damit können wir werben.
Aber auch vielen Familienunternehmen geht es gerade nicht blendend.
Ja, aber das liegt nicht an der Region, sondern an der Bundespolitik. Ich wundere mich zum Beispiel über den Jubel darüber, dass in Deutschland der CO2-Ausstoß zurückgegangen ist. Kein Wunder, der steigt jetzt im Ausland, weil Unternehmen abgewandert sind. Die großen Investitionen finden nicht mehr hier statt, das sehen wir auch in unserem Verein. Beim Thema Bürokratie, Genehmigungsverfahren und in der Energiepolitik wird uns die Wettbewerbsfähigkeit gestohlen.
Mehr als 100.000 Mitarbeitende, damit könnte man doch auch politisch Muskeln spielen lassen.
Ja, unsere Aufgabe ist es auch, politisch ein starkes Sprachrohr für diese Region zu sein und unsere wirtschaftliche Stärke auch nach außen zu zeigen. Die gute Arbeit der Agentur, des Vereins und der Landräte hat unsere Wahrnehmung vor allem in Düsseldorf gesteigert. Ich halte mit meiner Meinung auch nicht hinter dem Berg. In Berlin vermisse ich allerdings die entsprechende Resonanz.
Hat die Politik das Problem A45 genug auf dem Schirm?
Nein. Da kommen ein paar Beileidsbekundungen, aber eine konkrete nachhaltige Unterstützung für die Region vermisse ich. Ja, über Förderprogramme sind Mittel nach Südwestfalen geflossen. Ich würde mir allerdings eine andere Präsenz von Spitzenpolitikern wünschen. Die haben noch nicht verstanden, was es wirklich bedeutet, dass die A45 so lange gesperrt ist. Hier wird ja gerade die gesamte Infrastruktur plattgefahren. Wegen des Brückendebakels hat sich auch der Fachkräftemangel massiv verschärft. Da gibt es zwar sehr gute Projekte wie das Hub 45, die dafür sorgen, dass Arbeitnehmer nicht ständig pendeln müssen, aber das kann das Grundproblem nicht lösen. Mir fehlt das ernsthafte Commitment für die Region: intensiv zuhören, gemeinsam an Lösungen arbeiten. So verstehe ich Politik. Gottseidank sind wir in Südwestfalen Ärmelhochkrempler. Hier herrscht die Haltung: Dann müssen wir es halt selber wuppen. Sonst sähe es hier ganz düster aus. Wenn die externen Rahmenbedingungen nicht stimmen, hilft das am Ende aber auch nicht mehr.
Commitment bedeutet auch Geld.
Richtig. Ich sehe das aber eher als gezielte Investition in eine Region, die vor enormen Problemen steht, die sie selbst nicht verschuldet hat.
Momentan positionieren sich große Teile der Wirtschaft gegen die AfD. Sie auch?
Definitiv. Extreme Parteien sind nie gut, sei es rechts oder links. Ein Verbot einer demokratischen Partei lehne ich persönlich aber ab. Vielmehr sollten unsere großen Volksparteien und die Regierung die richtigen Antworten auf die wichtigen gesellschaftlichen Fragen finden. Die politische Mitte muss die Menschen wieder mit den richtigen Lösungen für sich gewinnen.